In der heutigen Zeit wird die Bedeutung von bezahlter Arbeit stark hinterfragt – nicht nur wegen wirtschaftlicher Veränderungen und neuer Technologien, sondern auch aus Sicht der Menschen selbst. Für viele steht dabei einiges auf dem Spiel: Denn Arbeit ist nicht nur Lebensgrundlage, sie prägt auch unseren Alltag, unsere Identität – und sie beeinflusst, wie wir unser Leben außerhalb der Arbeit gestalten.
Wie ich in meinem neuen Buch „The Future of Work Environments: Creating Livable and Productive Working Habitats“ (Edward Elgar, 2025) zeige, wird bezahlte Arbeit auf absehbare Zeit weiter eine zentrale Rolle spielen. Der Kapitalismus wird nicht plötzlich verschwinden – und damit auch nicht das klassische Arbeitsverhältnis. Worüber wir uns also Gedanken machen sollten, ist nicht das Ende der Arbeit, sondern vielmehr die Art der Arbeit und die Bedingungen, unter denen wir sie leisten.
Menschliche Arbeit in Zeiten der Automatisierung
Besonders gefragt ist menschliche Arbeit dort, wo Maschinen an ihre Grenzen stoßen – also da, wo Kreativität, soziale Intelligenz oder Erfahrung zählen. Genau an dieser Schnittstelle zwischen Mensch und Technik wächst die Arbeit der Zukunft. Je mehr sich Maschinen weiterentwickeln, desto wichtiger wird das, was nur Menschen können.
Unsere Arbeitswelt verändert sich entlang dieser Grenze. Wer aktiv an der Gestaltung seiner Arbeit beteiligt ist, wird weniger leicht ersetzbar. Es lohnt sich also, Arbeit bewusst zu formen – sowohl technisch als auch menschlich.
Wie könnte die Zukunft aussehen?
Auch wenn der Kapitalismus bestehen bleibt, ist er nicht in Stein gemeißelt. Es gibt verschiedene Richtungen, in die sich unsere Arbeitswelt entwickeln kann. Eine düstere Variante wäre ein radikaler Kapitalismus mit starker Hierarchie und wenig Spielraum für die Einzelnen – altbekannte Bürokratie trifft auf neue, strenge Menschenführung. Auf der anderen Seite steht das Modell eines menschlicheren Kapitalismus, mit faireren Bedingungen, besseren Organisationen und mehr Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung.
Wahrscheinlich wird es auf eine Mischform hinauslaufen – mit Licht und Schatten. Wichtig ist, dass wir als Gesellschaft mitentscheiden, in welche Richtung es gehen soll.
Drei Ebenen, die sich gegenseitig stärken
Um gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, braucht es ein Zusammenspiel von drei Ebenen: Die Politik als Rahmengeberin, die Unternehmen als Gestalter des Arbeitsalltags – und schließlich dei Individuen mit ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen.
Wenn diese drei Ebenen gut zusammenwirken, entsteht ein stabiles Fundament für lebenswerte Arbeitswelten. Eine gerechtere Arbeitswelt mit weniger Ungleichheiten bedeutet auch: Weniger Druck, sich auf Biegen und Brechen durchsetzen zu müssen. Menschen könnten besser leben – ohne Angst vor dem sozialen Abstieg.
Gute Institutionen helfen dabei: Sie schaffen Räume, in denen man arbeiten und leben kann, mit möglichst viel Freiheit – und ohne unnötige Hürden.
Was gute Politik leisten kann
Politik kann die Richtung vorgeben – auch wenn sie nicht jede Entwicklung im Detail steuern kann. Sie kann dafür sorgen, dass es mehr „gute Arbeit“ gibt: Tätigkeiten, die nicht rein maschinell ersetzbar sind, und in denen Menschen sich weiterentwickeln können. Sie kann Machtverhältnisse ausbalancieren, Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern und soziale Absicherung schaffen.
Gute Rahmenbedingungen – etwa bei Löhnen, Weiterbildung oder Mitbestimmung – stärken nicht nur einzelne Gruppen, sondern die Gesellschaft als Ganzes. Politik ist damit mehr als Verwaltung – sie wird zum Produktivfaktor für die Arbeitswelt.
Unternehmen als Orte gemeinsamer Arbeit
Idealerweise sind Unternehmen Orte, an denen Menschen gemeinsam an etwas arbeiten – ohne starre Hierarchien, mit mehr Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Das funktioniert natürlich nur, wenn Mitarbeitende Verantwortung übernehmen und ihre Fähigkeiten einbringen können. Selbstorganisation ist gefragt – aber auch Unterstützung.
In solchen „Werkstätten der Zukunft“ wird Arbeit zwar nicht weniger anstrengend, aber sie wird sinnvoller. Sie fühlt sich weniger sinnlos oder fremdbestimmt an. Dafür braucht es aber auch faire Bedingungen, breit verteilte Qualifikationen und die passenden politischen Rahmenbedingungen.
Menschliches Kapital: Was jeder mitbringt
In der heutigen Arbeitswelt ist jeder ein Stück weit sein eigener „menschlicher Kapitalist“ – auch wenn der Begriff vielleicht etwas sperrig klingt. Gemeint ist: Jeder bringt Wissen, Fähigkeiten und Selbstorganisation mit, um sich in der Arbeitswelt zurechtzufinden. Das gilt nicht nur im Job, sondern auch an der Grenze zwischen Arbeit und Privatleben.
Gerade diese Grenze ist wichtig: Nicht alles muss Arbeit sein. Es braucht auch Abstand, Auszeiten – ein „Hinterland“, das uns schützt vor Überforderung und Dauerstress. Menschen haben die Fähigkeit, ihre Arbeit aktiv zu gestalten – besonders dann, wenn das Umfeld es zulässt.
Ein hoffnungsvoller Ausblick
Ich bin überzeugt: Wenn Politik, Unternehmen und Individuen gut zusammenwirken, können wir zuversichtlich in die Zukunft schauen. Je besser die Bedingungen sind, desto eher gelingt es Menschen, ihr eigenes Arbeitsumfeld mitzugestalten – und sich dort wohlzufühlen.
Natürlich wird die Zukunft nie genau so aussehen, wie wir sie uns vorstellen. Aber gerade das macht sie spannend. Ungewissheit ist auch ein Zeichen für Offenheit – für Möglichkeiten. Und je mehr auf dem Spiel steht, desto wichtiger ist die Vorstellung eines guten Arbeitslebens.
Ein gutes Arbeitsumfeld – in dem man arbeiten und leben kann – ist eine Art Rettungsanker. Eine Chance, die Zukunft so lebenswert zu gestalten, wie es eben möglich ist.
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