Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Melanie Arntz, Michael Johannes Böhm, Georg Graetz, Terry Gregory, Florian Lehmer und Cäcilia Lipowski beleuchtet, wie deutsche Unternehmen ihre Technologieinvestitionen vor und während der COVID-19-Pandemie gestalteten.
Die Forscher wollten herausfinden: Hat die Krise einen Digitalisierungsschub ausgelöst, indem Firmen stärker in modernste, sogenannte „Frontier“-Technologien investierten? Oder verschob sich der Fokus lediglich auf Homeoffice-Lösungen, ohne dass der Einsatz hochmoderner Technik insgesamt zunahm?
Unter Frontier-Technologien verstehen die Forschenden die aktuellsten Tools für Büros (wie Cloud-Dienste, automatisierte Marketing-Software oder KI-Anwendungen in Business-Programmen) und für die Produktion (etwa smarte Robotik oder vollständig vernetzte Fertigungssysteme).
So wurde geforscht: Tiefe Dateneinblicke in Unternehmen
Für die Untersuchung wurden etwa 3.000 deutsche Firmen detailliert befragt. Um ein noch genaueres Bild zu erhalten, wurden die Umfrageergebnisse mit offiziellen Verwaltungsdaten und Arbeitnehmerdaten verknüpft. Auf diese Weise ließ sich genau nachvollziehen:
- wann Technologieinvestitionen getätigt wurden (vor oder während der Pandemie),
- ob die Pandemie der explizite Grund für die Investition war,
- wie sich die Technologieeinführung (in Büros und Produktion) über die Zeit entwickelte.
Durch den Vergleich mit einer früheren Befragung aus dem Jahr 2016 konnten die Veränderungen in der Technologieakzeptanz über mehrere Jahre hinweg nachvollzogen werden.
Die Ergebnisse: Überraschende Verschiebung bei Tech-Investitionen
Statt eines vermeintlichen Digitalisierungsschubs sanken die Gesamtinvestitionen in Frontier-Technologien während der Pandemie sogar. Während vor COVID-19 jährlich noch rund sechs Prozent der Unternehmen in modernste Bürotechnik investierten, halbierte sich dieser Wert während der Krise auf etwa 3,6 Prozent. Bei Produktionstechnologien war der Rückgang noch drastischer.
Nur ein kleiner Anteil der Unternehmen tätigte größere Technologieinvestitionen gezielt wegen der Pandemie. Zwar gaben einige Firmen COVID-19 als Grund an, doch diese „Pandemie-Investitionen“ hatten meist einen geringeren Umfang. Auch wenn zusätzliche, kleinere Investitionen den Anteil pandemiebezogener Ausgaben etwas erhöhten, erreichten sie nicht das Niveau der Investitionen vor der Krise.
Eine klarer Trend war die verstärkte Investition in Technologien, die Remote-Arbeit ermöglichten. Tools für Kommunikation, Zusammenarbeit und das Homeoffice waren für viele Unternehmen entscheidend, um die Verbindung unter den Mitarbeitenden aufrechtzuerhalten und den Geschäftsbetrieb während der Lockdowns zu sichern. Firmen, die in Remote-Work-Lösungen investierten, verzeichneten der Analyse zufolge nicht nur einen merklichen Anstieg der Homeoffice-Quote, sondern nahmen außerdem seltener Kurzarbeit in Anspruch.
Was die Ergebnisse bedeuten: Langfristige Folgen für Deutschland
Insgesamt scheint die Pandemie das Gesamttempo der Einführung von Spitzentechnologien also eher verlangsamt zu haben. Die Forschenden schätzen, dass Unternehmen im Vergleich zu normalen Zeiten rund 1,4 Jahre an Technologieinvestitionen eingebüßt haben. Kurzfristige Investitionen in Homeoffice-Tools führten offenbar nicht zu einem breiteren, dauerhaften Übergang zu einer technologisch fortschrittlicheren Arbeitsweise. Auch nach Ende der Pandemie zeigten die langfristigen Pläne der Unternehmen kein starkes, anhaltendes Engagement für weitere Investitionen in Spitzentechnologien.
Diese Erkenntnisse könnten zur Erklärung für das zuletzt geringe Produktivitätswachstum in Deutschland beitragen. Nach Einschätzung der Forschenden könnte eine aktivere antizyklische Innovationspolitik notwendig sein, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Technologieinvestitionen anzukurbeln, die langfristig wachstumsfördernd wirken.