Heute hat die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), der auch IZA-Forschungsdirektor Holger Bonin angehört, ihr Jahresgutachten an die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, überreicht (Details siehe EFI-Homepage). Neben den Kernthemen technologische Souveränität, nachhaltiger Individualverkehr, Plattformökonomie und digitale Transformation im Gesundheitswesen widmet sich das Gutachten auch der Frage, wie sich die Fachkräftebasis in Deutschland vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung sichern lässt. Gerade der fehlende Nachwuchs im MINT-Bereich könnte Deutschland als Innovationsstandort auf Dauer gefährden, wenn die Politik nicht rechtzeitig gegensteuert. Im Podcast (hier zum Nachhören) erläutert Holger Bonin die Empfehlungen der Kommission.
Da die Babyboomer-Jahrgänge kurz vor dem Ruhestand stehen, sei „das nächste Jahrzehnt das Jahrzehnt der Fachkräftesicherung, weil wir große Lücken in der Erwerbsbevölkerung sehen werden“, so Bonin. Parallel zur Alterung der Gesellschaft finde eine massive strukturelle Transformation statt. Zwei seien Strukturwandelprozesse und entsprechende berufliche Anpassungen normal, jedoch „haben wir mit der Digitalisierung eine Herausforderung vor uns, die grundlegender ist. Die Digitalisierung erfasst alle Lebensbereiche. Das bedeutet, es entstehen komplett neue Geschäftsmodelle und neue berufliche Anforderungen.“ Um diesen Wandel erfolgreich zu bewältigen und die Fachkräfte der Zukunft für den internationalen Wettbewerb zu rüsten, müssten durch Bildung und Qualifizierung die Weichen frühzeitig gestellt werden.
Innovative Methoden und qualifiziertes Personal für Schule und Ausbildung
In diesem Zusammenhang lobt Bonin den Digitalpakt Schule, den die neue Bundesregierung bis 2030 fortsetzen möchte. Allerdings handele es sich dabei um eine reine Infrastrukturmaßnahme, die mit ausreichend technisch-qualifiziertem Personal begleitet werden müsse. Entscheidend sei, „dass das Lehrpersonal in die Lage versetzt wird, mit der technischen Ausstattung kompetent umzugehen.“ Neben innovativen Lehrkonzepten unter produktivem Einsatz digitaler Mittel brauche es auch „ein Nachsteuern bei den Lehrplänen, den Lehrinhalten und den Lehrmethoden.“ so Bonin. Nicht zuletzt sollte das Schulfach Informatik weiter gefördert werden und einen höheren Stellenwert im Curriculum einnehmen.
Gleichzeitig müsse die betriebliche Ausbildung für junge Menschen, aber auch für Unternehmen, attraktiver gestaltet werden, so Bonin. Durch eine gezieltere Berufsorientierung sollten Jugendlichen die Chancen der beruflichen Ausbildung verdeutlicht werden, beispielsweise die wichtige Rolle des Handwerks bei der Umsetzung großer transformativer Veränderungen wie die Anpassung an den Klimawandel. Gerade das deutsche System der dualen Ausbildung bringe im internationalen Vergleich „sehr leistungsfähige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ hervor.
Aber auch im Beruf werde in den nächsten Jahren die Anpassungsfähigkeit wichtiger, da viele bestehende Arbeitsplätze verschwinden werden, während an ganz anderen Stellen der Wirtschaft wiederum neue entstehen. Berufliche Anpassungsfähigkeit bedeute dabei nicht nur, mit neuen technischen Entwicklungen umgehen zu können. Ebenso gefragt sei die Vermittlung von Soft Skills, die mit zunehmendem Alter immer schwerer zu erlernen seien.
Arbeitslosigkeit durch präventive Brückenlösungen vermeiden
Zur Förderung der Weiterbildung von Beschäftigten befürwortet die EFI-Kommission außerdem sogenannte präventive Brückenlösungen. Zwar ermögliche das Qualifizierungschancengesetz Arbeitnehmern, deren Arbeitsplatz durch die transformativen Wandel stark verändert oder zunehmend gefährdet ist, eine Weiterbildung in ihrem Unternehmen. Allerdings fehle es bilang an unterstützenden Maßnahmen, die „den Wechsel von einem Arbeitgeber zum nächsten vorbereiten, ohne dass dazwischen Arbeitslosigkeit entsteht, und wo dieser Wechsel eine Höher- oder Umqualifizierung erfordert“, erläutert Bonin.
Insgesamt erhofft sich Bonin, dass wir am Ende der jetzigen Legislaturperiode „eine wirklich umfassende Strategie etabliert haben, die sich einerseits der Lösung der Migrationsfrage zuwendet und andererseits dafür sorgt, dass wir eine Entwicklung auf den Weg bringen, bei dem wir die berufliche Aus- und Weiterbildung schulen und die Hochschulen leistungsfähiger, bedarfsgerechter und auch sozial durchlässiger werden“.