Die Arbeitsmarktintegration von mehreren hunderttausend seit 2015 nach Deutschland gekommenen erwerbsfähigen Flüchtlingen wird eine der großen gesellschaftlichen Aufgaben der nächsten Jahre sein. Mit Blick auf die aktuell noch sehr langen Wartezeiten bis zur Bearbeitung des Asylantrags beginnt derzeit für Flüchtlinge aus unsicheren Herkunftsstaaten die Dreimonatsfrist bis zur möglichen Arbeitsaufnahme grundsätzlich bereits ab erstmaliger Erteilung der „Bescheinigung über die Meldung als Asylbewerber“ (BüMA).
Dessen ungeachtet greift bislang unverändert die Vorrangprüfung seitens der jeweils zuständigen Arbeitsagentur. Darüber hinaus kann die für die Genehmigung der Arbeitsaufnahme zuständige Ausländerbehörde den Arbeitsmarktzugang auch qualifizierter Kandidaten verhindern. In der Praxis gibt es zahlreiche Hürden, die eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration erschweren können. Auch die inzwischen erreichten Fortschritte an anderer Stelle – wie etwa die „Early Intervention“-Strategie der Arbeitsagenturen in Nordrhein-Westfalen – laufen potenziell Gefahr, durch behördliches Nebeneinander und mangelnde Rechtssicherheit auf Unternehmensseite konterkariert zu werden.
Experten des IZA stehen zu dieser Thematik im regelmäßigen Austausch mit Politik und Verwaltung. Im Rahmen der von Ulrich Kelber (MdB und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) initiierten Gesprächsreihe „Flüchtlinge und Zuwanderung – Lassen Sie uns darüber reden!“ informierte sich der Bonner SPD-Bundestagsabgeordnete am IZA über die Chancen und Risiken der Arbeitsmarktintegration der neuen Flüchtlinge.
Alexander Spermann, IZA-Direktor Arbeitsmarktpolitik Deutschland, warnte vor einem möglichen Scheitern der Arbeitsmarktintegration aufgrund von „Behördenversagen“. Angesichts hochkomplexer Regelungen für Asylbewerber und Geduldete mit Aufenthaltsgestattung und der Unsicherheit über die regional sehr unterschiedlichen Entscheidungen von Ausländerbehörden besteht nach Einschätzung Spermanns die Gefahr, dass Unternehmen nur anerkannte Asylbewerber einstellen, um betriebliche Risiken zu vermeiden.
Da zwischen Registrierung, Antragstellung und Bearbeitung des Asylantrags bis zur endgültigen Entscheidung derzeit gut ein Jahr vergehen kann, stehe die Arbeitsmarktintegration im Jahr 2016 also aus aktueller Sicht unter ungünstigen Vorzeichen. „Wir brauchen dringend eine bessere Kooperation der Behörden und mehr Rechtssicherheit für die Betriebe. Sonst wird nur in Einzelfällen ausgebildet und eingestellt“, betonte Spermann.
Die IZA-Migrationsexperten Holger Hinte und Ulf Rinne äußerten sich kritisch sowohl zur arbeitsmarktpolitisch problematischen längerfristigen Residenzpflicht von Flüchtlingen wie auch zur Organisation des Spracherwerbs. Ungeachtet inzwischen erreichter Fortschritte einschließlich App-gestützter Lernmodule sei das Sprachkursangebot weiterhin nicht ausreichend. Vor allem für identifizierte Fachkräfte müsse es einen bevorzugten Sprachkurszugang geben.
Hier biete auch die gezielte Kooperation mit Verbänden und Vereinen Möglichkeiten, die bislang zu wenig ausgeschöpft würden. Spermann plädierte für eine intensive beschäftigungsbegleitende Qualifizierung von Flüchtlingen, die in vielen Fällen online organisiert werden könne. Auf diese Weise könnten auch Ein-Euro-Jobs oder Praktika aufgewertet werden.
In einer gemeinsamen Broschüre werben die Bundesagentur für Arbeit (BA), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für die Beschäftigung von Flüchtlingen: