Die weltweite Flüchtlingskrise hat sich im vergangenen Jahrzehnt massiv zugespitzt: Zwischen den frühen 2010er-Jahren und 2022 hat sich die Zahl der Vertriebenen auf 36 Millionen verdreifacht. Einen Großteil von ihnen zieht es nach Europa – hier lebte im Jahr 2023 etwa ein Drittel aller Geflüchteten weltweit. Viele von ihnen hoffen, sich in der neuen Heimat ein sicheres und selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Doch der Einstieg ist oft schwer: Sprachbarrieren, langwierige Verfahren zur Arbeitserlaubnis und nicht anerkannte Bildungsabschlüsse oder Berufserfahrungen blockieren den Zugang zum Arbeitsmarkt. Häufig folgen lange Phasen der Arbeitslosigkeit, informelle Jobs und ein mangelnder sozialer Anschluss.
Ein innovativer Ansatz: Individuelle Unterstützung ab Tag eins
Genau hier setzt das italienische Pilotprojekt FORWORK an. Ein IZA-Forschungspapier von Giovanni Abbiati, Erich Battistin, Paola Monti und Paolo Pinotti untersucht das Potenzial des Programms – und kommt zu bemerkenswerten Ergebnissen. FORWORK richtet sich an Asylsuchende in der besonders kritischen Anfangsphase ihres Aufenthalts. Die Teilnehmenden erhalten individuelle Unterstützung bei der Jobsuche, persönliches Mentoring sowie Zugang zu geförderten Praktika – mit dem Ziel, den Weg in den regulären Arbeitsmarkt möglichst früh zu ebnen.
Die Wirkung wurde wissenschaftlich präzise erfasst: In einer groß angelegten Studie mit 260 Aufnahmeeinrichtungen in Norditalien wurde das Programm per Zufallsverfahren eingeführt – nur die Hälfte der Einrichtungen bot FORWORK an, die andere Hälfte diente als Kontrollgruppe. Nach 18 Monaten zeigte sich: Die Teilnehmenden waren deutlich erfolgreicher. Ihre Beschäftigungsquote lag 20 Prozentpunkte höher als in der Vergleichsgruppe – ein Anstieg um 61 Prozent gegenüber dem Ausgangswert von 33 Prozent. Selbst ohne die geförderten Praktika betrug das Plus noch 10 Prozentpunkte – eine Steigerung um rund 30 Prozent.
Mehr als ein Job: Sprache, Vertrauen und Teilhabe
Doch nicht nur die Zahl der Jobs stieg – auch deren Qualität. Die Teilnehmenden fanden häufiger befristete wie auch unbefristete Arbeitsverträge, also Stellen mit rechtlicher Absicherung und sozialer Sicherheit. Das machte sich auch finanziell bemerkbar: Die durchschnittlichen Arbeitseinkommen stiegen innerhalb von 18 Monaten um 30 Prozent.
Auffällig waren vor allem die Fortschritte bei Frauen. Zwar starteten sie von einem niedrigeren Niveau, doch ihre Beschäftigungsquote wuchs im Vergleich zur Kontrollgruppe um 67 Prozent – bei Männern lag das Plus bei 39 Prozent. Neben dem beruflichen Erfolg gelang auch ein Schritt in die gesellschaftliche Integration: Die Teilnehmenden verbesserten ihre Italienischkenntnisse deutlich, verdoppelten im Schnitt ihre Sprachtest-Ergebnisse und gaben an, dreimal so viele Kontakte zu Einheimischen zu haben wie zuvor. Auch das Vertrauen in die Aufnahmegesellschaft wuchs – ein wichtiger, oft unterschätzter Faktor für langfristige Integration.
Ein Modell für Europa? Was andere Länder lernen können
Was macht FORWORK so wirkungsvoll? Drei Aspekte sind entscheidend: erstens der frühe Start, bevor sich Arbeitslosigkeit oder Passivität verfestigen; zweitens die individuelle Begleitung, die auf konkrete Bedürfnisse eingeht; und drittens der Fokus auf praktische Arbeitserfahrung statt klassischem Frontalunterricht. Mit Kosten von rund 2.080 bis 3.170 Euro pro Person liegt das Programm im Rahmen anderer europäischer Arbeitsmarktmaßnahmen – bei deutlich spürbaren Effekten. Zusätzlich reduziert FORWORK die Abhängigkeit von prekären Jobs, verringert das Risiko von Ausbeutung und kann damit auch gesellschaftliche Spannungen entschärfen.
Gerade für Länder wie Italien, die häufig erste Anlaufstelle für Geflüchtete sind, zeigt FORWORK nach Einschätzung der Forschenden einen vielversprechenden Weg: Wer frühzeitig gezielte Unterstützung biete, fördere nicht nur Integration, sondern stärke auch sozialen Zusammenhalt und wirtschaftliche Teilhabe. Die Studie liefert ein starkes Argument dafür, das Modell europaweit auszurollen – und Geflüchteten echte Chancen auf einen Neuanfang zu bieten.