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IZA – Institute of Labor Economics

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Mark Fallak

Italienisches Pilotprojekt eröffnet Geflüchteten neue Perspektiven

December 12, 2025 by Mark Fallak

Die weltweite Flüchtlingskrise hat sich im vergangenen Jahrzehnt massiv zugespitzt: Zwischen den frühen 2010er-Jahren und 2022 hat sich die Zahl der Vertriebenen auf 36 Millionen verdreifacht. Einen Großteil von ihnen zieht es nach Europa – hier lebte im Jahr 2023 etwa ein Drittel aller Geflüchteten weltweit. Viele von ihnen hoffen, sich in der neuen Heimat ein sicheres und selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Doch der Einstieg ist oft schwer: Sprachbarrieren, langwierige Verfahren zur Arbeitserlaubnis und nicht anerkannte Bildungsabschlüsse oder Berufserfahrungen blockieren den Zugang zum Arbeitsmarkt. Häufig folgen lange Phasen der Arbeitslosigkeit, informelle Jobs und ein mangelnder sozialer Anschluss.

Ein innovativer Ansatz: Individuelle Unterstützung ab Tag eins

Genau hier setzt das italienische Pilotprojekt FORWORK an. Ein IZA-Forschungspapier von Giovanni Abbiati, Erich Battistin, Paola Monti und Paolo Pinotti untersucht das Potenzial des Programms – und kommt zu bemerkenswerten Ergebnissen. FORWORK richtet sich an Asylsuchende in der besonders kritischen Anfangsphase ihres Aufenthalts. Die Teilnehmenden erhalten individuelle Unterstützung bei der Jobsuche, persönliches Mentoring sowie Zugang zu geförderten Praktika – mit dem Ziel, den Weg in den regulären Arbeitsmarkt möglichst früh zu ebnen.

Die Wirkung wurde wissenschaftlich präzise erfasst: In einer groß angelegten Studie mit 260 Aufnahmeeinrichtungen in Norditalien wurde das Programm per Zufallsverfahren eingeführt – nur die Hälfte der Einrichtungen bot FORWORK an, die andere Hälfte diente als Kontrollgruppe. Nach 18 Monaten zeigte sich: Die Teilnehmenden waren deutlich erfolgreicher. Ihre Beschäftigungsquote lag 20 Prozentpunkte höher als in der Vergleichsgruppe – ein Anstieg um 61 Prozent gegenüber dem Ausgangswert von 33 Prozent. Selbst ohne die geförderten Praktika betrug das Plus noch 10 Prozentpunkte – eine Steigerung um rund 30 Prozent.

Mehr als ein Job: Sprache, Vertrauen und Teilhabe

Doch nicht nur die Zahl der Jobs stieg – auch deren Qualität. Die Teilnehmenden fanden häufiger befristete wie auch unbefristete Arbeitsverträge, also Stellen mit rechtlicher Absicherung und sozialer Sicherheit. Das machte sich auch finanziell bemerkbar: Die durchschnittlichen Arbeitseinkommen stiegen innerhalb von 18 Monaten um 30 Prozent.

Auffällig waren vor allem die Fortschritte bei Frauen. Zwar starteten sie von einem niedrigeren Niveau, doch ihre Beschäftigungsquote wuchs im Vergleich zur Kontrollgruppe um 67 Prozent – bei Männern lag das Plus bei 39 Prozent. Neben dem beruflichen Erfolg gelang auch ein Schritt in die gesellschaftliche Integration: Die Teilnehmenden verbesserten ihre Italienischkenntnisse deutlich, verdoppelten im Schnitt ihre Sprachtest-Ergebnisse und gaben an, dreimal so viele Kontakte zu Einheimischen zu haben wie zuvor. Auch das Vertrauen in die Aufnahmegesellschaft wuchs – ein wichtiger, oft unterschätzter Faktor für langfristige Integration.

Ein Modell für Europa? Was andere Länder lernen können

Was macht FORWORK so wirkungsvoll? Drei Aspekte sind entscheidend: erstens der frühe Start, bevor sich Arbeitslosigkeit oder Passivität verfestigen; zweitens die individuelle Begleitung, die auf konkrete Bedürfnisse eingeht; und drittens der Fokus auf praktische Arbeitserfahrung statt klassischem Frontalunterricht. Mit Kosten von rund 2.080 bis 3.170 Euro pro Person liegt das Programm im Rahmen anderer europäischer Arbeitsmarktmaßnahmen – bei deutlich spürbaren Effekten. Zusätzlich reduziert FORWORK die Abhängigkeit von prekären Jobs, verringert das Risiko von Ausbeutung und kann damit auch gesellschaftliche Spannungen entschärfen.

Gerade für Länder wie Italien, die häufig erste Anlaufstelle für Geflüchtete sind, zeigt FORWORK nach Einschätzung der Forschenden einen vielversprechenden Weg: Wer frühzeitig gezielte Unterstützung biete, fördere nicht nur Integration, sondern stärke auch sozialen Zusammenhalt und wirtschaftliche Teilhabe. Die Studie liefert ein starkes Argument dafür, das Modell europaweit auszurollen – und Geflüchteten echte Chancen auf einen Neuanfang zu bieten.

Filed Under: Research Tagged With: asylum, Italy, job mentoring, labor market integration

Versteckte Vorurteile im Wirtschaftsstudium

November 19, 2025 by Mark Fallak

Die Wirtschaftswissenschaften stehen seit Jahren in der Kritik: Zu einseitig, zu dogmatisch, zu abgehoben von der Realität. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 fordern Studenten, Wissenschaftler und Politiker mehr Pluralismus in der ökonomischen Lehre. Statt nur neoklassische Theorien zu vermitteln, sollten Universitäten auch alternative Denkschulen wie die Verhaltensökonomie, ökologische Ökonomie oder feministische Ansätze lehren. Doch wie tief verwurzelt ist die Fixierung auf den Mainstream tatsächlich?

Ein IZA-Forschungspapier von Mohsen Javdani und Ha-Joon Chang deckt auf, wie stark ideologische Vorurteile das Denken im VWL-Studium prägen. Die Forscher befragten 2.735 Studierende aus zehn Ländern in einem großangelegten Online-Experiment.

Das überraschende Ergebnis: Obwohl 67 Prozent der Studenten behaupten, Argumente nur nach ihrem Inhalt zu bewerten, zeigt ihr Verhalten das Gegenteil. Sobald dieselbe Aussage einer nicht-etablierten statt einer Mainstream-Quelle zugeschrieben wird, sinkt die Zustimmung dramatisch.

Doktoranden sind am stärksten voreingenommen

Besonders brisant: Je weiter fortgeschritten das Studium, desto größer die Vorurteile. Doktoranden zeigen mehr als doppelt so starke Voreingenommenheit gegen alternative Wirtschaftstheorien wie Bachelor- oder Masterstudenten. Paradoxerweise behaupten gleichzeitig 76 Prozent der Promovierenden, besonders kritisch und unabhängig zu denken – mehr als alle anderen Studiengruppen.

Die politische Einstellung verstärkt diese Effekte zusätzlich. Rechtsorientierte Studenten lehnen abweichende Meinungen häufiger ab, selbst wenn diese aus dem Mainstream stammen. Bei männlichen Studenten sind die Reaktionen auf Quellenwechsel um 62 Prozent stärker ausgeprägt als bei weiblichen.

Extreme Unterschiede bei Doktoranden

Am deutlichsten zeigen sich die Verzerrungen bei Doktoranden mit unterschiedlichen politischen Ansichten: Während die Zustimmung bei linksorientierten Promovierenden um 18,6 Prozent sinkt, wenn eine Aussage einer alternativen Quelle zugeschrieben wird, beträgt der Rückgang bei rechtsorientierten Doktoranden satte 64 Prozent.

Ruf nach Reformen

Die Autoren sehen dringenden Reformbedarf in der Wirtschaftsausbildung. „Die Befunde zeigen, wie das starre Diskursverhalten der Ökonomie Studierende in eine bestimmte Denkweise sozialisiert“, warnen sie. Statt Objektivität zu fördern, verstärke das System institutionelle Machtstrukturen.

Die Forscher fordern einen pluralistischeren Ansatz, der verschiedene Wirtschaftstheorien – von institutioneller über feministische bis hin zu ökologischer Ökonomie – gleichberechtigt vermittelt. Nur so könnten Studenten lernen, wirtschaftliche Fragen kritisch und unabhängig zu durchdenken, statt blindlings dem herrschenden Paradigma zu folgen.

Filed Under: Research Tagged With: authority bias, economics education, economics students, ideological bias, ideology, plurality in economics

Unternehmen überschätzen die Attraktivität ihres Standorts – bleiben aber trotzdem

November 5, 2025 by Mark Fallak

Kommunen setzen auf Steuersenkungen und Infrastrukturinvestitionen, um Unternehmen anzulocken. Doch offenbar schätzen Betriebe die Standortqualität ihrer Gemeinde falsch ein – und das beeinflusst ihre Investitionsentscheidungen. Ein IZA-Forschungspapier von Sebastian Blesse, Florian Buhlmann, Philipp Heil und Davud Rostam-Afschar zeigt auf, wie stark die Wahrnehmung der Unternehmen von der Realität abweicht. Die Forscher befragten über 3.000 Führungskräfte in Deutschland und stellten fest: Die meisten Firmen überschätzen systematisch, wie wettbewerbsfähig ihre Gemeinde im Vergleich zu anderen ist.

Realitätscheck verändert die Sichtweise

In einem Experiment erhielten die Unternehmen konkrete Daten über ihre lokalen Steuer- und Infrastrukturbedingungen. Das Ergebnis war eindeutig: Firmen, die negative Rückmeldungen über ihre Standortbedingungen erhielten, reduzierten ihre Zufriedenheit mit dem Standort deutlich.

Überraschend jedoch: Trotz dieser ernüchternden Erkenntnisse bevorzugten die meisten Unternehmen weiterhin Investitionen am heimischen Standort. Dies deutet auf eine starke Standortverbundenheit hin, die Ökonomen als „Home Bias“ bezeichnen.

Steuern wichtiger als Autobahnanschluss

Besonders aufschlussreich sind die unterschiedlichen Reaktionen auf verschiedene Informationsarten. Während Nachrichten zur lokalen Steuersituation die Investitionspläne der Unternehmen spürbar beeinflussten, zeigten Informationen über die Infrastruktur – etwa die Entfernung zur nächsten Autobahn – kaum Wirkung auf geplante Investitionen.

Unternehmen mit hoher Standortflexibilität reagieren besonders stark auf positive Steuernachrichten, indem sie geplante Investitionen in anderen Gemeinden reduzieren, erklären die Forscher. Steuerpolitik bleibt also offenbar ein mächtiges Instrument in der Standortkonkurrenz.

Wie die Studie durchgeführt wurde

Die Untersuchung basiert auf dem German Business Panel (GBP) und umfasste mehr als 3.000 zufällig ausgewählte Führungskräfte. Zunächst schätzten die Befragten die Effizienz öffentlicher Ausgaben ein und gaben ihre lokale Gewerbesteuerbelastung sowie die Entfernung zur nächsten Autobahn an. Wichtiger noch: Sie sollten einschätzen, wie ihre Gemeinde im nationalen Vergleich abschneidet.

Anschließend wurden die Firmen zufällig in vier Gruppen eingeteilt: eine Kontrollgruppe und drei Versuchsgruppen, die Informationen über die tatsächliche Steuerposition, den Infrastrukturzugang oder beide Aspekte erhielten. Nach dieser Information bewerteten die Unternehmen erneut ihre Standortzufriedenheit und Investitionsbereitschaft.

Zentrale Erkenntnisse im Detail

Massive Fehleinschätzungen: Während Unternehmen ihre absolute Steuerbelastung und Autobahnentfernung relativ genau einschätzen können, überschätzen sie die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Gemeinde systematisch. Im Durchschnitt schätzen sie ihre Steuerposition um 28 Prozentpunkte besser ein, als sie tatsächlich ist. Knapp 80 Prozent der Firmen glauben, ihre Steuersituation sei günstiger als sie tatsächlich ist.

Information verändert Wahrnehmung: Genaue Informationen beeinflussen die Standortbewertung der Unternehmen erheblich – allerdings asymmetrisch. Negative Nachrichten über Steuern oder Infrastruktur senken die Zufriedenheit spürbar, während positive Nachrichten kaum Veränderungen bewirken.

Branchenunterschiede: Unternehmen aus mobileren Branchen passen ihre Investitionspläne stärker an, wenn sie positive Steuernachrichten erhalten. Kapitalgesellschaften reagieren sensitiver als Personengesellschaften – vermutlich weil letztere die Gewerbesteuer teilweise mit der Einkommensteuer verrechnen können.

Was Kommunen daraus lernen können

Die Studie hat wichtige Implikationen für die lokale Wirtschaftspolitik. Obwohl Unternehmen über weniger günstige Bedingungen informiert wurden, bevorzugen die meisten weiterhin Investitionen am angestammten Standort. Diese Heimatverbundenheit könnte auf hohe Anpassungskosten zurückzuführen sein – etwa die Verlagerung qualifizierter Arbeitskräfte oder das Aufbrechen lokaler Netzwerke.

„Die gezielte Kommunikation über Standortvorteile könnte ein wertvolles Instrument der lokalen Wirtschaftspolitik sein“, folgern die Forscher. Gleichzeitig zeigt die Studie, dass Informationslücken bei Unternehmen weit verbreitet sind und deren Entscheidungen beeinflussen.

Für die Kommunalpolitik bedeutet das: Transparenz über Standortbedingungen kann die Wahrnehmung verändern – die starke Heimatverbundenheit der Unternehmen bleibt jedoch ein stabilisierender Faktor für die lokale Wirtschaft.

Filed Under: Research Tagged With: firm location, infrastructure, tax competition

KI hält Einzug in die Hochschulbildung

September 29, 2025 by Mark Fallak

Laut einer aktuellen Umfrage von Anfang 2025 unter Studierenden der Elitehochschule Middlebury College, die Zara Contractor und Germán Reyes durchgeführt und in einem IZA-Forschungspapier veröffentlicht haben, nutzen inzwischen 80 Prozent der Studierenden generative KI-Tools wie ChatGPT für ihr Studium. Damit hat sich ihr Anteil seit Anfang 2023 verachtfacht – selten zuvor hat sich eine neue Technologie so rasant verbreitet.

Anders als oft vermutet, nutzen jedoch nur 41,9 % der Studierenden die KI zum Lösen von Aufgaben oder Schreiben von Aufsätzen, während die Mehrheit (61,2 %) sie vor allem zur Unterstützung beim Lernen verwenden.

Studierende sehen KI oft als einen „Tutor on Demand“, also eine jederzeit verfügbare Nachhilfe, wenn menschliche Unterstützung gerade nicht greifbar ist. Nicht-Muttersprachler nutzen die KI zum Korrekturlesen, während Studierende naturwissenschaftlicher Fächer sie zum Debuggen von Code verwenden. Wenn Studierende Aufgaben automatisieren, tun sie dies in der Regel bei hoher Arbeitsbelastung, um Zeit zu sparen.

Nutzung variiert je nach Studienfach und Demografie

Studierende der Naturwissenschaften (einschließlich Informatik und Mathematik) nutzen KI mit 91,1 % am häufigsten, im Vergleich zu 48,6 % in den Literaturwissenschaften und bei den Sprachen (57,4 %). Männer verwenden KI mit 88,7 % häufiger als Frauen mit 78,4 %. Überraschenderweise nutzen leistungsschwächere Studierende KI häufiger (87,1%) als ihre Kommilitonen mit besseren Noten (80,3 %).

Insgesamt sind die meisten Studierenden der Meinung, dass KI ihr Verständnis von Kursmaterialien (70,2 %) und ihre Lernfähigkeit (60,1 %) verbessert. Trotzdem gaben nur 41,1 % gaben an, durch KI ihre Noten spübar verbessern zu können.

Fazit für die Bildungspolitik

Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass pauschale KI-Verbote an Hochschulen unwirksam und kontraproduktiv sein könnten. Sie könnten Studierende benachteiligen, die am meisten von den Lernvorteilen der KI profitieren. Darüber hinaus gibt es erhebliche Informationslücken: Nur 10,1 % der Studierenden kennen die von ihrer Hochschule bereitgestellten KI-Ressourcen, und lediglich 32,6 % verstehen die korrekte Zitierweise.

Anstatt sich nur auf die Betrugsprävention zu konzentrieren, sollten Bildungseinrichtungen den Studierenden beibringen, wie sie KI verantwortungsvoll nutzen können, um ihr Lernen zu verbessern, anstatt es zu ersetzen, so die Forschenden.

Lesen Sie hier die ausführlichere englischsprachige Zusammenfassung mit Grafiken.

Filed Under: Research Tagged With: ChatGPT, Generative AI, higher education, student learning, technology adoption

Wie Automatisierung den Arbeitsmarkt verändert – und was die Politik tun kann

September 15, 2025 by Mark Fallak

Der technologische Wandel, insbesondere durch den rasanten Fortschritt bei Künstlicher Intelligenz (KI), verändert die Arbeitswelt grundlegend. Für die Politik bedeutet das: Sie muss nicht nur auf den Wandel reagieren, sondern ihn vorausschauend mitgestalten. Ein IZA-Forschungspapier von Michael Johannes Böhm, Ben Etheridge und Aitor Irastorza-Fadrique liefert dazu wichtige Impulse. Die Autoren entwickeln ein ökonomisches Modell, das zeigt, wie sich Beschäftigung und Löhne in verschiedenen Berufen an die zunehmende Automatisierung anpassen könnten.

Im Mittelpunkt steht ein differenzierter Ansatz: Statt Berufe pauschal als „automatisierbar“ oder nicht einzuordnen, kombiniert das Modell Expertenschätzungen zum Automatisierungsrisiko mit Erkenntnissen über berufliche Wechselmöglichkeiten und historischen Daten zu Anpassungsprozessen auf dem Arbeitsmarkt. Das Ergebnis ist ein deutlich nuancierteres Bild.

Ein zentrales Ergebnis: Die Fähigkeit von Beschäftigten, auf technologische Veränderungen mit einem Berufswechsel zu reagieren, unterscheidet sich erheblich. In manchen Berufen – etwa bei Lehrkräften oder Ärztinnen – führen selbst starke Lohnveränderungen kaum zu einem Wechsel in andere Tätigkeiten. Diese Berufe gelten als „inelastisch“. Andere, wie IT- oder Verwaltungsberufe, sind deutlich anpassungsfähiger. Hier wirken Lohnsignale direkter auf die Beschäftigung.

Besonders bedeutsam ist auch der Blick auf berufliche Übergänge. Manche Wechsel – zum Beispiel von Laborarbeit in die Pflege – sind relativ häufig und mit überschaubaren Kosten verbunden. Andere – etwa von der industriellen Fertigung in die Programmierung – sind seltener und mit höheren Hürden verbunden. Für die Arbeitsmarktpolitik heißt das: Beruflicher Wandel ist möglich, aber nicht immer realistisch.

Hinzu kommt: Automatisierung betrifft oft ganze Gruppen ähnlicher Berufe gleichzeitig. Das schränkt die Möglichkeiten ein, innerhalb des eigenen Berufsfeldes in weniger gefährdete Tätigkeiten zu wechseln. Wenn es keine nahegelegenen Alternativen gibt, wird der Strukturwandel für viele Beschäftigte zur Sackgasse.

Das Modell erlaubt auch einen Blick in die Zukunft. Es prognostiziert wachsende Beschäftigung in IT- und Bauberufen sowie steigende Löhne im Gesundheits- und Bildungswesen. Gleichzeitig dürfte der Druck auf Industriearbeitsplätze steigen – auch hochqualifizierte Tätigkeiten wie Buchhaltung oder Wirtschaftsprüfung könnten sinkende Löhne verzeichnen. Besonders betroffen: Beschäftigte in Berufen mit geringer Mobilität und wenigen Wechselmöglichkeiten.

Die politische Konsequenz liegt auf der Hand: Es genügt nicht, lediglich gefährdete Berufe zu benennen. Die Politik muss realistische Übergänge ermöglichen – durch gezielte Umschulungen, individuelle Berufsberatung, passende Weiterbildungsangebote und gegebenenfalls finanzielle Unterstützung für besonders schwer vermittelbare Gruppen. Nur so lassen sich die Chancen der Automatisierung nutzen, ohne die Risiken ungleich zu verteilen.

Die Studie liefert damit eine wichtige Grundlage für eine kluge, vorausschauende Arbeitsmarktpolitik im KI-Zeitalter – faktenbasiert, differenziert und praxisnah.

Filed Under: Research Tagged With: automation, job flows, labor demand

IZA-Netzwerk findet neues Zuhause am LISER

August 26, 2025 by Mark Fallak

Das IZA-Netzwerk, mit über 2.000 Forschenden aus rund 60 Nationen weltweit führend in der Arbeitsmarktforschung, wird ab dem 1. Januar 2026 am Luxembourg Institute of Socio-Economic Research (LISER) fortgeführt. Damit ist sichergestellt, dass die Arbeit des Netzwerks auch nach der Schließung des Bonner Forschungsinstituts Ende dieses Jahres nahtlos weitergeht.

Zu den zentralen Aktivitäten, die unter dem Dach von LISER bestehen bleiben, gehören die renommierte IZA Discussion Paper Series sowie die Online-Enzyklopädie IZA World of Labor. Beide Formate genießen hohes Ansehen als Plattform für aktuelle wissenschaftliche Arbeiten bzw. als umfassende und praxisnahe Informationsquelle für Politik, Lehre und die interessierte Öffentlichkeit. Auch wichtige Veranstaltungsreihen wie die IZA Summer School, themenbezogene Workshops und das Gastforschendenprogramm werden fortgeführt. Neue Formate sind ebenfalls geplant.

Das 1989 gegründete LISER ist ein international vernetztes Forschungsinstitut mit rund 200 Mitarbeitenden aus über 30 Ländern. Mit seiner engen Anbindung an europäische Universitäten, Institutionen und Politikakteure sowie durch seine enge Beziehung zu diversen Forschungsinstitutionen in Deutschland ist das LISER ein idealer Standort, um die Reichweite und Wirkungskraft des IZA-Netzwerks weiter auszubauen.

Die Leitungen von LISER und IZA betonen, dass das vorrangige Ziel die Sicherung der Kontinuität des Netzwerks sei. Gleichzeitig soll der Schritt als Chance genutzt werden, die internationale Sichtbarkeit langfristig weiter zu stärken. In Zeiten, in denen Wissenschaftsfreiheit und evidenzbasierte Politikgestaltung zunehmend unter Druck geraten, soll das Netzwerk auch künftig ein Leuchtturm für offene und kooperative Spitzenforschung bleiben.


Filed Under: IZA News

Lebenswerte und produktive Arbeitswelten gestalten

July 28, 2025 by Mark Fallak

In der heutigen Zeit wird die Bedeutung von bezahlter Arbeit stark hinterfragt – nicht nur wegen wirtschaftlicher Veränderungen und neuer Technologien, sondern auch aus Sicht der Menschen selbst. Für viele steht dabei einiges auf dem Spiel: Denn Arbeit ist nicht nur Lebensgrundlage, sie prägt auch unseren Alltag, unsere Identität – und sie beeinflusst, wie wir unser Leben außerhalb der Arbeit gestalten.

Wie ich in meinem neuen Buch „The Future of Work Environments: Creating Livable and Productive Working Habitats“ (Edward Elgar, 2025) zeige, wird bezahlte Arbeit auf absehbare Zeit weiter eine zentrale Rolle spielen. Der Kapitalismus wird nicht plötzlich verschwinden – und damit auch nicht das klassische Arbeitsverhältnis. Worüber wir uns also Gedanken machen sollten, ist nicht das Ende der Arbeit, sondern vielmehr die Art der Arbeit und die Bedingungen, unter denen wir sie leisten.

Menschliche Arbeit in Zeiten der Automatisierung

Besonders gefragt ist menschliche Arbeit dort, wo Maschinen an ihre Grenzen stoßen – also da, wo Kreativität, soziale Intelligenz oder Erfahrung zählen. Genau an dieser Schnittstelle zwischen Mensch und Technik wächst die Arbeit der Zukunft. Je mehr sich Maschinen weiterentwickeln, desto wichtiger wird das, was nur Menschen können.

Unsere Arbeitswelt verändert sich entlang dieser Grenze. Wer aktiv an der Gestaltung seiner Arbeit beteiligt ist, wird weniger leicht ersetzbar. Es lohnt sich also, Arbeit bewusst zu formen – sowohl technisch als auch menschlich.

Wie könnte die Zukunft aussehen?

Auch wenn der Kapitalismus bestehen bleibt, ist er nicht in Stein gemeißelt. Es gibt verschiedene Richtungen, in die sich unsere Arbeitswelt entwickeln kann. Eine düstere Variante wäre ein radikaler Kapitalismus mit starker Hierarchie und wenig Spielraum für die Einzelnen – altbekannte Bürokratie trifft auf neue, strenge Menschenführung. Auf der anderen Seite steht das Modell eines menschlicheren Kapitalismus, mit faireren Bedingungen, besseren Organisationen und mehr Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung.

Wahrscheinlich wird es auf eine Mischform hinauslaufen – mit Licht und Schatten. Wichtig ist, dass wir als Gesellschaft mitentscheiden, in welche Richtung es gehen soll.

Drei Ebenen, die sich gegenseitig stärken

Um gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, braucht es ein Zusammenspiel von drei Ebenen: Die Politik als Rahmengeberin, die Unternehmen als Gestalter des Arbeitsalltags – und schließlich dei Individuen mit ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen.

Wenn diese drei Ebenen gut zusammenwirken, entsteht ein stabiles Fundament für lebenswerte Arbeitswelten. Eine gerechtere Arbeitswelt mit weniger Ungleichheiten bedeutet auch: Weniger Druck, sich auf Biegen und Brechen durchsetzen zu müssen. Menschen könnten besser leben – ohne Angst vor dem sozialen Abstieg.

Gute Institutionen helfen dabei: Sie schaffen Räume, in denen man arbeiten und leben kann, mit möglichst viel Freiheit – und ohne unnötige Hürden.

Was gute Politik leisten kann

Politik kann die Richtung vorgeben – auch wenn sie nicht jede Entwicklung im Detail steuern kann. Sie kann dafür sorgen, dass es mehr „gute Arbeit“ gibt: Tätigkeiten, die nicht rein maschinell ersetzbar sind, und in denen Menschen sich weiterentwickeln können. Sie kann Machtverhältnisse ausbalancieren, Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern und soziale Absicherung schaffen.

Gute Rahmenbedingungen – etwa bei Löhnen, Weiterbildung oder Mitbestimmung – stärken nicht nur einzelne Gruppen, sondern die Gesellschaft als Ganzes. Politik ist damit mehr als Verwaltung – sie wird zum Produktivfaktor für die Arbeitswelt.

Unternehmen als Orte gemeinsamer Arbeit

Idealerweise sind Unternehmen Orte, an denen Menschen gemeinsam an etwas arbeiten – ohne starre Hierarchien, mit mehr Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Das funktioniert natürlich nur, wenn Mitarbeitende Verantwortung übernehmen und ihre Fähigkeiten einbringen können. Selbstorganisation ist gefragt – aber auch Unterstützung.

In solchen „Werkstätten der Zukunft“ wird Arbeit zwar nicht weniger anstrengend, aber sie wird sinnvoller. Sie fühlt sich weniger sinnlos oder fremdbestimmt an. Dafür braucht es aber auch faire Bedingungen, breit verteilte Qualifikationen und die passenden politischen Rahmenbedingungen.

Menschliches Kapital: Was jeder mitbringt

In der heutigen Arbeitswelt ist jeder ein Stück weit sein eigener „menschlicher Kapitalist“ – auch wenn der Begriff vielleicht etwas sperrig klingt. Gemeint ist: Jeder bringt Wissen, Fähigkeiten und Selbstorganisation mit, um sich in der Arbeitswelt zurechtzufinden. Das gilt nicht nur im Job, sondern auch an der Grenze zwischen Arbeit und Privatleben.

Gerade diese Grenze ist wichtig: Nicht alles muss Arbeit sein. Es braucht auch Abstand, Auszeiten – ein „Hinterland“, das uns schützt vor Überforderung und Dauerstress. Menschen haben die Fähigkeit, ihre Arbeit aktiv zu gestalten – besonders dann, wenn das Umfeld es zulässt.

Ein hoffnungsvoller Ausblick

Ich bin überzeugt: Wenn Politik, Unternehmen und Individuen gut zusammenwirken, können wir zuversichtlich in die Zukunft schauen. Je besser die Bedingungen sind, desto eher gelingt es Menschen, ihr eigenes Arbeitsumfeld mitzugestalten – und sich dort wohlzufühlen.

Natürlich wird die Zukunft nie genau so aussehen, wie wir sie uns vorstellen. Aber gerade das macht sie spannend. Ungewissheit ist auch ein Zeichen für Offenheit – für Möglichkeiten. Und je mehr auf dem Spiel steht, desto wichtiger ist die Vorstellung eines guten Arbeitslebens.

Ein gutes Arbeitsumfeld – in dem man arbeiten und leben kann – ist eine Art Rettungsanker. Eine Chance, die Zukunft so lebenswert zu gestalten, wie es eben möglich ist.

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Filed Under: Opinion Tagged With: future of work

Wenn das eigene Kind schwer erkrankt – und der Job darunter leidet

June 4, 2025 by Mark Fallak

Was passiert, wenn ein Kind plötzlich an Krebs erkrankt? Für viele Mütter bedeutet das nicht nur emotionale Belastung, sondern auch einen drastischen Einschnitt im Berufsleben. Ein aktuelles IZA-Forschungspapier aus Australien zeigt: Der Arbeitsplatz spielt eine entscheidende Rolle dabei, wie stark sich solche Schocks auf Einkommen und Karriere auswirken.

Untersucht wurde anhand umfassender Verwaltungsdaten, wie sich die Krebsdiagnose eines Kindes auf die Erwerbsverläufe von Eltern auswirkt. Im Fokus: Unterschiede zwischen Müttern und Vätern – und der Einfluss des Arbeitsumfelds.

Der Preis der Fürsorge

Im Jahr der Diagnose sinkt das Einkommen von Müttern im Schnitt um 15 Prozent – und bleibt auch drei Jahre später noch deutlich unter dem vorherigen Niveau. Väter hingegen sind kaum betroffen. Die Zahlen zeigen klar: Sorgearbeit ist weiterhin Frauensache – besonders in Krisenzeiten.

Doch die Studie zeigt auch, dass es einen Unterschied macht, wo eine Mutter arbeitet. In Unternehmen mit langen Arbeitszeiten sind die Einkommensverluste am größten. Dort, wo der Frauenanteil in Führungspositionen höher ist oder flexiblere Strukturen herrschen, fallen die Einbußen deutlich geringer aus.

Schlussfolgerungen für die Politik

Die Forschenden leiten daraus mehrere Politikempfehlungen ab. Erstens sollten Arbeitsumgebungen gezielt familienfreundlicher gestaltet werden – etwa durch mehr Flexibilität und eine stärkere Einbindung von Frauen in Führungspositionen. Zweitens sollten eine bezahlte Elternzeit auch bei schweren Erkrankungen älterer Kinder ermöglicht werden.

Drittens zeigen die anhaltenden Einkommensverluste, dass selbst in gut ausgebauten Sozialsystemen zusätzlicher oder gezielterer Einkommensersatz nötig sein könnte. Und schließlich machen die Ergebnisse deutlich, dass strukturelle Veränderungen erforderlich sind, um geschlechtsspezifische Ungleichheiten am Arbeitsmarkt nachhaltig zu verringern.

Fazit

Die Diagnose Krebs beim eigenen Kind ist ein Extremfall – aber kein Einzelfall. Die Erkenntnisse lassen sich auch auf andere Pflege-Situationen übertragen, etwa bei chronisch kranken Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen. Klar ist: Wer Fürsorge leistet, sollte dafür nicht dauerhaft beruflich zurückgeworfen werden.

Filed Under: Research

Datenzugang als Karriere-Booster in der Wirtschaftswissenschaft

June 2, 2025 by Mark Fallak

Der Weg zur Professur in der Volkswirtschaftslehre führt selten nur über brillante Ideen und Fleiß. Längst ist bekannt, dass institutionelle Reputation, akademische Netzwerke und geschlechtsspezifische Ungleichheiten entscheidend mitbestimmen, wer gefördert wird – und wer nicht. Promovierende an renommierten Universitäten erhalten häufig besseren Zugang zu Betreuung, Sichtbarkeit und Netzwerken. Dagegen müssen sich Frauen und Forschende von weniger bekannten Institutionen oft unter schwierigeren Bedingungen behaupten.

In diesem Gefüge gewinnt ein Faktor zunehmend an Bedeutung: der Zugang zu Verwaltungsdaten. Diese detaillierten, oft staatlich erhobenen Datensätze sind heute ein zentraler Baustein empirischer Forschung, vor allem in Feldern wie Arbeitsmarktökonomie und Sozialpolitik. Doch wer profitiert davon am meisten? Öffnet der Zugang zu diesen Daten neue Türen – oder sichert er vor allem denen Vorteile, die ohnehin gut vernetzt sind?

Das Beispiel VisitINPS

Diesen Fragen gehen Anthony Lepinteur und Roberto Nistico in einem neuen IZA-Forschungspapier  nach. Im Mittelpunkt steht das Programm VisitINPS des italienischen Sozialversicherungsinstituts, das Forschenden Zugang zu umfassenden Verwaltungsdaten über Beschäftigte, Unternehmen und Erwerbsbiografien in Italien gewährt. Die Autoren untersuchen, wie sich dieser Zugang auf die Karrierewege von Nachwuchswissenschaftlern auswirkt – sowohl auf ihre Publikationen als auch auf ihre Sichtbarkeit und Erfolgschancen auf dem akademischen Arbeitsmarkt.

Das Ergebnis: Wer Zugang zu den INPS-Daten erhielt, hatte bessere Chancen, in angesehenen Fachzeitschriften zu publizieren – vor allem im Bereich Arbeitsökonomik, für den die Daten besonders relevant sind. Auch die Sichtbarkeit stieg: durch mehr Working Papers, Konferenzbeiträge und Netzwerkkontakte. Entscheidend war dabei nicht die bloße Zahl der Veröffentlichungen, sondern die Qualität und Signalwirkung der Forschung – und damit das, was im Wissenschaftsbetrieb Karrierechancen maßgeblich beeinflusst.

Doch nicht alle profitierten gleichermaßen. Besonders Forschende mit Doktortiteln von Top-Universitäten konnten den Datensatz gezielt für ihre Karriere nutzen. Frauen hingegen, die Zugang hatten und durchaus hochwertige Forschung lieferten, erfuhren nicht im gleichen Maß eine berufliche Aufwertung. Auffällig war auch: Der Zugang zu INPS-Daten erhöhte nicht die Chancen auf eine Stelle an den weltweit besten Fakultäten – wohl aber auf eine Position an führenden wirtschaftswissenschaftlichen Departments innerhalb Italiens. Die Daten wirkten karrierefördernd – aber vor allem im nationalen Kontext.

Daten als neue Währung im Wissenschaftsbetrieb

Die Studie liefert wichtige Impulse für die Debatte über Chancengleichheit in der Wissenschaft. Zugang zu großen, exklusiven Datensätzen ist längst ein zentraler Karrierefaktor – ähnlich bedeutsam wie ein Abschluss von einer Eliteuniversität oder eine Publikation in einem Top-Journal. Damit wächst auch die Verantwortung öffentlicher Programme wie VisitINPS: Wenn solche Initiativen nicht gezielt inklusiv gestaltet werden, könnten sie bestehende Ungleichheiten weiter verschärfen.

Denn der Zugang allein genügt nicht. Ohne entsprechende Unterstützung – etwa durch Schulungen, Mentoring oder technische Infrastruktur – bleibt das Potenzial administrativer Daten vielen Nachwuchsforschenden verschlossen. Die Autoren betonen deshalb, dass Programme wie VisitINPS nur dann wirklich zur Demokratisierung wissenschaftlicher Chancen beitragen können, wenn sie auch den Zugang zur Nachwuchsförderung insgesamt gerechter gestalten.

Filed Under: Research Tagged With: administrative data, career, economics

Wenn der Große schon trinken darf

May 30, 2025 by Mark Fallak

Das gesetzliche Mindestalter für den Erwerb von Alkohol variiert international sehr stark. Während Biertrinken in Deutschland beispielsweise mit 16 legal ist, liegt die Untergrenze in den USA bei 21 Jahren. Gibt es ein „ideales“ Mindestalter? Manche argumentieren, ein späteres Trinkalter fördere heimlichen Konsum und berge dadurch mehr Risiken. Außerdem sei es sinnvoller, zunächst Erfahrungen mit Alkohol und dann erst den Führerschein zu machen. Andere meinen, je später der Zugang, desto besser für die Gesundheit junger Menschen.

Laut einer früheren IZA-Studie aus Neuseeland hatte das Herabsetzen der dortigen Altersgrenze von 20 auf 18 Jahre keine nennenswerten negativen Effekte. Ein aktuelles IZA-Forschungspapier aus Finnland, wo das Mindestalter für Alkoholerwerb ebenfalls bei 18 Jahren (bzw. bei 20 Jahren für hochprozentigen Alkohol) liegt, zeichnet ein anderes Bild. Hier untersuchten die Studienautoren nicht nur die Effekte auf die Jugendlichen, die das gesetzliche Mindestalter erreichten, sondern auch auf deren Geschwister.

Um die ursächlichen Auswirkungen des Alkoholzugangs zu messen, verglichen die Forscher Jugendliche, die das gesetzliche Trinkalter gerade eben erreicht haben, mit solchen, die nur wenige Tage oder Wochen jünger sind. Da sich diese Gruppen in allen anderen relevanten Merkmalen – wie Schulbildung oder sozialem Hintergrund – sehr ähnlich sind, lassen sich die beobachteten Veränderungen in den Gesundheitsdaten direkt auf den neu gewonnenen Alkoholzugang zurückführen.

Das Ergebnis: Schon das Erreichen des 18. Lebensjahres, mit dem zeitgleich der Zugang zum Führerschein sowie zu Bier und Wein erlaubt wird, hat drastische Folgen. Sterblichkeit und Krankenhausaufenthalte steigen signifikant an, vor allem durch direkte Folgen des Alkoholkonsums sowie durch Verkehrsunfälle. Mit 20, wenn dann auch harter Alkohol ins Spiel kommt, steigen bei Männern die alkoholbedingten Todesfälle, und bei Frauen nimmt das Suizidrisiko zu.

Noch alarmierender sind die beobachteten „Spillover-Effekte“ innerhalb der Familie: Erreicht ein älteres Geschwisterkind das gesetzliche Trinkalter, steigt das Risiko für die jüngeren Geschwister – vor allem Brüder – ebenfalls. Sie sind dann anfälliger für alkoholbedingte Todesfälle, Unfälle und Suizidversuche.

Nach Einschätzung der Forscher sollte die Gesundheitspolitik daher bei der Planung und Bewertung von Altersgrenzen für Alkoholerwerb nicht nur auf die direkt Betroffenen schauen, sondern auch die Auswirkungen auf Familienmitglieder berücksichtigen.

Filed Under: Research Tagged With: alcohol, drinking, health, mortality, siblings

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