Dass die Bewältigung von Naturkatastrophen amtierenden Regierungen bei Wahlen zugutekommen kann, ist spätestens seit dem „Schröder-Effekt“ nach der Elbeflut 2002 bekannt. Allerdings hängen das Ausmaß und die Dauer dieses Effekts stark vom sogenannten Sozialkapital in den betroffenen Regionen ab, wie ein aktuelles IZA-Forschungspapier aus Italien am Beispiel des Erdbebens von L’Aquila 2009 verdeutlicht.
Demnach profitierte die damalige Mitte-Rechts-Regierung unter Berlusconi zwar kurzfristig, doch der Umfang des Stimmenzuwachses hing entscheidend vom Grad des zivilgesellschaftlichen Engagements vor Ort ab. In Gemeinden mit schwachen sozialen Netzwerken (kaum Vereine, wenig ausgeprägte Nachbarschaftshilfe) war die Abhängigkeit vom Staat groß, und die Regierung konnte aus ihrer Hilfeleistung politischen Nutzen ziehen. Wo das Sozialkapital stark war und lokale Organisationen aktiv halfen, fiel dieser Effekt gering aus – die Bürger waren weniger auf den Staat angewiesen und honorierten dessen Engagement nicht im gleichen Maße.
Anhand ihrer detaillierten Daten dokumentierten die Forscher zudem einen „Ernüchtersungseffekt“. Bei späteren Wahlen verkehrte sich der kurzfristige Vorteil für die Regierungskoalition ins Gegenteil. Besonders dramatisch sank die Unterstützung wiederum in den Gebieten mit geringem Sozialkapital, was auf eine Enttäuschung über ausbleibenden langfristigen Fortschritt hindeutet.
Die Studie legt nahe, dass gut vernetzte Gemeinschaften widerstandsfähiger gegen die politische Instrumentalisierung von Katastrophen sind und dass langfristiges Vertrauen stärker von nachhaltigem Wiederaufbau abhängt als von schneller Notfallhilfe. Investitionen in Sozialkapital vor einer Krise sind demnach entscheidend.