Investition in Integration kann sich lohnen
Seit dem Zweiten Weltkrieg verzeichnet
Deutschland Zuwächse aus der Zuwanderung,
sagt Professor Holger Bonin.
Wie die Integration der Zuwanderer gelingen
und gesamtgesellschaftlicher Nutzen
entstehen kann, diesen und anderen
Fragen ging der Wirtschaftswissenschaftler
vor dem Königsteiner Forum nach.
Bildung ist die unverzichtbare Voraussetzung
dafür, dass sich Zuwanderer in
Deutschland integrieren. Davon ist Professor
Holger Bonin überzeugt. Das beginnt
nach den Worten des promovierten Volkswirts
mit dem Erwerb der deutschen
Sprache und setzt sich in allgemeiner und
beruflicher Bildung fort. „Wir haben lange
gebraucht, zu akzeptieren, dass Deutschland
ein Zuwanderungsland ist“, sagte der
Referent des sechsten Jahresvortrags des
Königsteiner Forums. Zunächst seien da die
Flüchtlinge und Vertriebenen in Folge des
Zweiten Weltkriegs gewesen, im Anschluss
seien aktiv angeworbene „Gastarbeiter“ gefolgt,
später Asylbewerber, aus unterschiedlichsten
Gründen Geflüchtete, Saisonarbeiter
und EU-Bürger: „In den allermeisten Jahren
seit 1950 verzeichnete dieses Land Zuwächse
aus der Zuwanderung“, hob der Forschungsdirektor
am Bonner Institut zur Zukunft
der Arbeit hervor.
Inzwischen betrage der Anteil von hier lebenden
Menschen mit Migrationshintergrund
um die 25 Prozent, sagte Bonin im Foyer
der Frankfurter Volksbank. „Zuwanderer
sind keine homogene Gruppe, sondern fordern
aufgrund unterschiedlicher Herkunft
und Vorbildung unser Bildungssystem auf
allen Ebenen.“
Das Gros ohne Abschluss
So sei Deutschland aufgrund der Qualität,
aber auch der relativ niedrigen Kosten
eines Studiums vor allem für ausländische
Studierende besonders attraktiv. Weitaus
schwieriger stelle sich die Situation für
Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten
dar. „Etwa drei Viertel von ihnen besitzen
keinen beruflichen oder akademischen Abschluss,
nur etwa sieben Prozent können
eine betriebliche Ausbildung und 17 Prozent
einen akademischen Grad vorweisen“,
skizzierte der Referent die Bildungsstruktur
dieser Zuwanderergruppe.
Dieser „Mangel an formaler Qualifikation“
sei zum einen dem oft sehr jungen Alter der
Zuwanderer geschuldet. Zum anderen bestehe
ein Problem mit „nicht anerkannten
oder übertragbaren Zertifikaten“. Bonin plädierte
ausdrücklich dafür, in die Bildung
und Ausbildung dieser Zuwanderergruppe
zu investieren. „Wenn 100 000 Geflüchtete
so leistungsfähig werden wie einheimische
Fachkräfte, gewinnen die öffentlichen Kassen
einen Gegenwert in der Höhe von rund
30 Milliarden Euro.“
Jeder Ausgabe für Bildung stehe dergestalt
ein gesamtgesellschaftlicher Ertrag auch in
Form von Integration und Teilhabe gegenüber.
Daher könne mit der Bildung nicht
früh genug begonnen werden. Deutlich verbessert
werden müsse laut Bonin die Betreuung
von Kindern im Vorschulalter aus
Familien mit Migrationshintergrund.
„Hier entstehen bereits Nachteile für die
spätere Entwicklung. Denn sowohl die
Kindertagesstätten als auch die Kindergärten
und Vorschulen sind die Orte außerhalb
der Familien, in denen Kinder die deutsche
Sprache lernen und Sicherheit in ihrem Gebrauch
einwerben können“, stellte der Referent
heraus.
Deutliche Rückstände
Tests des Leistungsstandes belegten „stabil“
Rückstände bei Kindern aus Migrantenfamilien.
Es gelte daher, die Herkunftsfamilien
besser zu informieren und an den Bildungsstätten
die pädagogischen Konzepte
anzupassen. „Es macht einen Unterschied
im Verständnis von Mathematik, ob ein
Kind aus einer afrikanischen Familie
stammt und Schafe gehütet oder ob es aus
einer afghanischen Familie kommt und im
Kaufmannsladen geholfen hat.“
Bonin warb ebenfalls dafür, „Stereotype
bei Lehrern und Ausbildern abzubauen sowie
Schulformen durchlässiger zu machen“.
Zugleich lobte er die Anstrengungen auf unterschiedlichen
Ebenen bis hin zu privaten
Initiativen, Zuwanderern Bildungschancen
zu eröffnen.
„Dabei werden sich die erfolgreichen Programme
durchsetzen.“ Gerade Sprachkurse
sieht der Arbeitsmarktforscher als wesentliche
Aufgabe für Gegenwart und Zukunft.
Analog zu den modular aufgebauten Studiengängen
sei eine in Modulen strukturierte
Weiterbildung sinnvoll, sagte Bonin. Dass
sich die Gesellschaft hierzulande „überdeutlich“
verändert habe, stellte Beiratsvorsitzender
Professor Diether Döring eingangs
heraus. Er verwies dabei sowohl auf den hohen
Anteil von Zuwanderern unterschiedlicher
Herkunft als auch auf das steigende
Alter der weniger werdenden Stammbevölkerung.
Nächster Vortrag
Bereits am Montag, 9. September, steht der
nächste Vortrag beim Königsteiner Forum
an. Von 20 Uhr an spricht Professor Dr. Birgit
Eickelmann von der Universität Paderborn
im Foyer der Frankfurter Volksbank,
Frankfurter Straße 4, über „die Schule in
der digitalen Revolution“.