Die zunehmende Nutzung digitaler Verfahren in der Personalrekrutierung liefert der Arbeitsmarktforschung eine immense Datenfülle und wirft zugleich eine Reihe neuer Fragen auf. Können Algorithmen die Arbeit von Personalverantwortlichen effizienter machen oder gar ersetzen? Wer profitiert in welchem Maße davon? Dieser Thematik widmete das IZA-Forschungsdatenzentrum IDSC in diesem Jahr bereits zum fünften Mal eine zweitägige Fachtagung zur Diskussion des neuesten Forschungserkenntnisse.
Screening von Bewerbungen
Getragen von der Digitalisierungswelle und dem Wunsch der Arbeitgeber nach schlankeren Einstellungsverfahren bieten immer mehr Dienstleister spezielle Algorithmen zur Unterstützung bei der Personalauswahl an. Wie Manish Raghavan in seinem Vortrag verdeutlichte, besteht die Herausforderung darin, solche Algorithmen mit den geeigneten Daten zu „füttern“, um einseitige Rekrutierungsmuster zu verhindern. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass Bewerberdiskriminierung nicht verhindert, sondern womöglich sogar gefördert werde: Während persönliche Präferenzen und menschliche Fehler bei der Personalauswahl variieren, würde ein fehlerhaft programmierter Algorithmus bei allen Unternehmen, die ihn verwenden, das gleiche – möglicherweise diskriminierende – Ergebnis generieren.
Verzerrte Empfehlungslisten
Auf ein ähnliches Problem bei der Verwendung von Algorithmen in Suchmaschinen und Empfehlungsdiensten wies Thorsten Joachims im zweiten Impulsvortrag des Workshops hin. Wie bei Shopping-Portalen, Streaming-Diensten oder Dating-Apps beeinflussen Empfehlungslisten auch bei Online-Jobbörsen, wer welche Angebote erhält. Verzerrungen können hier ebenfalls durch Programmierfehler oder die Verwendung ungeeigneter Datensätze für das maschinelle Lernen entstehen.
Digitale Ärztevermittlung
Das effiziente Zusammenbringen von Angebot und Nachfrage hat auch im Gesundheitswesen großes Potenzial. Mit einer umfangreichen Analyse schwedischer Gesundheitsdaten konnte Amanda Dahlstrand-Rudin belegen, dass Patientinnen und Patienten von einer automatisierten Ärztevermittlung profitieren, weil Risikopatienten mit höherer Wahrscheinlichkeit geeigneten Spezialisten zugeteilt werden und sich unnötige Krankenhauseinweisungen um ein Fünftel reduzieren lassen. Zugleich ist das Verfahren gesellschaftlich fairer, da es die Behandlungsqualität weniger abhängig vom Einkommen macht.
Diversity als Selling Point
Soziale Vielfalt im Unternehmen ist ein Aspekt, auf den Beschäftigte zunehmend Wert legen, wie die von Jung Ho Choi präsentierte Feldstudie mit fast 180.000 Stellensuchenden zeigt. Die Forscher variierten in per Mail verschickten Jobausschreibungen die Informationen zum Unternehmen. Wurde der „Diversity-Score“ explizit genannt, erhielten die Anzeigen mehr Clicks, auch bei geringeren Gehaltsaussichten. Vor allem weibliche Bewerbende hatten eine erhöhte „Zahlungsbereitschaft“ für mehr Vielfalt im Unternehmen.
Weitere präsentierte Studien sind über die Workshop-Programmseite abrufbar.