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IZA Newsroom

IZA – Institute of Labor Economics

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Wie lassen sich Resilienz und Wachstum in Deutschland stärken?

December 18, 2020 by Mark Fallak

In seinem Jahresgutachten vom November erwartete der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung für 2021 ein Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes von 3,7 Prozent nach einem Rückgang um 5,1 Prozent im laufenden Jahr.

Darauf werde der erneute Lockdown voraussichtlich keine massiven Auswirkungen haben, so der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Lars P. Feld, im IZA-Vortrag am 1. Dezember. Die Industrieproduktion sei weit weniger stark betroffen als im Frühjahr und profitiere von weitgehend robusten Märkten in China und den USA.

Die Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie seien in großen Teilen richtig und wirksam gewesen. Kritisch sieht Feld die Erhöhung des Lohnersatzes im Rahmen des Kurzarbeitergeldes von 60 Prozent auf 80 Prozent, die im Missverhältnis zum deutlich geringeren Arbeitslosengeld stehe und daher potenziell problematische Anreize setze.

Die konjunkturpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung – insgesamt mehr Licht als Schatten.

Zudem sei die Senkung der Mehrwertsteuer eine „teure, wenig zielgerichtete Maßnahme“, von der primär Wohlhabende profitierten, die sich größere Anschaffungen leisten könnten. In einer Umfrage hätten nur 11 Prozent der Befragten angegeben, ihren Konsum zu steigern oder für später geplante Ausgaben ins laufende Jahr vorzuziehen.

Um Unternehmen die Möglichkeit zu geben, ihre Verluste im kommenden Jahr mit Gewinnen von 2019 zu verrechnen, schlägt Feld eine zeitliche Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrages auf zwei Jahre vor. Sinnvoll sei zudem eine Senkung der Energiesteuer, um einen konjunkturellen Impuls zu setzen und gerade auch Geringverdiener zu entlasten.

Längerfristig müssten besonders Innovationen und Forschung in den Bereichen Digitalisierung und Infrastruktur sowie im Kampf gegen den Klimawandel gefördert werden, um das Wachstum nachhaltig anzuregen. Ein starkes Wachstum sei auch der Schlüssel zum Abbau der Staatsverschuldung nach der Pandemie. Steuererhöhungen seien das falsche Mittel, da sie das Wachstum eher hemmen würden.

Hier der komplette Vortrag mit anschließender Fragerunde als Video:

Weitere Infos zur IZA-Forschung „Corona-Krise und Arbeitsmarkt“: covid-19.iza.org

Filed Under: Opinion, Videos

Macht die Corona-Krise Deutschland ungleicher?

December 9, 2020 by Mark Fallak

Die Corona-Pandemie hat Geringqualifizierte besonders hart getroffen. Welche Folgen sich aus den aktuellen Entwicklungen in der Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem für die Ungleichheit in Deutschland ergeben, erklärt Andreas Peichl, Leiter des ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen, im Rahmen der virtuellen IZA-Vortragsreihe.

Ein großes Problem für die Forschung in Deutschland – im Vergleich etwa zu Skandinavien oder den USA – sei die mangelnde Verfügbarkeit von Echtzeitdaten zur Einkommens- und Vermögensentwicklung, so Peichl. Die aktuellsten Analysen beruhten meist auf mehrere Jahre alten Daten, was auch dazu führe, dass sich neue staatliche Ausgabenprogramme oft nicht auf eine fundierte empirische Grundlage stützten.

„Wir machen jetzt in gewissen Teilen Wirtschaftspolitik im Blindflug.“

Es sei jedoch davon auszugehen, dass die staatlichen Unterstützungsleistungen in der Krise einen unmittelbaren Anstieg der Einkommensungleichheit verhindern und womöglich sogar zu einem leichten Rückgang führen könnten, zumal am oberen Ende der Einkommensverteilung in diesem Jahr viele Boni und Dividenden wegfielen. Auch die Konsumungleichheit gehe eher zurück, da reichere Haushalte vermehrt sparen würden. Daraus dürfte sich wiederum mittelfristig ein spürbarer Anstieg der Vermögensungleichheit ergeben.

Bei der Frage, wie die Kosten der Krise in der Gesellschaft zu verteilen seien, hält Peichl eine Vermögensabgabe jedoch für ungeeignet, da die Erhebungskosten in keinem Verhältnis zum erzielbaren Steueraufkommen stünden. Stattdessen plädiert er für eine konsequentere Besteuerung von Vermögenseinkommen und Erbschaften.

„Man muss bei der Einkommenssteuer die ganzen Schlupflöcher schließen.“

Die Gefahr eines weiteren Auseinanderdriftens der Einkommen sieht Peichl insbesondere durch den Strukturwandel in der Arbeitswelt, etwa durch die Digitalisierung, die geringqualifizierte Jobs gefährde und andererseits besser bezahlte Stellen für IT-Fachkräfte schaffe. Um Beschäftigten die notwendige berufliche Neuorientierung zu erleichtern, könne eine Verknüpfung des Kurzarbeitergelds mit unternehmensunabhängigen Weiterbildungsprogrammen sinnvoll sein.

Darüber hinaus warnt Peichl vor den Effekten der Pandemie und den Krisenmaßnahmen auf die Chancengleichheit. So könne etwa weitere Kita- und Schulschließungen dazu führen, dass der Bildungserfolg von Kindern aus benachteiligten Schichten noch weiter zurückgehe.

Auch Frauen seien in dieser Krise stärker betroffen als in früheren Rezessionen, sowohl durch die Einschränkungen im Dienstleistungssektor als auch durch zusätzliche Belastungen bei der Kinderbetreuung. Längerfristig bestehe jedoch die Hoffnung, dass die vermehrte Homeoffice-Nutzung zu einer gleichberechtigteren Arbeitsaufteilung im Haushalt führe.

Hier der komplette Vortrag mit anschließender Fragerunde als Video:

Weitere Infos zur IZA-Forschung „Corona-Krise und Arbeitsmarkt“: covid-19.iza.org

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Zum Thema Sozialstaat und Ungleichheit hier der Vortrag von Andreas Peichl anlässlich der Jubliäumskonferenz „20 Jahre IZA“ im Juni 2018:

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Macht uns die Globalisierung verletzbar?

December 2, 2020 by Mark Fallak

Der Einbruch der industriellen Produktion in China zu Beginn der Corona-Krise war mit einiger Verzögerung auch in Deutschland schmerzhaft zu spüren: Die Masken wurden knapp, und viele Unternehmen mussten ihre Produktion herunterfahren, weil die Lieferungen aus China ausblieben. Das hat eine breite Diskussion über die Abhängigkeit offener Volkswirtschaften von globalen Lieferketten entfacht.

Im IZA-Vortrag wendet sich ifw-Präsident Gabriel Felbermayr gegen die Einschätzung, ein Rückzug aus der Weltwirtschaft würde die heimische Wirtschaft weniger verwundbar machen. Die internationale Arbeitsteilung biete eine gute Absicherung gegen länderspezifische Schocks wie Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen und schade auch bei simultanen Schocks wie im Falle der Corona-Pandemie nicht.

Wer keinen Zugang zu globalen Märkten und Technologien hat, kommt in aller Regel schwieriger durch Krisen.

Tatsächlich sei die Resilienz der Lieferketten größer als oft gedacht. So habe sich am Beispiel der Masken gezeigt, dass die Engpässe durch Produzenten in aller Welt schnell beseitigt worden seien. Auch gebe es nur wenige Produkte, die ausschließlich in einem bestimmten Land produziert würden. Entscheidend sei eine stärkere Diversifizierung sowohl auf der Makroebene, etwa durch Freihandelskommen, als auch auf der Mikroebene, indem Unternehmen auf mehrere Lieferanten setzen.

Die größere Sorge seien politische Risiken, „wenn Partner sagen, wir liefern nicht“. Die Schwächung der Welthandelsorganisation habe dazu geführt, dass opportunistisches Verhalten zunehme und Sanktionsmechanismen nicht mehr zuverlässig greifen würden. Das beste Rezept für Europa sei eine Stärkung des Binnenmarkts, weil dadurch die Verhandlungsposition verbessert und die Krisenanfälligkeit verringert werde.

Hier der komplette Vortrag mit anschließender Fragerunde als Video:

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Führt Corona zur Retraditionalisierung der Rollenverteilung in Familien?

November 20, 2020 by Mark Fallak

Wenn Männer in der Krise mehr Zeit mit Hausarbeit und Kinderbetreuung verbringen, wird das oft als Fortschritt auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Rollenverteilung dargestellt. Die Soziologin Jutta Allmendinger tritt dieser Einschätzung entschieden entgegen. Sie diagnostiziert im Gegenteil eine „Retraditionalisierung“ der Geschlechterrollen. In der IZA-Vortragsreihe zu den politischen Lehren aus der Corona-Krise begründet die WZB-Präsidentin ihre These anhand von empirischen Befunden.

Die flächendeckende Schließung von Kitas und Grundschulen habe für erwerbstätige Mütter neben dem „Entzug freier Zeit“ auch einen „Verlust an Optionen“ bedeutet. Alternative Konzepte zur Entlastung von Familien, etwa durch Studierende, deren bezahlte Nebentätigkeiten wegfielen, seien nicht einmal diskutiert worden. Auch in der aktuellen Diskussion um verlängerte Winterferien würden die Belange von Frauen nicht berücksichtigt.

„Die Belange von Frauen werden in der Diskussion um verlängerte Ferien nicht berücksichtigt.“

Wo sich Väter verstärkt in Haushalt und Betreuung engagierten, sei dies in der Regel kein innerfamiliärer „Verhandlungserfolg“ der Mütter, sondern der Situation geschuldet, dass die Frau etwa einer systemrelevanten Tätigkeit nachgehe, während der Mann in Heim- oder Kurzarbeit sei. Allmendinger spricht in diesem Zusammenhang von „erzwungener Partnerschaftlichkeit“. Ein weiteres Problem, unter dem in erster Linie Frauen leiden, sei die Zunahme häuslicher Gewalt aufgrund der Corona-Einschränkungen.

Im Trend zum Homeoffice sieht Allmendinger kaum Vorteile mit Blick auf die Gleichberechtigung. Der Gender Care Gap verringere sich dadurch nicht – Frauen im Homeoffice würden eher mehr unbezahlte Arbeit verrichten als weniger. Mangelnde „Sichtbarkeit“ würde sich zudem negativ auf die Karrierechancen auswirken.

„Es ist falsch anzunehmen, dass das Homeoffice die Glücksbringerin für Frauen ist.“

Hier der komplette Vortrag mit anschließender Fragerunde als Video:

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Bildung während und nach Corona: Auf dem Weg zu einer neuen Normalität?

November 13, 2020 by Mark Fallak

Die Corona-Krise hat das deutsche Bildungssystem kalt erwischt. Der weitgehend missglückte Umstieg aufs Homeschooling während der Schulschließungen führte zu einer Halbierung der Zeit, in der sich Kinder mit schulischen Dingen befassen, von 7,4 auf 3,6 Stunden täglich. Ganze sechs Prozent der Schülerinnen und Schüler hatten durchgängig Online-Unterricht. Regelmäßiger individueller Kontakt mit den Lehrkräften blieb die Ausnahme.

„Zunächst einmal müssen wir uns eingestehen, dass das Homeschooling nicht gut funktioniert hat.“

Diese Bilanz zog ifo-Bildungsexperte Ludger Wößmann im Rahmen der virtuellen IZA-Vortragsreihe zu den wirtschaftspolitischen Lehren aus der Corona-Krise. Die langfristigen wirtschaftlichen Folgekosten des Unterrichtsausfalls seien nicht zu unterschätzen: „Geht etwa ein Drittel eines Schuljahres an Lernen verloren, so zeigt die Forschung, dass dies im Durchschnitt mit rund drei Prozent geringerem Erwerbseinkommen über das gesamte Berufsleben einhergeht“, erklärt der Ökonom.

Daraus ergebe sich ein klarer Auftrag an die Bildungspolitik: „Kurzfristig müssen wir sicherstellen, dass alle Kinder in die Schule gehen können, wo immer das epidemiologisch machbar ist“, fordert Wößmann. Wo das nicht möglich sei, müsse täglicher Online-Unterricht organisiert werden, „statt die Kinder wieder allein zu lassen“.

„Kurzfristig müssen wir sicherstellen, dass alle Kinder in die Schule gehen können.“

Längerfristig, so hofft der Bildungsökonom, könne die „neue Normalität“ einen Schub für eine qualitativ hochwertige Nutzung von Digitalisierung in den Schulen bedeuten. Nötig seien dafür jedoch nicht nur gute Konzepte, sondern auch eine massiv ausgebaute Infrastruktur, ausreichend Endgeräte sowie Fortbildungen für Lehrkräfte. Entscheidend für den Erfolg dieser Maßnahmen sei eine zentrale Festlegung der Rahmenregelungen und Standards.

Hier der komplette Vortrag mit anschließender Fragerunde als Video:

Weitere Infos zur IZA-Forschung „Corona-Krise und Arbeitsmarkt“: covid-19.iza.org

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Die Corona-Krise auf dem Arbeitsmarkt: Aktuelle Einblicke aus den Niederlanden

October 28, 2020 by Mark Fallak

Das IZA Crisis Response Monitoring liefert eine unabhängige Bewertung der internationalen politischen Krisenreaktionen. Darüber hinaus haben wir für den IZA Newsroom einige unserer Länderexpertinnen und -experten nach ihren Einschätzungen zur Arbeitsmarktlage in ihrem Land gefragt. Egbert Jongen und Paul Verstraten vom Forschungsinstitut CPB erklären, wie sich der niederländische Arbeitsmarkt bislang in der Krise geschlagen hat.

Wie hat sich der Arbeitsmarkt in den Niederlanden in den letzten Monaten entwickelt?

EJ: Gemessen an dem massiven Einbruch der Wirtschaftsaktivität ist der Beschäftigungsrückgang vergleichsweise moderat ausgefallen. Von März bis Mai war etwa jeder dritte Arbeitnehmer in einem Unternehmen beschäftigt, das Kurzarbeit beantragt hat. Auch viele Selbstständige erhielten staatliche Unterstützung. Zusammen mit weiteren Politikmaßnahmen wie Steuerstundungen konnte auf diese Weise ein größerer Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert werden.

Wie wird die Arbeitsmarktlage in sechs bis zwölf Monaten aussehen?

PV: Mitte September haben wir im Macro Economic Outlook 2021 einen Ausblick für das nächste Jahr veröffentlicht. Unsere Basisprojektion geht von einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf 4,3 Prozent bis Ende des laufenden Jahres aus – nach einem historischen Tiefststand von 2,9 Prozent im Februar 2020. Für 2021 rechnen wir mit einem weiteren Anstieg auf rund sechs Prozent. Das wäre etwa ein halber Prozentpunkt weniger, als wir noch im August vorausgesagt hatten. Ein Grund dafür ist, dass die niederländische Regierung den Anspruch auf Kurzarbeitergeld zwischenzeitlich bis Juli 2021 verlängert hat. Im pessimistischeren Szenario mit einem weiteren Lockdown wäre aber auch eine Arbeitslosenquote von zehn Prozent im nächsten Jahr denkbar.

Im pessimistischen Szenario wäre eine Arbeitslosenquote von zehn Prozent im nächsten Jahr denkbar.

EJ: Für einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit spricht auch, dass uns die zweite Welle gerade mit voller Wucht trifft und die Aussichten für die kommenden Wintermonate nicht gerade rosig sind. Die Regierung hat die Zügel bereits wieder angezogen und weitere einschneidende Maßnahmen angekündigt, falls die Infektionskurve weiter ansteigt. Am 26. November wird unser Institut eine neue Projektion unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung vorlegen.

Welche Politikmaßnahmen wären jetzt besonders sinnvoll?

EJ: Da die Rezessionskurve keine V-Form hat und einige Sektoren dauerhaft unter der Krise leiden werden, sollte es nicht nur darum gehen, die Beschäftigung in den am stärksten betroffenen Branchen zu sichern, sondern eine Verlagerung von Arbeitskräften in produktivere Sektoren und Jobs zu fördern. Denn gerade im Bildungs- und Gesundheitswesen, aber auch in Technologiesektor, fehlt es ja an Personal. Wir sollten Unternehmen und Arbeitskräften also ausreichend Anreize für die notwendigen Anpassungsprozesse bieten und sie bei Weiterbildungs- und Rekrutierungsmaßnahmen unterstützen. Das passiert auch zum Teil schon.

Die Politik sollte Unternehmen und Arbeitskräfte bei Weiterbildungs- und Rekrutierungsmaßnahmen unterstützen.

Welche Aspekte der Krisenreaktion in den Niederlanden sind besonders bemerkenswert?

PV: Auffällig ist, dass die Zahl der Unternehmenspleiten nicht etwa gestiegen, sondern seit April sogar gesunken ist und im August auf dem niedrigsten Stand seit 21 Jahren lag. Das deutet darauf hin, dass das Rettungspaket der Regierung auch Unternehmen am Leben hält, die schon vor Corona in wirtschaftliche Schieflage geraten waren. Inwieweit das tatsächlich der Fall ist, werden wir erst in etwa neun Monaten wissen. Bis dahin wird die Förderung schrittweise ausgelaufen sein.

Auffällig ist, dass die Zahl der Unternehmenspleiten während Corona nicht gestiegen, sondern gesunken ist.

EJ: Bemerkenswert ist neben der erstaunlich schnellen Umsetzung weitreichender politischer Unterstützungsmaßnahmen auch die massive Verlagerung von Büroarbeit ins Homeoffice. Der Trend wird sicherlich auch nach Corona anhalten, denn vielen Unternehmen und Beschäftigten sind die enormen Chancen räumlich flexibleren Arbeitens erst in der Krise so richtig bewusst geworden.

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Die Corona-Krise auf dem Arbeitsmarkt: Aktuelle Einblicke aus Österreich

September 15, 2020 by Mark Fallak

Das IZA Crisis Response Monitoring liefert eine unabhängige Bewertung der internationalen politischen Krisenreaktionen. Darüber hinaus haben wir für den IZA Newsroom einige unserer Länderexpertinnen und -experten nach ihren persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen zur Arbeitsmarktlage in ihrem Land gefragt. Österreich hat durch den Corona-Hotspot Ischgl, der als europäisches Epizentrum der Pandemie gilt, traurige internationale Berühmtheit erlangt. Zur Lage auf dem österreichischen Arbeitsmarkt einige Fragen an René Böheim (JKU Linz) und Thomas Leoni (WIFO):

Wie hat sich der Arbeitsmarkt in Österreich in den letzten Monaten entwickelt?

RB: Die Arbeitslosenzahlen sind noch immer auf Rekordniveau, ebenso wie die Kurzarbeit, die bis mindestens Ende März 2021 verlängert wurde. Ich fürchte, wir werden noch eine Welle von Unternehmenspleiten erleben, die durch staatliche Rettungsprogramme nur aufgeschoben wurde. Vor allem die Bereiche Kultur und Tourismus wurden hart getroffen. Die Sommersaison hat es nicht besser gemacht.

Ich fürchte, wir werden noch eine Welle von Unternehmenspleiten erleben.

TL: Die enorme Ausweitung der Kurzarbeit hat zweifellos entscheidend zur Stabilisierung der Beschäftigung beigetragen. Inzwischen ist etwa die Hälfte der Arbeitskräfte, die im Lockdown ihren Job verloren hatten, wieder zurück in Beschäftigung. Das lässt hoffen. Allerdings sind die Arbeitsplatzverluste noch längst nicht kompensiert. Hinzu kommt der „Rückstau“ von Arbeitssuchenden aus der Zeit vor der Krise.

Wie wird die Arbeitsmarktlage in sechs bis zwölf Monaten aussehen?

RB: Vor allem für Jüngere und Geringqualifizierte, aber auch für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen wird das Arbeitslosigkeitsrisiko hoch bleiben.

TL: Wirtschaft und Arbeitsmarkt erholen sich nur sehr langsam und ungleichmäßig vom akuten Lockdown-Schock. Einzelne Sektoren wie der Tourismus und der Transportsektor, aber auch manche Industriebranchen, werden noch einige Monate zu kämpfen haben. Wir sehen Licht am Ende des Tunnels, aber es bleibt ein steiniger Weg, insbesondere für benachteiligte Arbeitsmarktgruppen.

Welche Politikmaßnahmen wären jetzt besonders sinnvoll?

RB: Aus meiner Sicht brauchen wir gezielte Programme für den Beschäftigungsaufbau, wobei es Mitnahmeeffekte zu vermeiden gilt, sowie effektive Qualifizierungsprogramme. Ich wäre auch dafür, Kurzarbeit stärker an Weiterbildungsmaßnahmen zu knüpfen.

Die Krise bietet auch eine Chance zur Umsetzung innovativer Politikansätze.

TL: Die Krise bietet auch eine Chance zur Umsetzung innovativer Politikansätze, beispielsweise gezielte Beschäftigungssubventionen für benachteiligte Arbeitsmarktgruppen oder auch attraktive Modelle zur Arbeitszeitreduzierung. Wichtig wird sein, gemeinsam mit den Sozialpartnern branchenspezifische Maßnahmen zu entwickeln. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wird es außerdem darauf ankommen, der Investitionsschwäche entgegenzuwirken, die wir im Privatsektor schon sehen und mit der wir angesichts wegbrechender Steuerreinnahmen auch auf kommunaler Ebene rechnen müssen.

Welche Aspekte der Krisenreaktion in Österreich sind besonders bemerkenswert?

TL: Beeindruckt hat mich, wie schnell und flexibel sich Unternehmen, Organisationen und Individuen an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst haben, im Lockdown aber auch danach. Ich denke da vor allem an die Übertragung von Arbeitsprozessen aus der realen in die virtuelle Welt. Das war ein Experiment, das sicherlich die Arbeitsorganisation der Zukunft nachhaltig beeinflussen wird. Persönlich fand ich es übrigens auch spannend zu beobachten, wie schnell Kinder lernen, ihre sozialen Kontakte online weiter zu pflegen.

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Die Corona-Krise auf dem Arbeitsmarkt: Aktuelle Einblicke aus Schweden

September 1, 2020 by Mark Fallak

Das IZA Crisis Response Monitoring liefert eine unabhängige Bewertung der internationalen politischen Krisenreaktionen. Darüber hinaus haben wir für den IZA Newsroom einige unserer Länderexpertinnen und -experten nach ihren persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen zur Arbeitsmarktlage in ihrem Land gefragt. Den Anfang machen Lena Hensvik und Oskar Nordström Skans von der Universität Uppsala mit aktuellen Einblicken aus Schweden. Die vergleichsweise laxe Corona-Politik der schwedischen Regierung wurde lange als Vorbild gehandelt, geriet dann aber zunehmend in die Kritik, als die Todeszahlen stiegen und die Wirtschaft trotzdem einbrach. Wir wollten von Lena und Oskar wissen, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt hat und was für die nächsten Monate zu erwarten ist.

Wie beurteilt ihr die aktuelle Arbeitsmarktlage in Schweden und die Rolle der Politik?

Lena: Wie fast überall war auch in Schweden die Lage anfangs ziemlich dramatisch. Denn auch wenn wir keinen offiziellen Lockdown hatten, sondern dringende „Empfehlungen“ zum Social Distancing, hatte das natürlich massive Auswirkungen auf das Verhalten der Menschen. Beispielsweise blieben die Restaurants zwar mit einigen Einschränkungen geöffnet, aber der Umsatz in der Gastronomie brach binnen einer Woche um 70 Prozent ein. So etwas bleibt nicht ohne ernsten Schaden für die Wirtschaft. Aber es geht langsam wieder bergauf.

Oskar: Die Kurzarbeit-Regelungen, die als Reaktion auf die Krise eingeführt wurden, haben sehr geholfen. Auch dank anderer Maßnahmen wie Kreditgarantien (die allerdings kaum genutzt wurden) konnten die Unternehmen zunächst abwarten, wie sich die Krise entwickelt, ohne gleich ihre Leute entlassen oder Konkurs anmelden zu müssen.

Die gesundheitlichen Folgen waren bei uns gravierender als bei unseren direkten Nachbarn.

Im europäischen Vergleich ist es Schwedens Wirtschaft noch relativ gut ergangen, aber auch nicht viel besser als unseren direkten Nachbarn, die deutlich schärfere Corona-Auflagen hatten. Die gesundheitlichen Folgen waren bei uns zwar gravierender, aber kein Vergleich zu Großbritannien oder einigen südeuropäischen Ländern, die noch restriktivere Maßnahmen hatten als unsere Nachbarn. Zum jetztigen Zeitpunkt lassen sich die Ländererfahrungen aber noch schwer vergleichen, und wir sind auch keine Gesundheitsexperten. Klar ist aber, dass all diese Dinge systematisch evaluiert werden müssen, wenn die Krise vorbei ist.

Wie wird der Arbeitsmarkt in sechs bis zwölf Monaten aussehen?

Lena: Wir gehen davon aus, dass sich die Lage allmählich entspannen wird. Es bleibt zu hoffen, dass viele der Jobs, die unter den Empfehlungen zum Social Distancing besonders gelitten haben, gerettet werden können. Die Wiederaufnahme des regulären Geschäftsbetriebs dürfte in Schweden etwas schleppender verlaufen als anderswo, weil es weniger formelle Restriktionen und dementsprechend auch keine formellen Lockerungen gibt.

Die einzige Hoffnung auf eine rasche Erholung am Arbeitsmarkt ist die Wiederbelebung der bestehenden Betriebe.

Oskar: Einige Branchen – zum Beispiel alles, was mit Veranstaltungen, Kultur und Reisen zu tun hat – werden noch lange zu kämpfen haben. Andere Dienstleistungsbereiche sehen schon wieder Licht am Ende des Tunnels. Das ist ungemein wichtig, denn die einzige Hoffnung auf eine rasche Erholung am Arbeitsmarkt ist die Wiederbelebung der bestehenden Betriebe. Neue Jobs zu schaffen und strukturelle Anpassungen vorzunehmen dauert immer deutlich länger.

Welche Maßnahmen würden dem schwedischen Arbeitsmarkt besonders helfen?

Oskar: Die Unternehmen brauchen mehr aktive Unterstützung, um aus der Krise zu kommen – wobei darauf geachtet werden muss, dass keine Fehlanreize gesetzt werden. Leistungen wie das Kurzarbeitergeld, die nur gezahlt werden, wenn die Produktion runtergefahren wird, bergen immer die Gefahr, dass sich die Rezession künstlich in die Länge zieht, weil Inaktivität subventioniert wird.

Unternehmen, die vorzeitig die Kurzarbeit beenden, sollten steuerlich entlastet werden.

Wir könnten uns stattdessen vorstellen, Unternehmen gezielt steuerlich zu entlasten, die vorzeitig von der Kurzarbeit in den Normalbetrieb zurückkehren. Auch die aktuell sehr großzügigen Regelungen im Krankheitsfall könnten wieder zurückgedreht und auf nachweislich Corona-Infizierte beschränkt werden, um übermäßige Fehlzeiten zu verringern, die den Aufschwung bremsen könnten.

Lena: Ähnliches gilt übrigens auch für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Alles, was der Wiederaufnahme produktiver wirtschaftlicher Aktivitäten förderlich ist, sollte Priorität haben.

Welche Aspekte der Krisenreaktion in Schweden findet ihr besonders bemerkenswert?

Oskar: Wie auch andere Länder hat die schwedische Regierung innerhalb kürzester Zeit ein umfangreiches Rettungspaket geschnürt. Aber auch die Unternehmen haben sich äußerst flexibel gezeigt und sind zum Teil sehr konstruktiv mit der Krise umgegangen. Zum Beispiel wurden Flugbegleiterinnen innerhalb von ein, zwei Wochen zu Pflegekräften umgeschult. Daraus können wir für die Zukunft einiges lernen.

Lena: Auch auf die universitäre Pflegeausbildung gab es einen regelrechten Run – die Anmeldungen sind um 30 Prozent gestiegen. Das ist ein gutes Zeichen, denn gerade in diesem Bereich mangelt es akut an qualifizierten Fachkräften.

Arbeitsuchende zeigen sich bereits flexibler und schwenken auf krisenfestere Branchen um.

Für ein aktuelles IZA Discussion Paper habe ich mit zwei Kollegen ausgewertet, wie sich das Jobsuchverhalten in Zeiten von Corona geändert hat. Dabei haben wir festgestellt, dass sich die Arbeitsuchenden bereits deutlich flexibler zeigen und zum Teil auf krisenfestere Branchen umschwenken. Das lässt hoffen, dass sich Angebot und Nachfrage auf dem Stellenmarkt relativ gut zueinander bringen lassen.

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Wie viel Homeoffice geht eigentlich?

April 29, 2020 by Mark Fallak

Das Homeoffice ist momentan in aller Munde. Aufgrund der Corona-Pandemie haben zahlreiche Beschäftigte in Deutschland ihren Arbeitsplatz vorübergehend nach Hause verlegt, um soziale Kontakte weitestgehend zu vermeiden. Für viele Eltern wäre die Kinderbetreuung bei geschlossenen Schulen und Kitas ohnehin gar nicht anders zu gewährleisten.

Schon wird gemutmaßt, der Homeoffice-Boom könnte auch nach Corona anhalten, zumal er den bislang an der Präsenzkultur festhaltenden Arbeitgebern vor Augen führe, dass von zu Hause aus mindestens ebenso produktiv gearbeitet werden könne. Auch viele Beschäftigte könnten auf den Homeoffice-Geschmack gekommen sein – geeignete Kinderbetreuung und schnelles Internet vorausgesetzt. Und schließlich würden die eingesparten Pendelwege und -zeiten der Umwelt wie auch der Freizeit zugutekommen.

Mehrheit bevorzugt den betrieblichen Arbeitsplatz

Allerdings ist Skepsis angebracht, ob sich die Telearbeit im großen Stil halten wird. In einer Beschäftigtenbefragung zu „Wünschen und Einstellungen zu mobilem Arbeiten und Homeoffice“ gab von den Beschäftigten, die zum Befragungszeitpunkt (Juni 2019) nicht im Homeoffice arbeiteten, nur eine Minderheit von etwa 38 Prozent an, dass sie dies gerne tun würden. Von der Mehrheit, die dem Homeoffice ablehnend gegenüberstand, gaben mehr als 60 Prozent an, dass ihnen der persönliche Kontakt mit Kollegen oder die Trennung von Arbeit und Privatleben sehr wichtig seien. Diese Einstellung dürfte sich auch durch die Corona-Erfahrung nicht grundlegend geändert haben. Im Gegenteil: Manch einer wird die genannten Vorzüge des betrieblichen Arbeitsplatzes gerade besonders vermissen.

Unabhängig davon, ob die Heimarbeit vom Arbeitgeber erlaubt oder vom Mitarbeiter gewünscht ist, stellt sich die Frage, wie viele berufliche Tätigkeiten sich überhaupt realistisch von zu Hause aus erledigen lassen. Eine aktuelle Untersuchung auf Basis der Daten der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 beziffert das Homeoffice-Potenzial aller Beschäftigten in Deutschland auf etwa 56 Prozent. Mehr als die Hälfte der beruflichen Tätigkeiten könnten demnach in den eigenen vier Wänden ausgeübt werden. Allerdings sei weniger als die Hälfte dieses Potenzials in der Vor-Corona-Zeit ausgeschöpft worden.

Eine Frage der Definition

Auf den ersten Blick erscheint das Potenzial erstaunlich hoch, wenn man an die vielen Nicht-Büroarbeitsplätze etwa im produzierenden Gewerbe, in der Gastronomie, im Einzelhandel oder in der Pflege denkt. Es stellt sich also zunächst eine Definitionsfrage: Geht es darum, dass gewisse Tätigkeiten gelegentlich in einem geringen Umfang auch von zu Hause aus erledigt werden können? Oder besteht ein echtes „Potenzial für Homeoffice“ erst dann, wenn der Arbeitsplatz vollständig und dauerhaft nach Hause verlegt werden kann?

Die BIBB/BauA-Befragung beinhaltet die Frage, ob für den Betrieb „wenn auch nur gelegentlich“ von zu Hause aus gearbeitet wurde. Etwa 11,1 Prozent der Beschäftigten gaben an, für ihren Betrieb „häufig“ oder gar „immer“ von zu Hause aus zu arbeiten, etwa jeder vierte Beschäftigte zumindest „selten“. Die übrigen drei Viertel, die „nie“ zu Hause arbeiten, wurden dann gefragt, ob ein Angebot des Betriebs angenommen würde, dies „zeitweise“ zu tun. Nur wenn die Antwortoption gewählt wurde, dass dies bei der Arbeit „nicht möglich“ sei, wird angenommen, dass bei der betreffenden Tätigkeit kein Homeoffice-Potenzial vorliegt. Für den Rest wird unterstellt, dass Homeoffice prinzipiell möglich wäre. Zusammen mit denjenigen Beschäftigten, die ohnehin zumindest gelegentlich zu Hause arbeiten, ergeben sich die besagten 56 Prozent.

Ausschlusskriterien für Heimarbeit

Dieser hohe Anteil dürfte allerdings eher die Obergrenze des Potenzials für Heimarbeit darstellen – und auch nur dann, wenn das gelegentliche Arbeiten außerhalb des Betriebs mit einbezogen wird. Um zu ermitteln, ob berufliche Aufgaben dauerhaft und vor allem auch in ihren Kerntätigkeiten im Homeoffice denkbar sind, bietet es sich an, die mit der aktuellen Beschäftigung einhergehenden Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen genauer zu untersuchen. Die BIBB/BauA-Erwerbstätigenbefragung erhebt beispielsweise ebenfalls, ob

  • die Arbeitszeit überwiegend im Freien verbracht wird,
  • die Tätigkeit nie die Nutzung eines Computers umfasst,
  • die befragte Person angab, dass bei ihrer Arbeit mindestens eine Tätigkeit oder Bedingung aus einer Liste von insgesamt neun Tätigkeiten und zehn Arbeitsbedingungen „häufig“ vorkommt, die plausibel nicht von zu Hause aus möglich sind. Dazu zählen beispielsweise das „Herstellen, Produzieren von Waren und Gütern“, das „Bewirten, Beherbergen, Speisen bereiten“, das „Arbeiten mit Öl, Fett, Schmutz, Dreck“ oder auch der „Umgang mit Mikroorganismen wie Krankheitserregern, Bakterien, Schimmelpilzen oder Viren“.

Geht man davon aus, dass diese Arten von Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen in aller Regel mit Heimarbeit inkompatibel sind, kommen nur 16,6 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse für eine Verlagerung ins Homeoffice in Frage. Es könnte also nur jeder sechste Beschäftigte häufiger oder regelmäßig von zu Hause aus arbeiten. Dieser relativ niedrige Wert liegt kaum über dem aktuellen Anteil der häufigen und permanenten Heimarbeiter und dürfte eher die Untergrenze darstellen. Die Spannbreite des Telearbeit-Potenzials ist also sehr groß, je nachdem wie eng die Definition der Homeoffice-Nutzung in Bezug auf Umfang und Häufigkeit gefasst ist.

Große Unterschiede nach Bildung und Region

Zudem zeigen sich deutliche Unterschiede je nach Bildungsgrad: Für die Gruppe der Beschäftigten ohne Hochschulabschluss, von denen nur 5,8 Prozent angaben, häufig oder immer von zu Hause aus zu arbeiten, ließe sich der Anteil auf maximal 11 Prozent erhöhen. Bei den Universitäts- oder Fachhochschulabsolventen wäre eine Steigerung der Homeoffice-Nutzung von 26,2 Prozent auf rund ein Drittel möglich. Das bedeutet umgekehrt: Für zwei Drittel der Hochgebildeten käme das Homeoffice, wenn überhaupt, nur gelegentlich als Alternative in Frage.

Auch geografisch ist das Homeoffice-Potenzial sehr unterschiedlich ausgeprägt – mit bis zu 20 bis 25 Prozent der Beschäftigten in den Ballungszentren und deutlich geringeren Werten in den ländlichen Regionen.

Diese Hürden dürften auf absehbare Zeit nicht fallen, selbst wenn sich die generellen Einstellungen zum Homeoffice durch die Krise nachhaltig ändern sollten. Mittelfristig ist aber durchaus denkbar, dass rezessionsbedingte strukturelle Anpassungen zulasten des produzierenden Gewerbes oder beschleunigte technologische Innovationen den Anteil von Tätigkeiten, die sich für mobiles Arbeiten eignen, steigern könnten – wenn sich beispielsweise automatisierte Produktionsabläufe in Zukunft auch vom heimischen Computer aus steuern und überwachen lassen.

Filed Under: Opinion

Wird Online-Lernen zum neuen Standard?

March 23, 2020 by Mark Fallak

Die Corona-Krise hat Schulen und Universitäten weltweit gezwungen, ihren Lehrbetrieb binnen kürzester Zeit auf digitale Fernangebote umzustellen. Schon wird diskutiert, inwieweit die unter Hochdruck eingeführten Online-Angebote nicht nur bei der Bewältigung der Krise helfen, sondern auch langfristig den Lehrbetrieb beeinflussen könnten. Aber wäre eine Ausweitung der digitalen Fernstudiums-Angebote überhaupt wünschenswert? Die bisherige ökonomische Forschung zum Thema zeichnet ein gemischtes Bild.

Online-Angebote erschließen neue Studierendengruppen

Ein wichtiger Vorteil von digitalen Fernstudiengängen besteht darin, dass sie einer breiteren Bevölkerungsschicht den Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen eröffnen. Menschen, die aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen, der Pflege von Angehörigen oder Kinderbetreuung daran gehindert sind, ein reguläres Präsenzstudium aufzunehmen, profitieren von der hohen Flexibilität digitaler Studiengänge.

Ebenso können Berufstätige, die sich universitär weiterbilden wollen, ein flexibles Fernstudium aufnehmen. In Zeiten des wachsenden Fachkräftemangels und der Akademisierung von immer mehr Berufszweigen ist somit eine Ausweitung der tertiären Bildung um diesen Personenkreis durch Mittel der Digitalisierung zweifellos wünschenswert.

In empirischen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass Studieninteressierte durchaus abschätzen können, ob digitale Fernstudienangebote für sie geeignet sind. So entsteht eine positive Selektion hinsichtlich der Lernfähigkeit in digitalen Umgebungen: Nur Studierende, die erwarten erfolgreich zu sein, nehmen die neuen Online-Angebote wahr. Umfangreiche Meta-Studien stellen somit auch wenig überraschend positive Zusammenhänge zwischen Online-Angeboten und Studienerfolg fest.

Nur experimentelle Ansätze können einen kausalen Effekt bestimmen

Ein einfacher Vergleich von Studienerfolg und Studienabbruch in Fern- und Präsenzstudiengängen gibt jedoch nicht unbedingt Aufschluss darüber, wie sich die im Zuge der Corona-Krise zwingend für alle eingeführten Online-Angebote auf den individuellen Studienerfolg auswirken werden. Studierende haben derzeit eben keine Wahl, sondern sind durch die aktuelle Lage gezwungen, Online-Angebote wahrzunehmen. Eine Selektion anhand persönlicher Erwartungen an die Passgenauigkeit der neuen Angebote findet dadurch praktisch nicht statt.

Für eine Folgenabschätzung der erzwungenen und weitestgehend verpflichtenden Einführung von Online-Angeboten ist es notwendig, den kausalen Effekt dieser Angebote auf den Studienerfolg zu bestimmen. Dazu muss, anders als beim reinen Vergleich der Online- und Präsenzstudierenden, eine mögliche positive Selbstselektion von Studierenden in die Online-Angebote ausgeschlossen werden. So lässt sich sicherstellen, dass sich Studierende in Online- und Präsenz-Angeboten weitestgehend gleichen.

Geeignete Feldexperimente oder quasi-experimentelle Ansätze  analysieren Situationen, in denen Studierende, wie auch jetzt durch die Corona-Krise, exogen und somit ohne Wahlmöglichkeit den neuen Angeboten ausgesetzt werden, während sie aber gleichzeitig mit einer Kontrollgruppe verglichen werden können, die weiterhin durch Präsenzangebote unterrichtet werden. Diese Ansätze nähern sich randomisierten Kontrollgruppendesigns an, wie sie etwa auch zur Bestimmung der Wirksamkeit von neuen Medikamenten genutzt werden.

Online-Angebote verringern die Studienleistung schwächerer Studenten

Eine umfangreiche ökonomische Literatur hat entsprechende Ansätze anhand von Situationen entwickelt, in denen etwa wegen zu hoher Nachfrage nach Lehrangeboten Teile des Studiums in Online-Angebote ausgelagert wurden. Diese Analysen liefern ein eher ernüchterndes Bild.

So erlitten etwa Studierende eines einführenden Mikroökonomie-Kurses, der als reine Online-Vorlesung angeboten wurde, im Vergleich mit Studierenden eines traditionellen Face-to-Face­-Formats substanzielle Einbußen bei der Abschlussnote. Solche negativen Effekte bestehen langfristig und führen zu höheren Studienabbruchquoten.

Problematisch ist vor allem, dass die negativen Auswirkungen von Online-Angeboten besonders akademisch schwächere sowie Studierende mit Sprachbarrieren zu treffen scheint. Bei Hybrid-Angeboten hingegen, die Online-Lernen mit traditionellem Face-to-Face-Unterricht kombinieren, sind solche negativen Auswirkungen nicht erkennbar.

Insgesamt ergibt sich aus all diesen Studien ein konsistentes Bild: Reine Online-Angebote ohne Wahlmöglichkeit verringern substanziell den Studienerfolg und führen zu einer Spreizung der Leistungen, verstärken also potenziell die gesellschaftliche Ungleichheit. Gründe für das schlechtere Abschneiden von Online- gegenüber Präsenz-Studierenden scheinen vor allem in Zeitrestriktionen außerhalb des Studiums sowie mangelnder Selbstorganisation zu liegen.

Nach der Krise sollten neue Angebote nicht automatisch zum Standard werden

Online-Angebote haben das Potenzial, neue Studierendengruppen zu erschließen und durch hohe Flexibilität auch Menschen ein Studium zu ermöglichen, denen durch familiäre, gesundheitliche oder berufliche Gründe ein Präsenzstudium nicht möglich ist. Aber die Lehre durch Online-Angebote ist mit Nachteilen verbunden, und akademisch schwächere Studenten profitieren nicht notwendigerweise von den neuen Angeboten.

Die nun unter dem Druck der Corona-Krise eingeführten neuen Lehrformate sollten daher möglichst mit begleitenden Face-to-Face-Angeboten, etwa über Videosprechstunden, kombiniert werden. Die persönliche Ansprache ist für schwächere Studierende mit Organisationsproblemen ein notwendiger Ankerpunkt, um bei fehlender sozialer Integration in Fernstudiengängen die Studienmotivation aufrechtzuerhalten.

Nach Bewältigung der Krise sollten die neuen Angebote, selbst wenn sie sich auf den ersten Blick zu bewähren scheinen, nicht einfach beibehalten oder gar zum Standard erhoben werden. Eine rigorose empirische Evaluation muss zeigen, ob die Vorteile einer höheren Flexibilität von Online-Angeboten die möglichen Nachteile durch reduzierten Lernerfolg und Chancengleichheit überwiegen. Ausgehend von der bisherigen Evidenz ist kaum anzunehmen, dass digitale Fernstudienformate auf absehbare Zeit geeignet wären, das traditionelle Präsenzstudium für breite Studierendengruppen zu ersetzen.

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