Passt das Job-Profil nicht zum Naturell eines Arbeitnehmers, leidet die Arbeitszufriedenheit. Der Unterschied in der Zufriedenheit gegenüber einem Job, bei dem Verantwortung, Autonomie, Arbeitszeit- und Homeoffice-Regelungen den individuellen Präferenzen entsprechen, ist etwa vergleichbar mit dem Unterschied in der Lebenszufriedenheit zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen. Das ist ein erstes Ergebnis der Studie „Arbeiten in Deutschland“, die das IZA und die XING AG jetzt in Berlin vorgestellt haben.
Zu den Folgen der Digitalisierung, die mit ihren verschiedenen Facetten den Wandel der Arbeitswelt vorantreibt, zählen die zunehmende Verlagerung unternehmerischer Risiken auf Arbeitnehmer und ein wachsender Qualifikationsdruck. Dadurch entstehen sowohl Chancen durch mehr Entscheidungs-spielräume als auch Gefahren durch Überforderung. Wie sieht die arbeitende Bevölkerung in Deutschland vor diesem Hintergrund ihre Zukunft? Dazu haben IZA und XING unter dem Titel „Arbeiten in Deutschland“ eine breit angelegte Studie mit mehr als 8.000 befragten Personen auf den Weg gebracht.
Flexibles Arbeiten inzwischen weit verbreitet
Erste Ergebnisse zeigen ein hohes Maß an individuellen Freiräumen bei den abhängig Beschäftigten. Unter den befragten Arbeitnehmern haben 21% keine festen Arbeitszeiten, 32% können zumindest teilweise mobil oder im Homeoffice arbeiten, 72% tragen nach eigener Einschätzung ein hohes Maß an Verantwortung, und 60% können den Ablauf ihrer Arbeit grundsätzlich selbst bestimmen. Wer mehr zeitliche und räumliche Flexibilität, Verantwortung und Autonomie hat, ist im Durchschnitt auch zufriedener mit dem Job.
Die moderne Arbeitswelt kommt also den Wünschen vieler Menschen entgegen. Dennoch bleibt ein nicht zu vernachlässigender Anteil von Beschäftigten, die feste Strukturen und Vorgaben in ihrem Job bevorzugen und sich von „weicheren“ Vorgaben eher herausgefordert oder sogar überfordert fühlen. Mehr Freiräume entsprechen also nicht dem Naturell aller Menschen, was sich auf die Arbeitszufriedenheit auswirkt.
Das Beispiel der Verantwortungsdelegation verdeutlicht diesen Zusammenhang: 57% der abhängig Beschäftigten tragen viel Verantwortung und fühlen sich damit wohl. 19% tragen wenig Verantwortung und sind damit ebenfalls zufrieden bzw. finden sich damit ab, da ihr Job in dieser Hinsicht keine Veränderung erlaubt. Für diese beiden Gruppen entspricht also das ihnen übertragene Ausmaß an Verantwortung – ob viel oder wenig – dem jeweiligen Naturell.
Mehr Freiheit im Job macht nicht immer glücklich
Allerdings sind 15% der Beschäftigten mit ihrer hohen Verantwortung unzufrieden, während 9% nach eigener Einschätzung wenig Verantwortung tragen und gerne mehr hätten. Bei jedem vierten Beschäftigten passt also das tatsächliche nicht zum gewünschten Maß an Verantwortung.
Ähnlich verhält es sich mit Arbeitszeitflexibilität und Autonomie, wo bei 23% bzw. 25% der Beschäftigten das vorhandene Ausmaß nicht den individuellen Präferenzen entspricht. Die Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten oder Homeoffice kommen sogar zu 55% nicht den Wünschen der Arbeitnehmer nach.
In diesen Fällen liegt also ein „Mismatch“ zwischen Job-Profil und individuellen Präferenzen vor, der sich in einer deutlich geringeren Arbeitszufriedenheit ausdrückt: Auf einer 5-Punkte-Zufriedenheitsskala macht es im Durchschnitt einen ganzen Punkt aus, ob jemand gerne oder ungerne flexibel arbeitet. Diese Diskrepanz entspricht etwa dem in anderen Studien gemessenen Unterschied in der Lebenszufriedenheit zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen – nach Einschätzung der Forscher ein „alarmierendes Ergebnis“.
Bedürfnisse der Arbeitnehmer stärker berücksichtigen
Die allgemeine Arbeitszufriedenheit hängt also nicht allein von den Eigenschaften eines Jobs ab, sondern auch davon, wie sehr diese Eigenschaften den Präferenzen des jeweiligen Arbeitnehmers entsprechen. Beschäftigte mit engen Vorgaben und wenig Verantwortung können grundsätzlich genauso zufrieden mit ihrer Arbeit sein wie Arbeitnehmer mit viel Flexibilität und viel Verantwortung.
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse sollten Arbeitgeber daher einerseits Bewerber noch sorgfältiger auswählen und verstärkt darauf achten, dass das Stellenprofil auch in Aspekten wie Flexibilität, Verantwortung und Autonomie den individuellen Präferenzen entspricht. Andererseits könnten Coaching- und Mentoring-Angebote einem „Mismatch“ entgegenwirken, wenn etwa einem Arbeitnehmer mehr Verantwortung oder Autonomie übertragen werden soll.
IZA-Chef Hilmar Schneider: „Der Trend zu mehr Verantwortung, Flexibilität und Autonomie ist nicht pauschal als positiv oder negativ zu bewerten. Unsere Ergebnisse zeigen: In der Arbeitswelt der Zukunft mit immer vielfältigeren Erwerbsformen und Tätigkeitsprofilen wird es noch mehr als bislang darauf ankommen, dass die Ausgestaltung des Jobs zu den individuellen Wünschen und Bedürfnissen passt.“