Am 20. Februar wird der von den Vereinten Nationen ausgerufene Welttag der sozialen Gerechtigkeit begangen. Dass dieses Thema auch den kommenden Bundestagswahlkampf prägen dürfte, hängt damit zusammen, dass Armut und soziale Ungleichheit ungeachtet der wachsenden Terrorismusgefahr noch immer die größte Angst der Deutschen darstellen (siehe Grafik).
Um politische Diskussionen und Entscheidungen auf eine solide wissenschaftliche Grundlage zu stellen, stellt IZA World of Labor die Erkenntnisse der internationalen Wissenschaft zu verschiedenen Faktoren wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheit zusammen. Die folgende Aufstellung beleuchtet drei dieser Aspekte: Herkunft, Bildung und Sozialstaat.
1. Welche Rolle spielt die soziale Herkunft?
Wie stark Wohlstand immer noch vom Bildungshintergrund und dem Einkommen der Eltern abhängt, erklärt Jo Blanden in ihrem Artikel für IZA World of Labor. Ihre Analyse konzentriert sich auf den Zusammenhang von sozialer Mobilität und Ungleichheit. Die „Great Gatsby-Kurve“ veranschaulicht, dass Länder, in denen sich das Wohlstandsniveau „persistent“ von einer Generation auf die nächste überträgt, auch eine hohe soziale Ungleichheit aufweisen.
Dass Deutschland bei der Generationengerechtigkeit noch Aufholbedarf hat, zeigt auch eine im September 2016 veröffentlichte Statistik, nach der nur 14 Prozent aller Kinder, deren Eltern keine Universität besucht haben, später ein Gymnasium besuchen. Unter Kindern aus Akademikerhaushalten liegt der Anteil an Gymnasiasten hingegen bei 61 Prozent.
Die Bedeutung von Einkommensmobilität für soziale Gerechtigkeit unterstreicht Lorenzo Cappellari in seinem Artikel. Denn die wahrgenommene Chance, unabhängig von sozialer Herkunft seinen Lebensstandard steigern und wirtschaftlich erfolgreich sein zu können, erfüllt eine wichtige Anreizfunktion, um Humankapital aufzubauen und in den Arbeitsmarkt einzubringen.
2. Welche Rolle spielt das Bildungssystem?
Frühkindliche Bildung ist ein zentrales Instrument zum Abbau sozialer Ungleichheit. So hebt Jane Waldfogel in ihrem Beitrag hervor, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien die Schule oft bereits mit einem Entwicklungsrückstand beginnen, der anschließend nur mühsam wieder aufzuholen ist. Internationale Forschungsergebnisse zeigen, dass öffentlichen Vorschulen und Kindergärten eine hohe Bedeutung zukommt, weil sie Entwicklungslücken schon früh schließen können.
Aber auch im fortgeschrittenen Alter kann (Weiter-)Bildung einen wichtigen Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit leisten. Denn Einkommensungleichheit kommt nicht zuletzt dadurch zustande, dass ungleich verteilte Fähigkeiten unterschiedlich entlohnt werden. Nur wenn auf dem Arbeitsmarkt besonders gefragte Fähigkeiten auch in ausreichendem Maße bereitgestellt werden, lassen sich diese Diskrepanzen abbauen, betont Stijn Broecke in seinem Artikel.
3. Welche Rolle spielt der Sozialstaat?
Der Abbau von Armut und sozialer Ungleichheit erfordert die Umverteilung von Einkommen. Doch nicht jede Art sozialstaatlicher Umverteilung verringert Ungleichheit, wie Alvaro Forteza anhand von Erkenntnissen aus Lateinamerika verdeutlicht. Während beitragsbasierte Sozialversicherungsleistungen den Ärmeren häufig gar nicht oder nur in entsprechend geringem Maße zur Verfügung stehen, können reine Solidarleistungen wiederum mit Fehlanreizen verbunden sein, die sozialer Mobilität eher entgegenwirken. Laut Forteza kommt es daher auf die Ausgestaltung des Sozialstaats mit der richtigen Balance dieser beiden Säulen an.
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