Big Data, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen gewinnen in und außerhalb der Arbeitswelt rasant an Bedeutung. In der Medizin beispielsweise gelten intelligente Systeme für die Früherkennung von Krankheiten oder zur Entwicklung personalisierter Therapien als besonders aussichtsreich. In den USA wird künstliche Intelligenz auch bei Gerichtsentscheidungen bereits genutzt, um das Rückfallrisiko von Straftätern besser einschätzen zu können.
Beim maschinellen Lernen – oder Machine Learning – als Teilbereich der künstlichen Intelligenz werden IT-Systeme mit Daten und Algorithmen „gefüttert“, anhand derer sie eigenständig Muster und Gesetzmäßigkeiten erkennen und neue Lösungen generieren, die dann wiederum für die Analyse von bisher unbekannten Daten verwendet werden können.
In den letzten Jahren nutzen immer mehr IZA-Forschungspapiere diese Methode für diverse Anwendungsbereiche – von der Zielgruppenidentifikation für frühkindliche Förderprogramme bis hin zur Analyse regelmäßiger sportlicher Aktivität als Erfolgsfaktor beim Online-Dating.
Analyse umfangreicher Sozialversicherungsdaten aus Australien
Eine aktuelle Studie von Dario Sansone und Anna Zhu weist auf ein bislang kaum beachtetes Einsatzgebiet von maschinellem Lernen hin – die Früherkennung von langfristigem Sozialleistungsbezug. Hier sehen die Forscher einen potenziell großen gesellschaftlichen Nutzen, denn die Abhängigkeit von Sozialhilfe verursacht dem Staat hohe Kosten und wirkt auf die Betroffenen demoralisierend.
Gerade in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit komme es daher entscheidend darauf an, Personen mit dem höchsten Risiko einer dauerhaften Abhängigkeit zu identifizieren, um mit geeigneten Fördermaßnahmen rechtzeitig gegensteuern zu können, so die Autoren.
Für ihre Analyse nutzen die Forscher umfangreiche Sozialversicherungsdaten aus Australien. Neben demografischen und soziökonomischen Merkmalen enthalten die Daten tagesgenaue Informationen über die spezifischen Sozialleistungen von Millionen Menschen und deren Haushaltsmitgliedern. Datensätze dieser Größe und Qualität sind praktisch unmöglich manuell auszuwerten, eignen sich jedoch hervorragend zum „Trainieren“ von Algorithmen für das maschinelle Lernen.
Vorhersagen um ein Fünftel genauer
Die Ergebnisse ermöglichen deutlich bessere Vorhersagen als herkömmliche Frühwarnsysteme. Laut Studie liegt die Treffsicherheit um mindestens 22 Prozent höher als bei den aktuell verwendeten Modellen. Zwei weitere Vorteile des maschinellen Lernens: Die Methode ist äußerst kostengünstig anzuwenden, da alle nötigen Daten schon vorliegen, und sie minimiert den Einfluss bewusster oder unbewusster Vorurteile und Stereotypen auf die Entscheidungsfindung.
Hierin liegt zugleich eine oft geäußerte Kritik am maschinellen Lernen begründet. Denn zum einen können auch Algorithmen diskriminieren, zum anderen können bei manchen Entscheidungen auch Erfahrung und Menschenkenntnis von Vorteil sein.
Die Autoren plädieren daher dafür, maschinelles Lernen lediglich zur Unterstützung der Entscheidungsfindung einzusetzen, so dass beispielsweise die Fallmanager in Jobcentern weniger Zeit für die Datenauswertung aufwenden müssen und sich intensiver um die persönliche Beratung kümmern können.
In jedem Fall sei jedoch die Identifikation von Risikopersonen lediglich der erste Schritt. Mindestens ebenso wichtig sei die Auswahl geeigneter Maßnahmen, um dauerhafte Abhängigkeit von Sozialleistungen zu verhindern. Auch hier könnten Algorithmen des maschinellen Lernens in Kombination mit randomisierten Kontrollstudien hilfreich sein, so die Forscher.