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IZA – Institute of Labor Economics

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Lebenswerte und produktive Arbeitswelten gestalten

July 28, 2025 by Mark Fallak

In der heutigen Zeit wird die Bedeutung von bezahlter Arbeit stark hinterfragt – nicht nur wegen wirtschaftlicher Veränderungen und neuer Technologien, sondern auch aus Sicht der Menschen selbst. Für viele steht dabei einiges auf dem Spiel: Denn Arbeit ist nicht nur Lebensgrundlage, sie prägt auch unseren Alltag, unsere Identität – und sie beeinflusst, wie wir unser Leben außerhalb der Arbeit gestalten.

Wie ich in meinem neuen Buch „The Future of Work Environments: Creating Livable and Productive Working Habitats“ (Edward Elgar, 2025) zeige, wird bezahlte Arbeit auf absehbare Zeit weiter eine zentrale Rolle spielen. Der Kapitalismus wird nicht plötzlich verschwinden – und damit auch nicht das klassische Arbeitsverhältnis. Worüber wir uns also Gedanken machen sollten, ist nicht das Ende der Arbeit, sondern vielmehr die Art der Arbeit und die Bedingungen, unter denen wir sie leisten.

Menschliche Arbeit in Zeiten der Automatisierung

Besonders gefragt ist menschliche Arbeit dort, wo Maschinen an ihre Grenzen stoßen – also da, wo Kreativität, soziale Intelligenz oder Erfahrung zählen. Genau an dieser Schnittstelle zwischen Mensch und Technik wächst die Arbeit der Zukunft. Je mehr sich Maschinen weiterentwickeln, desto wichtiger wird das, was nur Menschen können.

Unsere Arbeitswelt verändert sich entlang dieser Grenze. Wer aktiv an der Gestaltung seiner Arbeit beteiligt ist, wird weniger leicht ersetzbar. Es lohnt sich also, Arbeit bewusst zu formen – sowohl technisch als auch menschlich.

Wie könnte die Zukunft aussehen?

Auch wenn der Kapitalismus bestehen bleibt, ist er nicht in Stein gemeißelt. Es gibt verschiedene Richtungen, in die sich unsere Arbeitswelt entwickeln kann. Eine düstere Variante wäre ein radikaler Kapitalismus mit starker Hierarchie und wenig Spielraum für die Einzelnen – altbekannte Bürokratie trifft auf neue, strenge Menschenführung. Auf der anderen Seite steht das Modell eines menschlicheren Kapitalismus, mit faireren Bedingungen, besseren Organisationen und mehr Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung.

Wahrscheinlich wird es auf eine Mischform hinauslaufen – mit Licht und Schatten. Wichtig ist, dass wir als Gesellschaft mitentscheiden, in welche Richtung es gehen soll.

Drei Ebenen, die sich gegenseitig stärken

Um gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, braucht es ein Zusammenspiel von drei Ebenen: Die Politik als Rahmengeberin, die Unternehmen als Gestalter des Arbeitsalltags – und schließlich dei Individuen mit ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen.

Wenn diese drei Ebenen gut zusammenwirken, entsteht ein stabiles Fundament für lebenswerte Arbeitswelten. Eine gerechtere Arbeitswelt mit weniger Ungleichheiten bedeutet auch: Weniger Druck, sich auf Biegen und Brechen durchsetzen zu müssen. Menschen könnten besser leben – ohne Angst vor dem sozialen Abstieg.

Gute Institutionen helfen dabei: Sie schaffen Räume, in denen man arbeiten und leben kann, mit möglichst viel Freiheit – und ohne unnötige Hürden.

Was gute Politik leisten kann

Politik kann die Richtung vorgeben – auch wenn sie nicht jede Entwicklung im Detail steuern kann. Sie kann dafür sorgen, dass es mehr „gute Arbeit“ gibt: Tätigkeiten, die nicht rein maschinell ersetzbar sind, und in denen Menschen sich weiterentwickeln können. Sie kann Machtverhältnisse ausbalancieren, Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern und soziale Absicherung schaffen.

Gute Rahmenbedingungen – etwa bei Löhnen, Weiterbildung oder Mitbestimmung – stärken nicht nur einzelne Gruppen, sondern die Gesellschaft als Ganzes. Politik ist damit mehr als Verwaltung – sie wird zum Produktivfaktor für die Arbeitswelt.

Unternehmen als Orte gemeinsamer Arbeit

Idealerweise sind Unternehmen Orte, an denen Menschen gemeinsam an etwas arbeiten – ohne starre Hierarchien, mit mehr Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Das funktioniert natürlich nur, wenn Mitarbeitende Verantwortung übernehmen und ihre Fähigkeiten einbringen können. Selbstorganisation ist gefragt – aber auch Unterstützung.

In solchen „Werkstätten der Zukunft“ wird Arbeit zwar nicht weniger anstrengend, aber sie wird sinnvoller. Sie fühlt sich weniger sinnlos oder fremdbestimmt an. Dafür braucht es aber auch faire Bedingungen, breit verteilte Qualifikationen und die passenden politischen Rahmenbedingungen.

Menschliches Kapital: Was jeder mitbringt

In der heutigen Arbeitswelt ist jeder ein Stück weit sein eigener „menschlicher Kapitalist“ – auch wenn der Begriff vielleicht etwas sperrig klingt. Gemeint ist: Jeder bringt Wissen, Fähigkeiten und Selbstorganisation mit, um sich in der Arbeitswelt zurechtzufinden. Das gilt nicht nur im Job, sondern auch an der Grenze zwischen Arbeit und Privatleben.

Gerade diese Grenze ist wichtig: Nicht alles muss Arbeit sein. Es braucht auch Abstand, Auszeiten – ein „Hinterland“, das uns schützt vor Überforderung und Dauerstress. Menschen haben die Fähigkeit, ihre Arbeit aktiv zu gestalten – besonders dann, wenn das Umfeld es zulässt.

Ein hoffnungsvoller Ausblick

Ich bin überzeugt: Wenn Politik, Unternehmen und Individuen gut zusammenwirken, können wir zuversichtlich in die Zukunft schauen. Je besser die Bedingungen sind, desto eher gelingt es Menschen, ihr eigenes Arbeitsumfeld mitzugestalten – und sich dort wohlzufühlen.

Natürlich wird die Zukunft nie genau so aussehen, wie wir sie uns vorstellen. Aber gerade das macht sie spannend. Ungewissheit ist auch ein Zeichen für Offenheit – für Möglichkeiten. Und je mehr auf dem Spiel steht, desto wichtiger ist die Vorstellung eines guten Arbeitslebens.

Ein gutes Arbeitsumfeld – in dem man arbeiten und leben kann – ist eine Art Rettungsanker. Eine Chance, die Zukunft so lebenswert zu gestalten, wie es eben möglich ist.

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Filed Under: Opinion Tagged With: future of work

Würden Sie eine Geschichte lesen, die von einer Maschine geschrieben wurde?

March 14, 2025 by Mark Fallak

Von Martin Abel und Reed Johnson

Laut aktueller Studien bevorzugen Menschen kreative Werke von menschlichen Autoren gegenüber solchen von Künstlicher Intelligenz (KI). Doch ob sich diese Aussagen tatsächlich im Konsumverhalten widerspiegeln, ist kaum erforscht. Und wie es so schön heißt: „Talk is cheap.“ Angesichts der kommenden Flut an KI-generierten Werken geht es nicht nur um die Existenzgrundlage von Millionen kreativer Berufstätiger weltweit, sondern auch um die grundlegende Frage, was uns in diesem zutiefst menschlichen Schaffen noch gehört.

Ein Experiment mit KI-generierter Literatur

Um diese Fragen zu untersuchen, ließen wir OpenAIs GPT-4 eine Kurzgeschichte im Stil des preisgekrönten Autors Jason Brown schreiben. Anschließend befragten wir eine national repräsentative Stichprobe von über 650 Personen in den USA, die die Geschichte lesen und bewerten sollten. Dabei erhielt die Hälfte der Teilnehmenden die korrekte Information, dass die Geschichte von einer KI verfasst wurde. Die andere Hälfte wurde bewusst in die Irre geführt und glaubte, es handele sich um ein Werk von Jason Brown. Dieses Studiendesign ermöglichte es uns, den Effekt der (vermeintlichen) Autorschaft isoliert zu betrachten und zu testen, ob Konsumenten tatsächlich menschliche Texte gegenüber KI-generierten bevorzugen.

Nach dem Lesen der ersten Hälfte der KI-generierten Geschichte bewerteten die Teilnehmenden die Qualität des Textes anhand verschiedener Kriterien, darunter Vorhersehbarkeit, emotionale Tiefe und Atmosphäre. Zusätzlich erfassten wir ihre Zahlungsbereitschaft für das Lesen des Endes – sowohl in Geldform (durch einen Verzicht auf einen Teil ihrer Teilnahmevergütung) als auch in Zeitform (durch das Erledigen einer monotonen Transkriptionsaufgabe).

Subjektive Bewertung und tatsächliches Verhalten

Und was zeigte sich? Gab es Unterschiede zwischen den Gruppen? Die kurze Antwort: ja. Doch eine genauere Analyse brachte überraschende Erkenntnisse ans Licht.

Die Gruppe, die wusste, dass die Geschichte von einer KI stammte, bewertete den Text deutlich negativer. Sie empfand ihn als vorhersehbarer, weniger authentisch und atmosphärisch schwächer. Diese Ergebnisse stimmen mit einer wachsenden Zahl von Studien überein, die eine generelle Voreingenommenheit gegenüber KI-generierten Werken in Bereichen wie bildender Kunst, Musik oder Dichtung dokumentieren. Es scheint, dass Konsumenten – zumindest derzeit – reflexartig KI-geschaffene Werke als minderwertig einstufen.

Doch obwohl die Teilnehmenden die KI-Geschichte als schlechter bewerteten, waren sie dennoch bereit, genauso viel Zeit und Geld zu investieren, um das Ende der Geschichte zu lesen – unabhängig davon, ob sie wussten, dass der Text von einer KI geschrieben wurde oder nicht. Auch verbrachten sie nicht weniger Zeit mit dem Lesen der als KI-generiert gekennzeichneten Geschichte. Interessanterweise gaben fast 40 Prozent der Teilnehmenden an, dass sie weniger gezahlt hätten, wenn die gleiche Geschichte von einer KI statt von einem Menschen geschrieben worden wäre. Dies zeigt, dass vielen die Diskrepanz zwischen ihrer subjektiven Bewertung und ihrem tatsächlichen Verhalten nicht bewusst ist.

Was bedeutet das für die Zukunft der Kreativbranche?

Diese Ergebnisse liefern wichtige Hinweise darauf, dass die verbreitete Ablehnung von KI-generierter Kreativität nicht zwingend mit dem tatsächlichen Kaufverhalten übereinstimmt. Dies könnte tiefgreifende Auswirkungen auf die Zukunft menschlicher Kreativarbeit haben, insbesondere in einem Markt, in dem KI-generierte Werke zu einem Bruchteil der Kosten produziert werden können. Schon jetzt überfluten KI-geschriebene Bücher den Markt – eine Entwicklung, die Autorenverbände dazu veranlasst hat, eigene Kennzeichnungsrichtlinien einzuführen. Doch unsere Forschung wirft die Frage auf, ob solche Labels überhaupt eine wirksame Barriere gegen die Verdrängung menschlicher Autoren darstellen.

Natürlich sind die Einstellungen gegenüber KI noch im Wandel, und es ist durchaus möglich, dass eine Gegenbewegung entsteht – ähnlich wie die Arts-and-Crafts-Bewegung als Reaktion auf die Industrialisierung. Eine denkbare Zukunft wäre eine Marktsegmentierung, in der einige Verbraucher bereit sind, für den kreativen Schaffensprozess selbst zu zahlen, während andere sich ausschließlich für das Endprodukt interessieren.

Unabhängig davon, wie sich diese Entwicklungen entfalten, zeigen unsere Ergebnisse, dass der Weg für menschliche Kreativarbeit möglicherweise steiler ist, als bisherige Forschung vermuten ließ. Während viele Menschen überzeugt sind, dass menschliche Arbeit einen intrinsischen Wert hat, sind überraschend wenige bereit, dies auch mit ihrem Geldbeutel zu bestätigen.

Filed Under: Opinion Tagged With: AI, arts, crafts, creative writing, creativity, willingness to pay

IZA/Fable SWIPE-Konsumindikator für November über sechs Prozent im Plus

November 21, 2024 by Mark Fallak

Von Nikos Askitas und Ingo Isphording

Für November 2024 zeigt der IZA/Fable SWIPE Konsumindikator, der private Konsumtrends in Deutschland monatlich auf Basis von Kreditkartenzahlungen abbildet, einen vorläufigen Wert von 6,34 Prozent Wachstum im Vergleich zum Vorjahr. Damit setzt sich die positive Entwicklugn der letzten Monate fort. Diese erste Schätzung liefert einen frühen Einblick in das tatsächliche Konsumverhalten und wird täglich durch aktuelle Daten untermauert. Der Index lässt sich über unsere interaktive, einbettbare Grafik in Echtzeit nachverfolgen.

Innovativer Ansatz

Der IZA/Fable SWIPE-Konsumindikator liefert objektive Kennzahlen auf Grundlage realer Ausgabedaten aus Kreditkartenzahlungen. Als Ergänzung stimmungsbasierter Indikatoren bietet er eine zeitnahe und zuverlässige Einschätzung des Konsumverhaltens. Der Index korreliert eng mit den Konsumausgabendaten von Eurostat und eignet sich somit gut zur Messung von Konsumtrends.

Wie ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Winfried Koeniger, Peter Kress und Jonas Lehmann zeigt, deckt der Index die aggregierten Ausgaben umfassend ab, obwohl die Kreditkartennutzungsrate in Deutschland mit 56,5 Prozent im internationalen Vergleich noch relativ gering ausfällt (Platz 18 von 121 Ländern).

Unterschiede zwischen subjektiven und objektiven Werten

Subjektive Stimmungsindikatoren und objektive Ausgabedaten weisen nicht immer übereinstimmende Entwicklungen auf. Beispielsweise können finanzielle Zwänge oder die konstante Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs dazu führen, dass Haushalte trotz pessimistischer Einschätzungen weiterhin stabil konsumieren.

Subtilere Verhaltensphänomene, wie zum Beispiel der sogenannte „Lipstick-Effekt“ – bei dem Konsumenten sich in wirtschaftlichen Abschwüngen kleinere Luxusgüter gönnen – oder der durch die wechselseitige Dynamik von Nachrichtenangebot und -nachfrage erzeugte Negativitätsbias in der Berichterstatung, können ebenfalls dazu beitragen, dass tatsächliche Ausgaben von der gemeldeten Stimmung abweichen.

Abbildung 1 zeigt die Korrelation zwischen dem IZA/Fable SWIPE Konsumindex und den Wirtschaftsstimmungsindikatoren von Eurostat, jeweils inflationsbereinigt. Deutlich werden sowohl Phasen der Abkopplung als auch der Parallelentwicklung. So sank die Wirtschaftsstimmung zwischen 2018 und 2019 kontinuierlich, während der Konsum gemäß SWIPE-Index stabil blieb. Dies deutet auf eine beständige Konsumnachfrage trotz pessimistischer Aussichten hin.

Anfang 2023 zeigt sich erneut eine ähnliche Divergenz: Während die Verbraucherstimmung sank und sich 2024 auf einem niedrigeren Niveau stabilisierte, stiegen die Konsumausgaben im Jahresvergleich und wurden 2024 sogar positiv. Diese Muster, zusammen mit der allgemeinen Diskrepanz zwischen wirtschaftlichen Fundamentaldaten und Verbraucherstimmung, könnten auf strukturelle Veränderungen im Konsumverhalten, den Einfluss finanzieller Einschränkungen oder Verhaltensanpassungen hinweisen, die von Stimmungsindikatoren nicht erfasst werden.

In der Zeit von 2020 bis 2022, die von der Pandemie, Erholungsmaßnahmen und der Ukraine-Krise geprägt war, verliefen beide Messgrößen hingegen weitgehend parallel. Dies könnte auf die gemeinsame Reaktion auf externe Einflüsse wie finanzpolitische Eingriffe und globale Unsicherheiten zurückzuführen sein. Eine Studie von Koeniger und Kress untersucht beispielhaft, wie Verbraucher in Deutschland auf die 2020 pandemiebedingt vorübergehend gesenkte Mehrwertsteuer reagierten.

Abb. 1: Vergleich von Stimmungsindikatoren und dem IZA/Fable SWIPE Konsumindex (jeweils inflationsbereinigt). Während die Stimmung in den Jahren 2018–2019 zurückging, blieb der Konsum weitgehend stabil; im Jahr 2024 wuchs der Konsum in fast allen Monaten im Jahresvergleich, trotz pessimistischer Aussichten. Quelle: Eurostat-Datensatz EI_BSCO_M, Variable M.BS-GES-NY.SA.BAL.DE.

Kombination von Messgrößen

Die Muster der Abweichungen und Übereinstimmungen legen nahe, subjektive und objektive Messgrößen zu kombinieren, um das Zusammenspiel von Verbraucherstimmung und tatsächlichem Verhalten sowie deren Einfluss auf die Konjunkturzyklen zu verstehen. Als Ergänzung zu Stimmungsdaten sind Instrumente wie der SWIPE-Index für eine differenzierte wirtschaftliche Analyse somit äußerst hilfreich.

Dennn eine einseitige Orientierung an Stimmungsprognosen birgt das Risiko, die Widerstandsfähigkeit des Konsums zu unterschätzen. So wurde das kürzlich veröffentlichte Wirtschaftswachstum im dritten Quartal 2024 – das vor allem durch privaten und staatlichen Konsum getragen wurde – von den deutschen Medien als „überraschend“ beschrieben. Der SWIPE-Index zeigte jedoch bereits zuvor ein stetiges Wachstum der privaten Ausgaben im Jahresvergleich und könnte daher womöglich auch die Gültigkeit der aktuellen amtlichen Wirtschaftsprognosen für 2024 infragestellen.

Filed Under: Opinion Tagged With: consumption, index

„Die Arbeitskräfte fehlen nicht, sie sind nur woanders“

February 8, 2023 by Mark Fallak

„Mitarbeiter gesucht“ – was Passanten derzeit an vielen Bäckereien, Friseursalons und anderen Betrieben begegnet, ordnet Simon Jäger im SPIEGEL-Interview vom 31. Januar 2023 aus wissenschaftlicher Sicht ein. Der MIT-Ökonom, der seit September 2022 das IZA leitet, hebt die Wirksamkeit eines marktwirtschaftlichen Instruments besonders hervor: höhere Löhne.

Wir wissen aus Studien, dass Menschen auf Arbeitsplätze wechseln, die gute Löhne und Arbeitsbedingungen bieten – und dort auch seltener kündigen.

Zunächst weist Jäger darauf hin, dass die Beschäftigung einen historischen Höchststand erreicht habe, während die Reallöhne zuletzt gesunken seien: „Das passt nicht zu der These des Fachkräftemangels.“ Im Niedriglohnbereich stagnierten die realen Einkommen sogar seit Jahrzehnten. „Gerade dort, wo Löhne niedrig waren, ist nun aber der Druck besonders groß“, so Jäger. Mit Blick auf bessere Arbeit könnten daher „die Preissignale, die der Markt sendet, auch gesellschaftlich erwünscht sein.“

Auch beim Thema Erwerbsmigration sieht Jäger die Unternehmen in der Pflicht. Im Wettbewerb um hochqualifizierte internationale Beschäftige seien gerade diejenigen Standorte attraktiv, die „höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und langfristige Perspektiven“ anbieten können. Das inländische Potenzial wiederum ieße sich mit einer höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen besser nutzen, doch hier stehe der Staat mit dem Ehegattensplitting „selbst auf der Bremse“.

In Zukunft gehe es bei all diesen Fragen aber auch darum, knappe Arbeitskräfte dort einzusetzen, „wo sie den höchsten Mehrwert schaffen.“ Die Gesellschaft müsse für sich entscheiden, ob sie bereit sei, als besonders wichtig erachtete Bereiche wie Bildung und Pflege mit den dafür notwendigen Ressourcen auszustatten. „Es gibt nichts umsonst. Das ist der Kern“, so Jäger.

Die Niedriglohnfalle am unteren Ende der Lohnverteilung hat also auch etwas mit der Transparenz der Löhne zu tun.

Um einen Ausweg aus dem Niedriglohnsektor zu eröffnen, verwies der IZA-Chef auf eigene Forschungsergebnisse, nach denen beispielsweise eine höhere Lohntransparenz helfe. So würden mehr Informationen über Verdienstaussichten in ähnlichen Jobs dazu führen, dass die Beschäftigten nachverhandeln oder verstärkt nach anderen Stellen suchen.

Insgesamt könnte diese erweiterte Flexibilität dazu führen, dass deutschlandweit mehr gearbeitet wird.

Mehr Flexibilität bei der Gestaltung des Arbeitsalltags könne laut Jäger insgesamt eine Aufstockung der Arbeitsstunden begünstigen. Insbesondere Frauen würden davon profitieren. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten für ältere Beschäftigte könne auch die Debatte um das Renteneintrittsalter entspannen, wenngleich das Eintrittsalter für die langfristige Stabilisierung des Rentensystems eine relevante Stellschraube bleibe, so der IZA-Chef.

Filed Under: Opinion Tagged With: Germany, labor shortage, skilled labor, wages, working conditions

Warum staatliche Eingriffe wie der Mindestlohn effizient sein können

October 10, 2022 by Mark Fallak

Seit dem 1. Oktober liegt der Mindestlohn in Deutschland bei 12 Euro pro Stunde – 25 Prozent höher als im Vorjahr. Was das für den Arbeitsmarkt bedeutet, wollte die Frankfurter Allgemeine Zeitung von Simon Jäger wissen. Im Interview (auf FAZ.net in voller Länge nachzulesen) erklärt der neue IZA-Chef außerdem, warum der Fachkräftemangel als Problem überbewertet wird und was Deutschland tun sollte, um den arbeitsmarktpolitischen „Blindflug“ zu beenden.

Trotz zusätzlicher Belastung der Unternehmen durch die Energiekrise sei die Mindestlohnerhöhung zum passenden Zeitpunkt gekommen, so Jäger. Einerseits befinde sich die Erwerbstätigenzähl auf Rekordniveau und die Arbeitsnachfrage der Unternehmen sei anhaltend hoch, andererseits litten viele Beschäftigte durch die Inflation unter Reallohnverlusten, wie es sie seit 50 Jahren nicht mehr gegeben habe.

Statt Beschäftigungsabbau im großen Stil rechnet Jäger eher mit einer „Verlagerung von Arbeitsplätzen aus weniger produktiven Betrieben hin zu produktiveren Betrieben“. Die Mindestlohnabhebung sei auch insofern gerechtfertigt, als Deutschland über einen besonders großen Niedriglohnsektor verfüge, der neben geringen Arbeitseinkommen gesamtwirtschaftlich negative Effekte mit sich bringe. Zudem senke ein höherer Mindestlohn die Anreize, bestimmte Tätigkeiten auszulagern und damit aus der Tarifbindung herauszubrechen.

Früher galt das Dogma, der Arbeitsmarkt sei effizient. Heute lässt sich sagen: Auch bestimmte Staatseingriffe sind effizient.

Die Einschätzung, das größte Problem auf dem deutschen Arbeitsmarkt sei der Mangel an Servicepersonal und Fachkräften, teilt der IZA-Chef nicht. Die Zahl der Beschäftigten sei so hoch wie nie, allerdings hätten viele auf der Suche nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen die Branche gewechselt. Dadurch erhöhe sich in bestimmten Branchen der Druck, die Bedingungen zu verbessern oder bestimmte Tätigkeiten zu automatisieren.

Die Arbeitskräfte sind nicht weg, sie sind nur woanders.

In der bevorstehenden Rezession bleibe Kurzarbeit laut Jäger ein wichtiges Instrument, um Arbeitsplätze zu erhalten. Allerdings führe das Kurzarbeitergeld auch zu Mitnahmeeffekten und hemme den Strukturwandel. Die notwendige Balance zu finden, sei in Deutschland besonders schwierig, weil es – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern – an geeigneten Daten mangele. Die Politik müsse endlich die Grundlage schaffen, um etwa Arbeitsmarktstatistiken und Unternehmensdaten aus den verschiedenen „Silos“ zusammenführen zu können. Dies sei „die Voraussetzung für exzellente Forschung und damit auch evidenzbasierte Politik“.

Wir bewegen uns in einem wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Blindflug.

Seinen Schritt, vom MIT in Boston ans IZA nach Bonn zurückzukehren, begründet Simon Jäger unter anderem mit der Relevanz des Arbeitsmarktes in den großen gesellschaftlichen Debatten unserer Zeit. Ein international vernetztes Institut wie das IZA, das hervorragende Forschungsarbeit leiste, sei vor diesem Hintergrund sehr spannend. Um die Position des IZA als „Brückenbauer“ zwischen Wissenschaft und Politik zu stärken, werde derzeit der Aufbau einer Dependance in Berlin geplant.

Filed Under: Opinion Tagged With: collective bargaining, employment, Germany, labor shortage, low-wage sector, minimum wage

Sprachenvielfalt: Fluch oder Segen?

September 20, 2022 by Mark Fallak

Ein Auslandsstudium macht sich nicht nur gut im Lebenslauf, sondern erfreut sich auch aus kulturellen Gründen wachsender Beliebtheit. Zudem werden viele Lehrveranstaltungen inzwischen in englischer Sprache gehalten. Allerdings kann das auf Kosten des Lernerfolgs gehen: In einer aktuellen Studie belegen Juliana Bernhofer und Mirco Tonin, dass Studierende in Prüfungen schlechter abschneiden, wenn sie diese nicht in ihrer Muttersprache schreiben können.

Um den Einfluss der Sprache zu messen, machen sich die Forscherin und ihr Kollege eine Besonderheit der Freien Universität Bozen-Bolzano in Südtirol zunutze: Zum einen ist unter den dortigen Studierenden die deutsche und italienische Muttersprache ähnlich verbreitet. Zum anderen müssen im Grundstudium einige verpflichtende Kurse in diesen beiden Sprachen und auf Englisch belegt werden.

Die Analyse zeigt, dass die Prüfungsleistungen in einer der Fremdsprachen im Schnitt um 9,5 Prozent schlechter ausfallen als in der Muttersprache. Auch die Durchfallquote liegt höher. Die Lücke wird mit besserem Sprachniveau kleiner, bleibt jedoch selbst bei hervorragenden Kenntnissen der jeweiligen Fremdsprache bestehen.

In einem Gastbeitrag (englisch) für den IZA Newsroom erläutern Bernhofer und Tonin ihre Erkenntnisse und mögliche Erklärungsansätze im Detail. Das Ergebnis spreche keineswegs gegen ein Studium im Ausland oder englischsprachige Lehrveranstaltungen, stellen die Forscher klar. Allerdings sollte mehr in die Sprachförderung investiert werden, um die Nachteile zu minimieren.

Filed Under: Opinion Tagged With: academic performance, education, language

Die Zeitenwende erreicht den deutschen Arbeitsmarkt

September 6, 2022 by Mark Fallak

Dekarbonisierung und Digitalisierung sind die großen transformativen Kräfte, die – beschleunigt durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg – auf den Arbeitsmarkt einwirken und die internationale Arbeitsteilung nachhaltig verändern. Was das für angespannte Arbeitsmarktlage in Deutschland bedeutet, erklären Holger Bonin und Ulf Rinne in einem aktuellen Beitrag für die Zeitschrift Wirtschaftsdienst.

Die beiden IZA-Forscher sehen den deutschen Arbeitsmarkt vor einer Zäsur: Aus dem Fachkräftemangel, der schon vor der Krise die deutsche Wirtschaft ausgebremst habe, sei inzwischen ein ausgewachsener Arbeitskräftemangel geworden, der auch den Niedriglohnsektor erreicht habe.

Die Bewältigung der „Zeitenwende auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ erfordere konzertierte Anstrengungen aller Akteure auf der Angebots- und Nachfrageseite, schreiben Bonin und Rinne. So müssten sich die Arbeitgeber noch aktiver um die Gestaltung attraktiver Arbeitsplätze – einschließlich angemessener Entlohnung – sowie um die Aus- und Weiterbildung bemühen.

Beschäftigte und Arbeitslose wiederum seien gefordert, zusätzliche oder auch gänzlich neue berufliche Qualifikationen zu erwerben. Der demografische Wandel könne zudem längere effektive Arbeitszeiten – in der Woche, im Jahr oder über das gesamte Erwerbsleben – erfordern, um das Wohlstandsniveau zu wahren.

Den Staat sehen die Autoren in der Pflicht, geeignete Rahmenbindungen für die notwendigen Anpassungen auf beiden Seiten des Arbeitsmarkts zu schaffen und überall dort korrigierend einzugreifen, wo der Marktmechanismus an seine Grenzen stößt.

Am Ende stehe jedoch eine unangenehme Wahrheit, so das Fazit der Autoren: Für die Bewältigung der massiven Fachkräfteengpässe gebe es keine einfache Lösung – und sie werde dauern. Außerdem werde den Unternehmen, den Bürgerinnen und Bürgern wie auch der Politik die eine oder andere Zumutung auf dem Weg zur nachhaltigen Sicherung des Wohlstands in Deutschland nicht erspart bleiben.

Filed Under: Opinion

Herausforderungen der Digitalisierung für die Aus- und Weiterbildung in Deutschland

February 24, 2021 by Mark Fallak

Das neue Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) wurde der Bundeskanzlerin angesichts der Pandemie in Berlin virtuell übergeben (Details siehe EFI-Homepage). In einem Schwerpunkt widmet sich das Gutachten den Herausforderungen für die berufliche Aus- und Weiterbildung in Deutschland, die sich aus der fortschreitenden Digitalisierung in der Wirtschaft und an den Arbeitsplätzen ergeben.

Dazu ein Interview mit IZA-Forschungsdirektor Holger Bonin, der sich intensiv mit den Beschäftigungsfolgen des Übergangs zur digitalen Arbeitswelt befasst und als Mitglied der EFI-Kommission am Gutachten mitgewirkt hat:

Herr Professor Bonin, wie verändert sich die Arbeitswelt durch die digitale Transformation?

Holger Bonin: Viele Menschen befürchten ja, dass uns durch Digitalisierung die Arbeit ausgehen wird. Die Zahlen sprechen aber eine ganz andere Sprache: Die vorhandenen Projektionen zeigen uns, dass selbst bei einer beschleunigten Digitalisierung die Beschäftigung in Deutschland allenfalls leicht zurückgehen wird. Was aber passieren wird, ist eine Umwälzung der Beschäftigung. Auf der einen Seite entstehen neue Beschäftigungsmöglichkeiten, auf der anderen Seite gehen viele vorhandene Tätigkeiten und damit auch viele Arbeitsplätze verloren. Und das bedeutet, dass sich die betroffenen Menschen beruflich neu orientieren müssen. Deshalb wird der Weiterbildungsbedarf erheblich zunehmen.

Die Digitalisierung wird zu einer Umwälzung der Beschäftigung führen und Tätigkeitsprofile verändern.

Ein anderer wichtiger Faktor ist, dass sich auch an den Arbeitsplätzen, die erhalten bleiben, die Tätigkeitsprofile verändern. Durch immer mehr künstliche Intelligenz, durch intelligente Maschinen geht Routine-Arbeit verloren und wird gefüllt durch anspruchsvollere Tätigkeiten. Deshalb müssen sich die Menschen auch innerhalb ihres Berufs immer weiter und besser qualifizieren, um ihre berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten.

Was fordern denn künftig Arbeitgeber von Mitarbeitern?

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer benötigen zunächst einmal technologische Fähigkeiten. Die braucht man, um neue digitale Techniken und neue Maschinen zu entwickeln. Daneben brauchen alle Beschäftigten digitale Kernfähigkeiten, damit neue Techniken und digitale Methoden auch in der Breite eingesetzt werden können. Was aber mindestens ebenso wichtig ist: Mit dem Übergang zur Wirtschaft 4.0 entstehen neue Geschäftsmodelle, neue flexible Formen der Arbeitsorganisation. Und damit verbunden ist ein Bedarf an sogenannten „klassischen Kernfähigkeiten“.

Neben technologischen Fähigkeiten werden auch klassische Kernfähigkeiten stärker gefragt sein.

Das sind zum Beispiel Problemlösungsfähigkeit, Kreativität, Fähigkeit zu kommunizieren. Heute haben immer mehr Beschäftigte, die das früher gar nicht tun mussten, mit Kunden zu tun, weil sie Dienstleistungen erbringen und nicht nur produzieren. Um diese verschiedenen Kernfähigkeiten zu entwickeln, müssen Unternehmen, Arbeitnehmer und auch der Staat ganz viel tun. Denn wenn es uns nicht gelingt, diese Fähigkeiten in der Breite der Erwerbsbevölkerung zu entwickeln, dann wird es uns auch nicht gelingen, die Früchte der Digitalisierung voll zu ernten.

Ist die berufliche Aus- und Weiterbildung bei uns gut auf diese Herausforderung eingestellt?

In den meisten Ausbildungsberufen wurden in den letzten Jahren die inhaltlichen Vorgaben bereits an die Digitalisierung angepasst. Woran es allerdings oft hapert, ist die Umsetzung dieser Vorgaben in die betriebliche Praxis. Das beobachten wir insbesondere in kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die weniger digitalisiert sind. Beim Berufsausbildungspersonal sehen wir, dass häufiger die Fähigkeiten, die man in der digitalen Arbeitswelt benötigt, selbst fehlen. Die Ausbildungs- und Lernmethoden sind nicht immer zeitgemäß und auf dem neuesten Stand. Im Bereich der beruflichen Weiterbildung tun sich viele Beschäftigte schwer, sich in ihrem Erwerbsverlauf noch einmal komplett neu zu orientieren. Wir reden in Deutschland zwar viel über lebenslanges Lernen, wir könnten da aber durchaus noch besser werden.

Lebenslanges Lernen erfordert zielführende Angebote, aber auch die nötige Anpassungsbereitschaft.

Ein Problem ist die recht unübersichtliche Weiterbildungslandschaft. Es gibt viele Anbieter, viele Angebote. Aber die Akteure, die nach solchen Angeboten suchen, tun sich schwer herauszufinden, welche Angebote für sie passgenau und zielführend sind. Um solche Probleme zu überwinden, sind in erster Linie die Unternehmen, aber auch die Beschäftigten gefragt. Der Staat kann dabei flankierende Hilfe geben. Er kann Impulse setzen, die Rahmenbedingungen verbessern, und er kann versuchen die Anpassungsbereitschaft zu stärken.

Was konkret wären geeignete Maßnahmen, um die Berufsausbildung fit für die digitale Transformation zu machen?

Zunächst einmal ist es wichtig, dass die Ausbildungsgestaltung überall an die Digitalisierung angepasst wird. Dafür brauchen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen mehr Beratung und Unterstützung. Die Bildung von Ausbildungsverbünden, in denen sich weniger digitalisierte Unternehmen mit digitalisierten Unternehmen zusammentun, sollte gefördert werden.

Berufsschulen brauchen endlich eine flächendeckende, gute Ausstattung mit digitaler Technik. 

Zweitens ist es notwendig, mehr in die Berufsschulen zu investieren. Wir brauchen endlich eine flächendeckende, gute Ausstattung mit digitaler Technik. Auch die Fort- und Weiterbildung der Ausbildenden und der Lehrkräfte an Berufsschulen sollte gestärkt werden, damit sie in die Lage versetzt werden, die Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die man in der digitalen Arbeitswelt braucht.

Außerdem empfiehlt die EFI-Kommission, die berufliche Ausbildung durch die verstärkte Nutzung von sogenannten Zusatzqualifikationen flexibler zu machen. Das sind kleine, in sich abgeschlossene Module, die man flexibel an sich wandelnde inhaltliche Anforderungen anpassen kann und die die Grundlage für sich ausdifferenzierende Fachkarrieren legen können. Im Idealfall sollten diese Zusatzqualifikationen auch für die berufliche Weiterbildung geöffnet werden.

Was empfiehlt die EFI für die berufliche Weiterbildung?

Dafür sehen wir eine ganze Reihe von Ansatzpunkten. Kleine und mittlere Unternehmen sollten dadurch unterstützt werden, dass Netzwerke gebildet werden, die leistungsfähige, überbetriebliche Lösungen ermöglichen. Deshalb begrüßen wir, dass das Bundesarbeitsministerium die Bildung von Weiterbildungsverbünden jetzt unterstützt.

Um die berufliche Flexibilität zu erhöhen, sollten verstärkt präventive Anpassungsqualifizierungen gefördert werden. Nach Einschätzung der EFI-Kommission sind die vorhandenen Instrumente zur Förderung der beruflichen Weiterbildung zu stark darauf ausgerichtet, eine Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber zu ermöglichen. Sie setzen außerdem häufig zu spät ein, nämlich erst dann, wenn der vorhandene Arbeitsplatz bereits stark gefährdet ist. Deswegen sollten Brückenlösungen entwickelt und erprobt werden, die es den Beschäftigten ermöglichen, frühzeitig berufliche Qualifizierungen zu durchlaufen, die sie befähigen, zu einem neuen Arbeitgeber zu wechseln. Damit solche Brückenlösungen tragfähig sind, ist es entscheidend, dass sowohl der alte als auch der neue Arbeitgeber sich angemessen an diesen Lösungen beteiligen.

Berufliche Weiterbildung setzt häufig zu spät an, nämlich wenn der Arbeitsplatz bereits stark gefährdet ist.

Außerdem hält die EFI-Kommission ein Monitoring von beruflichen Kompetenzen in Deutschland für sinnvoll. Damit ist gemeint, dass sowohl die Fähigkeiten, die im Berufsleben gebraucht werden, als auch die Fähigkeiten, die bei den Beschäftigten vorhanden sind, kontinuierlich und umfassend erfasst werden. Wir sind überzeugt, dass eine bessere Informationsbasis entscheidend dazu beitragen kann, passgenaue Aus- und Weiterbildungen vor dem Hintergrund des digitalen Wandels zu ermöglichen.

Wie sollte die Bundesregierung die Umsetzung dieser Maßnahmen generell angehen?

Die Bundesregierung muss sich in den nächsten Jahren mit Nachdruck für eine Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland einsetzen. Schließlich sind wir nicht nur mit der digitalen Transformation konfrontiert, sondern auch mit dem demografischen Wandel, mit den starken Anstrengungen für einen besseren Klimaschutz, mit der Überwindung der strukturellen Folgen der Corona-Krise. All dies erhöht den Bedarf an Aus- und Weiterbildung. Darum begrüßt die EFI-Kommission, dass die Bundesregierung die nationale Weiterbildungsstrategie ins Leben gerufen hat. Jetzt wird es darauf ankommen, die zusammen mit den Sozialpartnern entwickelten Maßnahmen und Vorhaben schnell und agil umzusetzen und auch deren Wirkungen zu evaluieren, damit man gegebenenfalls nachsteuern kann.

Bessere Qualifikation bedeutet stärkere Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit, bessere Jobs und mehr Einkommen.

Die Bundesregierung muss sich in den nächsten Jahren mit Nachdruck für eine Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland einsetzen. Wenn es uns gelingt, angesichts der Herausforderungen durch die digitale Transformation das deutsche Aus- und Weiterbildungssystem noch leistungsfähiger zu machen, dann wird davon nicht nur die deutsche Volkswirtschaft profitieren, weil die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit steigt. Auch die Beschäftigten werden nachhaltig gewinnen, denn auch in Zukunft wird gelten: Bessere Qualifikation bringt bessere Jobs und mehr Einkommen.

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Das Interview ist auf der EFI-Seite auch als Video-Podcast abrufbar.

Filed Under: IZA News, Opinion

Chance oder Rückschlag auf dem Weg zur Klimaneutralität?

February 10, 2021 by Mark Fallak

Zu den vermeintlich positiven Nebenwirkungen der COVID-19-Pandemie zählt der massive Rückgang des Energieverbrauchs, der den Ausstoß an Kohlendioxid und Luftschadstoffen so stark reduziert hat wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.

Weltweit gingen die CO2-Emissionen um sieben Prozent zurück, in der EU sogar um elf Prozent. Zugleich sank die Kohlenachfrage um 20 Prozent, auch aufgrund hoher CO2-Preise und Ausbau der erneuerbaren Energien. Dadurch konnte Deutschland sein Klimaziel für 2020 erreichen.

Die Kohle war der große Verlierer des Jahres 2020.

„Wir wissen aber, dass häufig bei solchen Krisen die Tendenz besteht, es danach wieder aufzuholen“, warnt der Umweltökonom Andreas Löschel im Rahmen der IZA-Vortragsreihe zu den wirtschaftspolitischen Lehren aus der Corona-Krise.

„Deswegen ist nicht klar, ob die Effekte, die wir heute kurzfristig gesehen haben, tatsächlich auch in der mittleren oder langen Frist bestehen bleiben werden.“ Gemäß dem Green Deal der EU brauche es jedoch jedes Jahr eine Reduktion der CO2-Emissionen etwa in der Größenordnung von 2020.

Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, müsse die Politik daher jetzt den richtigen Rahmen setzen. Dazu zählen nach Löschels Einschätzung eine massive Erhöhung der CO2-Bepreisung, eine Energiepreis-Reform, die Strom günstig macht, und die Förderung innovativer Technologien, insbesondere Wasserstoff.

Was wir uns nicht leisten können, ist Technologiepolitik im Klein-Klein zu machen.

Mit einem solchen Maßnahmenbündel lasse sich die Effizienz der Umwelt- und Klimapolitik ohne kleinteiliges Regelwerk sichern, eine Verteilungswirkung hin zu kleinen Unternehmen und Geringverdienern erzielen und die durch die Corona-Krise stark belasteten Staatskassen schonen.

Mögliche positive Klimaeffekte aufgrund nachhaltiger Konsum- und Verhaltensänderungen durch die Corona-Krise sieht Löschel im dauerhaften Rückgang von Geschäftsreisen zugunsten von Videokonferenzen und in der gesteigerten Nachfrage nach inländischen Produkten oder Tourismusdienstleistungen.

Hier der komplette Vortrag mit anschließender Fragerunde als Video:

Weitere Infos zur IZA-Forschung „Corona-Krise und Arbeitsmarkt“: covid-19.iza.org

Filed Under: Opinion, Videos

Wie kommt der deutsche Arbeitsmarkt durch die Krise?

January 20, 2021 by Mark Fallak

Die Covid-19-Pandemie hat die deutsche Wirtschaft in eine schwere Krise gestürzt. Allerdings konnten die sozialen Sicherungssysteme, die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sowie die finanziellen Stützen der Bundesregierung einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit über das beobachtbare Maß hinaus verhindern. Darauf weist Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), im Rahmen der virtuellen IZA-Vortragsreihe zu den wirtschaftspolitischen Lehren aus der Pandemie hin.

Schwierigkeiten ergäben sich jedoch vor allem bei Neueinstellungen und auf dem unter rückläufigen Bewerberzahlen leidenden Ausbildungsmarkt, so Fitzenberger. Gründe dafür seien Unsicherheiten über die Zukunft einiger Branchen, der Ausfall von Maßnahmen zur Berufsorientierung, wie Messen, Praktika oder Beratungsgespräche, und damit einhergehend eine erschwerte Erreichbarkeit von Jugendlichen.

Schülerinnen und Schüler mit guten Leistungen würden daher zunehmend im Bildungssystem verbleiben und einen höheren Abschluss anstreben. Ein ähnlicher Anstieg der Hochschuleinschreibungen sei auch zwei Jahre nach der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 zu beobachten gewesen. Für leistungsschwächere Schüler hingegen wachse mit jedem Jahr die Konkurrenz um Ausbildungsplätze, so dass sich vielfach nur die Aussicht auf eine Beschäftigung im Niedriglohnsektor biete.

Eine weitere Folge der Pandemie sieht Fitzenberger in der beschleunigten digitalen Transformation der deutschen Wirtschaft und des Arbeitsmarkts. Im Berufsalltag habe sich gezeigt, dass die Nutzung digitaler Technologien in der Arbeitswelt effektiv sei. Traditionellere Modelle der Zusammenarbeit wie Dienstreisen würden daher wohl auch langfristig zurückgehen. Die Politik müsse diese Umstrukturierung begleiten, besonders durch eine Neugestaltung der Weiterbildungsangebote. Hierfür würden zwar umfangreiche Mittel bereitgestellt, jedoch sei die Nachfrage nach derartigen Programmen weiterhin zu gering.

Neben diesen Herausforderungen sieht Fitzenberger allerdings auch einen Hoffnungsschimmer: Dass sich die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal des letzten Jahres schnell erholt habe, spreche dafür, dass der deutsche Arbeitsmarkt und die Wirtschaft insgesamt nicht unter Strukturproblemen litten, die eine schnelle Erholung verhindern würden. Nach dem Ende der Pandemie sei daher durchaus mit einem schnellen konjunkturellen Aufschwung zu rechnen.

Hier der komplette Vortrag mit anschließender Fragerunde als Video:

Weitere Infos zur IZA-Forschung „Corona-Krise und Arbeitsmarkt“: covid-19.iza.org

Filed Under: Opinion, Videos

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