In den vergangenen Jahrhunderten hat die Wissenschaft der Menschheit verschiedene Formen von Fortschritt beschert. Die Industrielle Revolution, die ab dem späten 18. Jahrhundert einen steigenden materiellen Lebensstandard ermöglichte, ging vor allem auf den Aufstieg der Natur- und Technikwissenschaften zurück. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sorgten Fortschritte in der Medizin und anderen Lebenswissenschaften für die Demografische Revolution, die durch einen parallelen Rückgang von Sterblichkeit und Geburtenraten gekennzeichnet war.
Ende es 20. Jahrhunderts folgte dann, was IZA-Preisträger* Richard Easterlin, einer der Pioniere der ökonomischen Glücksforschung, in einem aktuellen Beitrag als „Happiness Revolution“ beschreibt. Dabei geht es nicht mehr um objektiv messbare Größen wie Pro-Kopf-BIP oder Lebenserwartung, sondern um die Verbesserung der subjektiven Lebenszufriedenheit. Laut Easterlin hatten die Sozialwissenschaften einen maßgeblichen Anteil daran.
Denn die sozialwissenschaftliche Forschung habe erstmals breite Akzeptanz dafür geschaffen, dass widrige Lebensumstände wie Arbeitslosigkeit, schlechte Gesundheit und Armut nur durch kollektive Anstrengungen beseitigt werden können, weil sich die Ursachen häufig der Kontrolle des Individuums entziehen. Bis zum 20. Jahrhundert habe noch die Ansicht vorgeherrscht, dass „jeder seines Glückes Schmied“ sei, verankert nicht zuletzt im seinerzeit dominanten ökonomischen Prinzip des Laissez-Faire.
Entwicklung des Sozialstaats
Nachdem schwere Finanz- und Wirtschaftskrisen die Unzulänglichkeiten der freien Märkte schonungslos offengelegt hatten, sei es zu einem Umdenken gekommen: Neben der Notwendigkeit geld- und fiskalpolitischer Interventionen habe sich auch das Prinzip der „sozialen Sicherung“ durchgesetzt, das heute eine Vielzahl sozialpolitischer Maßnahmen umfasst und kontinuierlich weiterentwickelt wird – von den verschiedenen Formen der Einkommenssicherung über Gesundheit, Betreuung und Pflege bis hin zur Förderung beruflicher Auszeiten für Eltern.
Ein über den gesamten Lebenszyklus reichendes Sicherheitsnetz des Sozialstaats fördere die laut Befragungsdaten wichtigsten Faktoren für ein glückliches Leben: Beschäftigungs- und Einkommenssicherheit, ein erfülltes Familienleben und Gesundheit. Inwieweit es dem Staat gelingt, diese Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen, lasse sich an Messungen des gefühlten Glücks (siehe World Happiness Report) ablesen – darin bestehe die „Glücksrevolution“.
Wirtschaftswachstum und Lebenszufriedenheit
An einigen Beispielen verdeutlicht Easterlin, dass die subjektive Lebenszufriedenheit den sozialen Fortschritt deutlich aussagekräftiger abbilden kann als wirtschaftliche Kennzahlen. Costa Rica etwa erreicht nach erfolgreichen Sozialreformen inzwischen das gleiche Glücksniveau wie die USA, wo die Lebenszufriedenheit seit 70 Jahren stagniert, obwohl sich die Wirtschaftsleistung pro Kopf verdreifacht hat. In China kommt die Lebenszufriedenheit sogar trotz einer Verfünffachung des realen BIP pro Kopf nicht über das Niveau von 1990 hinaus.
+++
*Easterlins Beitrag zur IZA Prize-Buchreihe trägt den Titel „Happiness, Growth, and the Life Cycle“ und liefert einen Überblick über seine zentralen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der ökonomischen Glücksforschung.