Obwohl der Klimawandel die wohl größte Herausforderung der Menschheit in den kommenden Jahrzehnten darstellt, fristen Klima- und Umweltthemen in der internationalen ökonomischen Forschungslandschaft bislang noch eher ein Schattendasein. Um einen zusätzlichen Anreiz für innovative Forschung insbesondere zu den gesellschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Implikationen des Klimawandels zu setzen, verleiht das IZA in diesem Jahr zum dritten Mal den mit 10.000 Euro dotierten Forschungspreis “Innovative Research in the Economics of Climate Change” (IRECC). Ausgezeichnet werden damit zwei Studien aus dem IZA-Netzwerk:
Reale Zahlungsbereitschaft der Menschen für den Klimaschutz
Für die Studie „Willingness to Pay for Carbon Mitigation: Field Evidence from the Market for Carbon Offsets” (IZA DP No. 15939) untersuchte Matthias Rodemeier das Verhalten von über 250.000 Kunden eines deutschen Lieferdienstes, die die Möglichkeit hatten, ihren CO2-Ausstoß freiwillig zu kompensieren. Dabei wurden Preis und Menge der ausgeglichenen Emissionen zufällig variiert, indem das Unternehmen entweder einen Teil der Kosten übernahm oder bei gleichem Preis eine zusätzliche Menge CO2 kompensierte.
Im Ergebnis zeigte sich zunächst, dass die Verbraucher bei geringerem Preis mit erhöhter Nachfrage reagierten, nicht aber bei einer höheren ausgeglichenen CO2-Menge. Das änderte sich, wenn dem Kunden der Eigenanteil und der Grad der Subventionierung des Anbieters angezeigt wurden. Verpflichtete sich das Unternehmen beispielsweise, die dreifache Menge an CO2 zusätzlich auszugleichen, stieg die Nachfrage nach der freiwilligen Kompensation um 22 Prozent, und die Zahlungsbereitschaft belief sich auf durchschnittlich 16 Euro pro ausgeglichener Tonne CO2.
Laut Studie war hierfür der „Fairness-Aspekt“ einer Beteiligung des Lieferdienstes an den Kosten ausschlaggebend, nicht etwa der zusätzlich generierte Klimaschutzeffekt. Zugleich offenbart das großangelegte Feldexperiment, dass die tatsächliche Zahlungsbereitschaft der Menschen für den Ausgleich ihrer CO2-Emissionen nur etwa ein Zwölftel dessen beträgt, was in hypothetischen Umfragen zum Thema angegeben wird.
Langfristige ökonomische Folgen des Klimawandels am Beispiel des Tschadsees
Die Studie „The Effects of Climate Change in the Poorest Countries: Evidence from the Permanent Shrinking of Lake Chad” (IZA DP No. 16396) von Remi Jedwab, Federico Haslop, Roman Zarate, und Carlos Rodriguez Castelan beleuchtet am Beispiel des weitgehend ausgetrockneten Tschadsees die bislang kaum erforschten wirtschaftlichen Langzeitfolgen gradueller Klimaveränderungen.
Der Tschadsee, einst der elftgrößte See der Welt, verlor zwischen 1963 und 1990 rund 90 Prozent seiner Wasserfläche. Die Untersuchung der Bevölkerungsentwicklung in den angrenzenden Ländern Kamerun, Tschad, Nigeria und Niger zeigt ein deutlich verlangsamtes Wachstum in seenahen Regionen – ein Effekt, der erst nach Einsetzen des Austrocknens eintrat und bis heute anhält. Die negativen Auswirkungen des Wasserverlustes auf Fischerei, Landwirtschaft und Viehzucht überwiegen deutlich die Vorteile, die durch die Vergrößerung der Landmasse entstehen.
Auf Basis umfangreicher Datensätze und eines komplexen ökonomischen Modells liefert die Studie wichtige Erkenntnisse zu den Schwierigkeiten der ärmsten Weltregionen mit der Anpassung an die Folgen des Klimawandels, die gezielte politische Maßnahmen zur Unterstützung der Bevölkerung erfordern.
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Nach Einschätzung der Jury, bestehend aus Susana Ferreira (University of Georgia) und Andrew Oswald (IZA und University of Warwick), repräsentieren beide Forschungsarbeiten die Spitze der modernen empirischen Wirtschaftsforschung.