Von Nikos Askitas und Ingo Isphording
Für November 2024 zeigt der IZA/Fable SWIPE Konsumindikator, der private Konsumtrends in Deutschland monatlich auf Basis von Kreditkartenzahlungen abbildet, einen vorläufigen Wert von 6,34 Prozent Wachstum im Vergleich zum Vorjahr. Damit setzt sich die positive Entwicklugn der letzten Monate fort. Diese erste Schätzung liefert einen frühen Einblick in das tatsächliche Konsumverhalten und wird täglich durch aktuelle Daten untermauert. Der Index lässt sich über unsere interaktive, einbettbare Grafik in Echtzeit nachverfolgen.
Innovativer Ansatz
Der IZA/Fable SWIPE-Konsumindikator liefert objektive Kennzahlen auf Grundlage realer Ausgabedaten aus Kreditkartenzahlungen. Als Ergänzung stimmungsbasierter Indikatoren bietet er eine zeitnahe und zuverlässige Einschätzung des Konsumverhaltens. Der Index korreliert eng mit den Konsumausgabendaten von Eurostat und eignet sich somit gut zur Messung von Konsumtrends.
Wie ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Winfried Koeniger, Peter Kress und Jonas Lehmann zeigt, deckt der Index die aggregierten Ausgaben umfassend ab, obwohl die Kreditkartennutzungsrate in Deutschland mit 56,5 Prozent im internationalen Vergleich noch relativ gering ausfällt (Platz 18 von 121 Ländern).
Unterschiede zwischen subjektiven und objektiven Werten
Subjektive Stimmungsindikatoren und objektive Ausgabedaten weisen nicht immer übereinstimmende Entwicklungen auf. Beispielsweise können finanzielle Zwänge oder die konstante Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs dazu führen, dass Haushalte trotz pessimistischer Einschätzungen weiterhin stabil konsumieren.
Subtilere Verhaltensphänomene, wie zum Beispiel der sogenannte „Lipstick-Effekt“ – bei dem Konsumenten sich in wirtschaftlichen Abschwüngen kleinere Luxusgüter gönnen – oder der durch die wechselseitige Dynamik von Nachrichtenangebot und -nachfrage erzeugte Negativitätsbias in der Berichterstatung, können ebenfalls dazu beitragen, dass tatsächliche Ausgaben von der gemeldeten Stimmung abweichen.
Abbildung 1 zeigt die Korrelation zwischen dem IZA/Fable SWIPE Konsumindex und den Wirtschaftsstimmungsindikatoren von Eurostat, jeweils inflationsbereinigt. Deutlich werden sowohl Phasen der Abkopplung als auch der Parallelentwicklung. So sank die Wirtschaftsstimmung zwischen 2018 und 2019 kontinuierlich, während der Konsum gemäß SWIPE-Index stabil blieb. Dies deutet auf eine beständige Konsumnachfrage trotz pessimistischer Aussichten hin.
Anfang 2023 zeigt sich erneut eine ähnliche Divergenz: Während die Verbraucherstimmung sank und sich 2024 auf einem niedrigeren Niveau stabilisierte, stiegen die Konsumausgaben im Jahresvergleich und wurden 2024 sogar positiv. Diese Muster, zusammen mit der allgemeinen Diskrepanz zwischen wirtschaftlichen Fundamentaldaten und Verbraucherstimmung, könnten auf strukturelle Veränderungen im Konsumverhalten, den Einfluss finanzieller Einschränkungen oder Verhaltensanpassungen hinweisen, die von Stimmungsindikatoren nicht erfasst werden.
In der Zeit von 2020 bis 2022, die von der Pandemie, Erholungsmaßnahmen und der Ukraine-Krise geprägt war, verliefen beide Messgrößen hingegen weitgehend parallel. Dies könnte auf die gemeinsame Reaktion auf externe Einflüsse wie finanzpolitische Eingriffe und globale Unsicherheiten zurückzuführen sein. Eine Studie von Koeniger und Kress untersucht beispielhaft, wie Verbraucher in Deutschland auf die 2020 pandemiebedingt vorübergehend gesenkte Mehrwertsteuer reagierten.
Kombination von Messgrößen
Die Muster der Abweichungen und Übereinstimmungen legen nahe, subjektive und objektive Messgrößen zu kombinieren, um das Zusammenspiel von Verbraucherstimmung und tatsächlichem Verhalten sowie deren Einfluss auf die Konjunkturzyklen zu verstehen. Als Ergänzung zu Stimmungsdaten sind Instrumente wie der SWIPE-Index für eine differenzierte wirtschaftliche Analyse somit äußerst hilfreich.
Dennn eine einseitige Orientierung an Stimmungsprognosen birgt das Risiko, die Widerstandsfähigkeit des Konsums zu unterschätzen. So wurde das kürzlich veröffentlichte Wirtschaftswachstum im dritten Quartal 2024 – das vor allem durch privaten und staatlichen Konsum getragen wurde – von den deutschen Medien als „überraschend“ beschrieben. Der SWIPE-Index zeigte jedoch bereits zuvor ein stetiges Wachstum der privaten Ausgaben im Jahresvergleich und könnte daher womöglich auch die Gültigkeit der aktuellen amtlichen Wirtschaftsprognosen für 2024 infragestellen.