In Deutschland können Beschäftigte größerer Unternehmen nach dem neuen Entgelttransparenzgesetz die Durchschnittsgehälter von Arbeitnehmergruppen erfragen, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben. Island geht noch einen Schritt weiter: Hier müssen Arbeitgeber seit diesem Jahr nachweisen, dass sie gleiches Geld für gleichwertige Arbeit zahlen. Inwieweit solche gesetzlichen Regelungen tatsächlich für mehr Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern sorgen können, bleibt jedoch in Politik und Wissenschaft umstritten.
Denn die Gründe für unterschiedliche Bezahlung sind vielschichtig. Beispielsweise sind Frauen in geringer bezahlten Branchen und Tätigkeiten überrepräsentiert, steigen seltener in Führungspositionen auf, nehmen längere berufliche Auszeiten zur Kinderbetreuung und entscheiden sich häufiger für Teilzeitarbeit. Aktuelle Forschungspapiere aus dem IZA-Netzwerk beschäftigen sich mit den unterschiedlichen Facetten des so genannten „Gender Pay Gap“.
Lohndiskriminierung in Neuseeland
Eine Studie aus Neuseeland kommt auf Basis umfangreicher Lohn- und Produktivitätsdaten zu dem Schluss, dass Frauen bei der Entlohnung systematisch benachteiligt werden, ohne dass Produktivitätsunterschiede eine Ungleichbehandlung ökonomisch rechtfertigen würden.
Für eine bewusste Diskriminierung durch Arbeitgeber spreche auch die Beobachtung, dass die Lohnlücke größer werde, wenn sich Unternehmen angesichts günstiger Arbeitsmarkt- und Wettbewerbsbedingungen eine ungleiche Bezahlung eher „leisten“ könnten, so die Analyse von Isabelle Sin (Motu Economic and Public Policy Research) IZA-Fellow Steven Stillman (Freie Universität Bozen) und Richard Fabling. Die Autoren halten strengere gesetzliche Regelungen zur Entgeltgleichheit daher für durchaus geboten.
Lohnlücke wächst mit dem Alter
Unterschiedliche Karrierewege und Aufstiegschancen sorgen laut einer Untersuchung von IZA-Fellow Erling Barth (Institute for Social Research), Sari Pekkala Kerr (Wellesley College) und Claudia Olivetti (Boston College) dafür, dass die geschlechtsspezifische Lohnschere mit steigendem Alter weiter auseinanderklafft. Das gilt insbesondere für Akademiker, wie die Autoren anhand von US-Daten zeigen (siehe Grafik).
Die Studie erforscht die Häufigkeit und Qualität von Jobwechseln, die mit höherem Einkommen verbunden sind. Demnach wechseln Frauen sowohl innerhalb als auch zwischen Unternehmen seltener in besser bezahlte Jobs. Hinzu komme, so die Autoren, dass bei verheirateten Paaren ein Ortswechsel meist aufgrund besserer beruflicher Aussichten des Ehemanns erfolge. So erklärt sich, dass bei alleinstehenden Frauen keine substanziellen Lohnnachteile erkennbar sind.
Nachteile von Teilzeitarbeit
Ebenfalls der klassischen familiären Arbeitsteilung ist geschuldet, dass Frauen häufiger in Teilzeitjobs arbeiten, in denen die Stundenlöhne in der Regel geringer sind als für vergleichbare Vollzeitstellen. Dieser Teilzeit-Lohnnachteil kommt jedoch primär für Hochqualifizierte zum Tragen und kann maximal ein Zehntel der Entgeltlücke erklären, so die Ergebnisse eines Forschungspapiers von IZA-Fellow Kai Liu (Norwegian School of Economics), das in der Fachzeitschrift Quantitative Economics erschienen ist.
Entscheidender sei der Nachteil, der sich aus der im Durchschnitt geringeren Arbeitsplatzsicherheit von Teilzeitjobs ergebe, so Liu. Statt gleiche Stundenlöhne für Voll- und Teilzeitbeschäftigung gesetzlich zu verordnen („Equal Pay“), sei es daher zielführender, die Jobsicherheit von Teilzeitstellen zu verbessern („Equal Protection“), wie seine Simulation entsprechender Politikmaßnahmen zeigt (siehe Grafik).
Wettbewerbsbereitschaft beeinflusst Karriereentscheidungen
Würde sich die Lohnlücke also schließen, wenn es keine Diskriminierung gäbe und Frauen im gleichen Umfang auf dem Arbeitsmarkt aktiv wären wie Männer? Vermutlich nicht, denn Geschlechterunterschiede bei der Wettbewerbsbereitschaft tragen schon im Kindesalter dazu bei, spätere Karrierewege vorzuzeichnen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Thomas Buser (Universität Amsterdam), Noemi Peter (Universität Groningen) und IZA-Fellow Stefan Wolter (Universität Bern).
Anhand eines Verhaltensexperiments mit rund 1.500 Achtklässlern in der Schweiz fanden die Autoren heraus: Jungen und Mädchen mit schwächeren schulischen Leistungen unterscheiden sich kaum in ihrer Präferenz für Wettbewerbssituationen. Doch mit steigendem individuellen Leistungsniveau klafft die Lücke zwischen den Geschlechtern immer weiter auseinander.
Die Forscher beobachteten auch den weiteren Werdegang der Schülerinnen und Schüler. Jungen mit hoher Wettbewerbsbereitschaft entschieden sich deutlich häufiger für eine Spezialisierung auf MINT-Fächer bzw. für betriebswirtschaftlich orientierte Ausbildungsplätze und waren bei der Bewerbung um Lehrstellen erfolgreicher als Mädchen mit jeweils vergleichbaren schulischen Leistungen. Der Einfluss dieser Unterschiede auf spätere Karriereentscheidungen und Verdienstaussichten sei nicht zu unterschätzen.
Welches Gewicht die unterschiedlichen Erklärungsansätze für den „Gender Pay Gap“ haben, ist unter Ökonomen nach wie vor umstritten. Weitgehende Einigkeit besteht jedoch darin, dass Maßnahmen zur Förderung einer gleichberechtigten Erwerbsbeteiligung (etwa durch bessere Kinderbetreuungsangebote und geringere steuerliche Anreize für das Alleinverdienermodell) mehr zum Schließen der Geschlechterlücke beitragen können als gesetzliche Regelungen zur Entgeltgleichheit.
Weitere Informationen dazu auch auf der „IZA World of Labor“-Themenseite: