„Mitarbeiter gesucht“ – was Passanten derzeit an vielen Bäckereien, Friseursalons und anderen Betrieben begegnet, ordnet Simon Jäger im SPIEGEL-Interview vom 31. Januar 2023 aus wissenschaftlicher Sicht ein. Der MIT-Ökonom, der seit September 2022 das IZA leitet, hebt die Wirksamkeit eines marktwirtschaftlichen Instruments besonders hervor: höhere Löhne.
Wir wissen aus Studien, dass Menschen auf Arbeitsplätze wechseln, die gute Löhne und Arbeitsbedingungen bieten – und dort auch seltener kündigen.
Zunächst weist Jäger darauf hin, dass die Beschäftigung einen historischen Höchststand erreicht habe, während die Reallöhne zuletzt gesunken seien: „Das passt nicht zu der These des Fachkräftemangels.“ Im Niedriglohnbereich stagnierten die realen Einkommen sogar seit Jahrzehnten. „Gerade dort, wo Löhne niedrig waren, ist nun aber der Druck besonders groß“, so Jäger. Mit Blick auf bessere Arbeit könnten daher „die Preissignale, die der Markt sendet, auch gesellschaftlich erwünscht sein.“
Auch beim Thema Erwerbsmigration sieht Jäger die Unternehmen in der Pflicht. Im Wettbewerb um hochqualifizierte internationale Beschäftige seien gerade diejenigen Standorte attraktiv, die „höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und langfristige Perspektiven“ anbieten können. Das inländische Potenzial wiederum ieße sich mit einer höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen besser nutzen, doch hier stehe der Staat mit dem Ehegattensplitting „selbst auf der Bremse“.
In Zukunft gehe es bei all diesen Fragen aber auch darum, knappe Arbeitskräfte dort einzusetzen, „wo sie den höchsten Mehrwert schaffen.“ Die Gesellschaft müsse für sich entscheiden, ob sie bereit sei, als besonders wichtig erachtete Bereiche wie Bildung und Pflege mit den dafür notwendigen Ressourcen auszustatten. „Es gibt nichts umsonst. Das ist der Kern“, so Jäger.
Die Niedriglohnfalle am unteren Ende der Lohnverteilung hat also auch etwas mit der Transparenz der Löhne zu tun.
Um einen Ausweg aus dem Niedriglohnsektor zu eröffnen, verwies der IZA-Chef auf eigene Forschungsergebnisse, nach denen beispielsweise eine höhere Lohntransparenz helfe. So würden mehr Informationen über Verdienstaussichten in ähnlichen Jobs dazu führen, dass die Beschäftigten nachverhandeln oder verstärkt nach anderen Stellen suchen.
Insgesamt könnte diese erweiterte Flexibilität dazu führen, dass deutschlandweit mehr gearbeitet wird.
Mehr Flexibilität bei der Gestaltung des Arbeitsalltags könne laut Jäger insgesamt eine Aufstockung der Arbeitsstunden begünstigen. Insbesondere Frauen würden davon profitieren. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten für ältere Beschäftigte könne auch die Debatte um das Renteneintrittsalter entspannen, wenngleich das Eintrittsalter für die langfristige Stabilisierung des Rentensystems eine relevante Stellschraube bleibe, so der IZA-Chef.