Dank moderner Kommunikationstechnik und dem (mehr oder weniger schnell) voranschreitenden Breitbandausbau ist der Heimarbeitsplatz für immer mehr Arbeitnehmer eine Option. In den USA hat sich die Zahl der abhängig Beschäftigten, die regelmäßig von zu Hause aus arbeiten, seit 2005 mehr als verdoppelt. Auch in Deutschland ist das Homeoffice auf dem Vormarsch.
Die neu gewonnene Flexibilität hat aber auch ihre Schattenseiten, wenn nebenbei das schreiende Baby bespaßt werden muss oder der Hund das Laptop-Kabel zerfetzt. Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Younghwan Song und Jia Gao legt sogar nahe, dass die negativen Auswirkungen auf das subjektive Wohlbefinden im Vergleich zur klassischen Büroarbeit überwiegen.
Aktivitäten und Emotionen im Tagesverlauf
Die Forscher analysierten Daten des American Time Use Survey, der zusätzlich zu den individuellen Aktivitäten im Tagesverlauf auch die unmittelbaren Gefühle der Befragten erfasst. Dazu zählen Glück, Schmerz, Traurigkeit, Stress, Müdigkeit und die wahrgenommene Sinnhaftigkeit der jeweiligen Aktivität.
In der untersuchten Stichprobe von knapp 4.000 Arbeitnehmern unterschieden die Autoren zwischen Heimarbeit im engeren Sinne, die ohne Pendeln zum Arbeitsplatz in der Regel während der üblichen Geschäftszeiten von zu Hause aus erfolgt („Telework“), und Arbeit, die Büroangestellte mit nach Hause bringen („Bringing work home“), um sie dort meist in den Abendstunden oder auch am frühen Morgen zu erledigen, wie die folgende Grafik veranschaulicht.
Insgesamt fanden die Forscher bei beiden Formen von Telearbeit im Vergleich zur Büroarbeit einen erhöhten Stresslevel und damit einhergehend ein geringeres subjektives Wohlbefinden der Befragten. Zwar gaben Heimarbeiter an, weniger müde zu sein, vermutlich aufgrund der eingesparten Zeit und Energie für den Weg zum Arbeitsplatz. Doch unterm Strich überwogen Stress und negative Emotionen, die nach Einschätzung der Autoren auf Probleme durch die Vermischung von Arbeit und Freizeit hindeuten.
Herausforderung für das Familienleben
Bei der zusätzlichen Homeoffice-Nutzung durch Büroangestellte geht der erhöhte Stress mit geringerem Glücksempfinden einher. Ursächlich sind der Studie zufolge jedoch nicht etwa die längeren Arbeitszeiten an sich. Die Autoren gehen vielmehr davon aus, dass das Arbeiten im Homeoffice innerfamiliäre Konflikte verstärkt, wenn es um die Aufteilung von Erwerbsarbeit, Hausarbeit und Freizeit geht.
Da sich andere Stressfaktoren wie die familiäre Situation auch auf die Neigung zur Heimarbeit auswirken und dadurch die Ergebnisse beeinflussen könnten, verglichen die Forscher nicht nur Büro- und Heimarbeiter mit ähnlichen Merkmalen, sondern betrachteten auch die personenbezogenen Effekte, die sich aus Veränderungen der jeweiligen Arbeitssituation ergaben.
Je nach Analysemethode variieren die Ergebnisse im Detail, etwa was die Geschlechterunterschiede angeht: Insgesamt scheinen Männer mit dem Homeoffice weniger negative Emotionen zu verbinden als Frauen. Betrachtet man jedoch Einzelpersonen im Zeitverlauf, relativiert sich der Befund. Das spricht dafür, dass die individuelle Situation einen großen Einfluss darauf hat, ob die Heimarbeit als Flexibilitätsgewinn oder eher als Belastung wahrgenommen wird.
Mehr Unterstützung für Heimarbeiter
Die Autoren betonen daher, dass ihre Studie keine allgemeingültige Bewertung von Telearbeit erlaube, wohl aber die folgenden Schlussfolgerungen nahelege:
- In der Diskussion um die Vor- und Nachteile von Homeoffice-Regelungen muss zwischen den unterschiedlichen Formen von Heimarbeit differenziert werden.
- Arbeitgeber sollten neben den Flexibilitäts- und Produktivitätsapekten von Telearbeit das Wohl der Mitarbeiter stärker im Blick haben.
- Politik und Unternehmen sollten die Rahmenbedingungen für Heimarbeiter weiter verbessern, indem sie Betreuungsangebote ausbauen, eine geeignete Ausstattung von Telearbeitsplätzen gewährleisten und die soziale Interaktion von Heimarbeitern fördern.
- Da Arbeitszeitgesetze nur bedingt greifen, sollte über neue Wege zur Vermeidung von Überlastung nachgedacht werden.
- Auch die Homeoffice-Nutzer selbst stehen in der Verantwortung, durch eine geeignete Abgrenzung von Arbeit und Freizeit die negativen Auswirkungen auf sich und ihre Familie zu minimieren.