Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen stellt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit dar. In Großbritannien hat eine Vergütungsreform des National Health Service (NHS) seit dem Jahr 2016 diese Situation ungewollt weiter verschärft. Betroffen sind Assistenzärztinnen und -ärzte, die eine tragende Rolle in der klinischen Versorgung spielen.
Zwar wurde das Grundgehalt für Assistenzärzte um 10,5 Prozent angehoben, jedoch wurden im Gegenzug die Zuschläge für Nacht- und Wochenendschichten gekürzt. Diese Änderung, die eigentlich zu einer ausgewogeneren Einkommensverteilung führen sollte, hatte erhebliche negative Konsequenzen: Der Anteil der Nachwuchsärztinnen und -ärzte, die nach ihrer allgemeinen Ausbildung in die Facharztausbildung wechselten, sank von 71,3 % im Jahr 2011 auf nur noch 37,7 % im Jahr 2018. Die Auswirkungen auf das Patientenwohl sind besorgniserregend.
Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Marco Mello, Giuseppe Moscelli, Ioannis Laliotis und Melisa Sayli beleuchtet erstmals detailliert die Folgen dieser Reform. Mithilfe umfassender Gehalts- und Personaldaten sowie der Auswertung einer Mitarbeitendenbefragung des NHS konnten die Forschenden einen klaren Zusammenhang zwischen der Reform und der zunehmenden Unzufriedenheit mit der Bezahlung aufzeigen. Diese Unzufriedenheit führte nicht nur zu einer erhöhten Bereitschaft, den Gesundheitssektor zu verlassen, sondern auch zu einem tatsächlichen Anstieg der Abwanderungsrate unter Assistenzärzten um 6,7 Prozent pro Jahr.
Besonders alarmierend ist der ebenfalls nachgewiesene Zusammenhang zwischen der erhöhten Personalabwanderung und einer gestiegenen Patientensterblichkeit, insbesondere bei Notfällen. Die Studienautoren plädieren daher dafür, die Auswirkungen von Änderungen im Vergütungssystem sorgfältiger zu prüfen, insbesondere im Gesundheitssektor. Gerade in diesem Bereich mit seinen oft unsozialen Arbeitszeiten sei ein stabiles, faires Vergütungssystem entscheidend, um Fachkräfte zu halten und die Qualität der Patientenversorgung langfristig sicherzustellen.