Demografischer Wandel und steigende Lebenserwartung machen in vielen Industrienationen eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit unausweichlich, will man die Tragfähigkeit des Rentensystems nicht aufs Spiel setzen. Mit jeder Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters werden jedoch Forderungen nach Ausnahmen für besonders belastete Berufsgruppen wie den viel zitierten „Dachdecker“ laut. Das war auch in den Niederlanden so, als dort 2012 die Rente mit 67 beschlossen wurde.
Wie aber lassen sich entsprechende Ausnahmen sinnvoll definieren, und wie steht es mit der Bereitschaft der Allgemeinheit, den früheren Renteneintritt bestimmter Berufsgruppen aus Steuermitteln zu finanzieren? Diesen Fragen geht ein aktuelles IZA-Diskussionspapier der niederländischen Ökonomen Niels Vermeer, Mauro Mastrogiacomo und Arthur van Soest nach. Sie verwendeten Daten des CentERpanel, das im Jahr 2012 rund 1.800 Niederländer nach den Kriterien für „belastete“ Berufe, dem als angemessen empfundenen Renteneintrittsalter sowie der persönlichen Bereitschaft zur Finanzierung von Vorruhestandsregelungen befragt hat.
Die Ergebnisse zeigen, dass in der öffentlichen Wahrnehmung fast ausschließlich körperlich anstrengende Tätigkeiten etwa im Baugewerbe als belastend gelten, während psychische Belastung und andere Stressfaktoren in der Bewertung kaum eine Rolle spielen. So wird beispielsweise der Lehrerberuf als vergleichsweise wenig belastend wahrgenommen, und auch Krankenschwestern oder Feuerwehrleute landen nur im oberen Mittelfeld.
Zudem mussten die Befragten angeben, welchen Berufsgruppen es nach ihrer Meinung ermöglicht werden sollte, früher in Rente zu gehen. Büroangestellten wurde dabei das höchste Rentenalter zugemutet, während ein relativ hoher Anteil der Befragten bei Feuerwehrleuten und Bauarbeitern einen Renteneintritt bereits mit 60 bzw. 61 Jahren für vertretbar hielt (siehe Abbildung).
Entsprechend verhält sich auch die Bereitschaft, Vorruhestandsregelungen für einzelne Berufsgruppen über Steuergelder mitzutragen. Für Bauarbeiter und Feuerwehrleute würden die Befragten am ehesten einen Beitrag leisten, für Büroangestellte und Lehrer am wenigsten – und zwar unabhängig davon, welcher Berufsgruppe sie selbst angehören.
Die niederländische Regierung kam zu dem Schluss, dass berufsgruppenbezogene Ausnahmen vom gesetzlichen Renteneintrittsalter nicht praktikabel seien. Unabhängig von der Definitionsfrage senken Ausnahmeregelungen die Anreize für Arbeitgeber, in neue Technologien für altersgerechte Arbeitsplätze zu investieren, und für Arbeitnehmer, mit steigendem Alter in Tätigkeiten mit geringerer Belastung zu wechseln.
Nach Einschätzung der Autoren macht es jedoch Sinn, das frühestmögliche Renteneintrittsalter an die Anzahl der geleisteten Arbeitsjahre (unter Berücksichtigung von Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit und Erziehungszeiten) zu koppeln, wie es etwa Deutschland mit der abschlagsfreien Rente ab 63 nach 45 Beitragsjahren geregelt hat. Davon würden Arbeitnehmer in körperlich anspruchsvollen Berufen tendenziell profitieren, da sie aufgrund kürzerer Ausbildungszeiten meist früher ins Erwerbsleben eintreten als etwa Akademiker.