Der diesjährige „IZA Prize in Labor Economics“ geht an den US-amerikanischen Ökonomen Joseph Altonji. Der 64-jährige Wirtschaftsprofessor an der Yale University im US-Bundesstaat Connecticut erhält die mit 60.000 Euro dotierte Auszeichnung für seine herausragenden wissenschaftlichen Beiträge unter anderem zur Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. Die Preisverleihung findet im Rahmen der World Labor Conference anlässlich des 20-jährigen IZA-Jubiläums am 28. Juni 2018 in Berlin statt.
Das IZA-Preiskomitee würdigt das breite Spektrum von Joseph Altonjis Forschungsarbeiten, die sich konstruktiv mit etablierten ökonomischen Theorien und Modellen auseinandersetzen. Insbesondere hat Altonji wertvolle Beiträge zur Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Methoden geleistet, um die rigorose empirische Überprüfung theoretischer Annahmen und Vorhersagen zu ermöglichen. Auf diese Weise hat er maßgeblich zum besseren Verständnis von Arbeitsmärkten und individuellen wirtschaftlichen Entscheidungen beigetragen.
Beispielhaft hierfür sind seine Arbeiten zur „statistischen Diskriminierung“. Dieses Phänomen wurde bereits in den 1970er Jahren theoretisch beschrieben, jedoch von Altonji erstmals empirisch nachgewiesen. Demnach ist Diskriminierung, etwa aufgrund von Geschlecht oder ethnischer Herkunft, nicht notwendigerweise den persönlichen Präferenzen oder Vorurteilen der Arbeitgeber geschuldet. Unternehmen zahlen unterschiedliche Einstiegslöhne auch, weil sie die tatsächliche Produktivität eines Bewerbers zum Einstellungszeitpunkt nicht kennen und sich daher an der durchschnittlichen Produktivität anderer Mitglieder der gleichen sozio-demografischen Gruppe orientieren.
In einer Reihe wissenschaftlicher Beiträge weist Altonji nach, dass es auf diese Weise zu ungerechtfertigten Lohnunterschieden kommt. Erst mit wachsender Betriebszugehörigkeit und dem damit verbundenen „Lerneffekt“ der Arbeitgeber nähert sich die Entlohnung der tatsächlichen individuellen Leistungsfähigkeit an. Diese neuen Einsichten haben die Forderung nach wirksameren Maßnahmen gegen Ungleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt befeuert, zumal sie offenlegen, dass selbst unvoreingenommene Arbeitgeber mitunter aus einem für sie wirtschaftlich „rationalen“ Kalkül heraus diskriminieren.
Neben seinen Arbeiten zur Diskriminierung hat Altonji weitere Einflussfaktoren auf die Lohnungleichheit untersucht, darunter die Bedeutung von Bildungsabschlüssen. So zeigt er am Beispiel der USA, dass stark gestiegene Bildungsrenditen den Lohnabstand zwischen Beschäftigten mit und ohne Hochschulabschluss weiter vergrößert haben. Zugleich wächst aber auch innerhalb der Gruppe der Hochschulabsolventen die Lohnungleichheit, da sich die Verdienstaussichten je nach Studienfach und Spezialisierung innerhalb des Fachbereichs immer stärker unterscheiden.
Für die Bildungspolitik ergibt sich daraus ein Dilemma: Einerseits birgt der Versuch, möglichst viele Studierende für die lukrativen MINT-Fächer zu gewinnen, das Risiko hoher Abbrecherquoten. Fördert man andererseits die Studienwahl nach persönlichen Begabungen und Neigungen, besteht die Gefahr, Akademiker am Arbeitsmarkt vorbei zu qualifizieren. Altonjis Forschung liefert keine abschließende Antwort, verfeinert jedoch die Methodik, um den tatsächlichen „Wert“ eines bestimmten Bildungsabschlusses besser ermitteln zu können.
Die vollständige Preisbegründung ist in englischer Sprache abrufbar.
Über den IZA-Preis
Die außerordentliche Bedeutung arbeitsökonomischer Fragestellungen für die Bewältigung der Anpassungsprozesse auf den internationalen Arbeitsmärkten hat das Institut zur Zukunft der Arbeit dazu veranlasst, mit Unterstützung der Deutsche Post-Stiftung den „IZA Prize in Labor Economics“ ins Leben zu rufen. Dieser Preis wurde zunächst jährlich und seit 2016 alle zwei Jahre im Wechsel mit dem „IZA Young Labor Economist Award“ in Anerkennung besonderer wissenschaftlicher Leistungen auf dem Gebiet der Arbeitsökonomie verliehen und soll einen Anreiz zu weiteren Forschungsarbeiten liefern, die sich den drängenden Fragen der Arbeitsmarktpolitik widmen.
Zu den bisherigen IZA-Preisträgern zählt neben den späteren Nobelpreisträgern Dale Mortensen und Christopher Pissarides auch Altonjis Doktorvater, der Princeton-Ökonom Orley Ashenfelter. Zuletzt ging der IZA-Preis 2016 an die Harvard-Professorin Claudia Goldin, die mit zwei weiteren Frauen im siebenköpfigen IZA-Preiskomitee vertreten ist. Die Entscheidung des Preiskomitees erfolgt auf Basis von Nominierungen aus dem Kreis der rund 1.500 IZA Research Fellows und Affiliates.