Anlässlich des heutigen Equal Pay Day, der symbolisch den Tag markiert, bis zu dem Frauen statistisch gesehen „umsonst“ arbeiten, während Männer seit dem 1. Januar für ihre Arbeit bezahlt werden, wird vermehrt über das Ausmaß der Entgeltlücke und mögliche Maßnahmen zu ihrem Abbau diskutiert. Tatsächlich suggeriert der „Gender Pay Gap“ von zuletzt immer noch 21 Prozent ein beträchtliches Maß an Ungleichbehandlung auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Doch Diskriminierung durch Arbeitgeber taugt nur bedingt als Erklärungsansatz.
Denn laut Statistischem Bundesamt lassen sich drei Viertel des unbereinigten Gender Pay Gap auf strukturelle Unterschiede zurückführen: Die wichtigsten Gründe für die Differenzen der durchschnittlichen Bruttostundenverdienste sind Unterschiede in den Branchen und Berufen, in denen Frauen und Männer tätig sind, sowie ungleich verteilte Arbeitsplatzanforderungen hinsichtlich Führung und Qualifikation. Darüber hinaus sind Frauen häufiger als Männer in Teilzeit oder geringfügig beschäftigt.
Auszeiten vom Arbeitsmarkt kommen teuer zu stehen
Aus diesem Grunde stoßen gesetzliche Regelungen zur Lohngleichheit auch an ihre Grenzen, wie IZA-Fellow Solomon W. Polachek in einem Gastbeitrag verdeutlicht. Der Professor der Binghamton University im US-Bundesstaat New York gilt als einer der weltweit anerkanntesten Experten zum Thema. Am Beispiel der USA, wo die Lohnlücke mit 22 Prozent ähnlich ausgeprägt ist wie in Deutschland, erklärt Polachek, wie sich die Lücke je nach Alter und Familienstand unterscheidet. Demnach verdienen vollzeitbeschäftigte junge Single-Frauen in Metropolregionen teils sogar deutlich mehr als ihre männlichen Kollegen.
Ehe und Kinder führen hingegen zu einem drastischen Anwachsen der Lohnlücke. Laut Polachek zählen unterbrochene Erwerbsbiografien aufgrund familienbedingter Auszeiten zu den Hauptgründen für Lohnnachteile, da sich die entgangene Arbeitserfahrung negativ auf Produktivität und Verdienstchancen auswirke. Bessere Kinderbetreuungsangebote und steuerliche Anreize für eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen seien geeignet, die Geschlechterlücke bei der Lebensarbeitszeit – und damit auch bei den Löhnen – zu reduzieren, so Polachek. Lohngleichheitsgesetze seien vergleichsweise wenig effektiv.
Lesen Sie auch den Übersichtsartikel von Solomon Polachek bei IZA World of Labor:
Equal pay legislation and the gender wage gap
Kurze Wege und flexible Zeiten statt hoher Löhne
Mit der gleichen Thematik beschäftigt sich ein Artikel von Boris Hirsch (Leuphana Universität Lüneburg und IZA). Er verweist auf aktuelle Studien, nach denen ein Teil der Lohnlücke damit zu erklären ist, dass Arbeitgeber ihre stärkere Verhandlungsposition gegenüber Frauen ausnutzen. Denn aufgrund familiärer Verpflichtungen, so Hirsch, legten Frauen tendenziell mehr Wert auf kurze Arbeitswege und flexible Arbeitszeiten als auf hohe Löhne. Der Experte sieht daher ebenfalls mehr Potenzial in der Förderung von Kinderbetreuung und flexiblen Arbeitszeitmodellen als in gesetzlichen Regelungen zur Lohngleichheit.
Weniger offensives Auftreten in Vertrags- und Gehaltsverhandlungen
Ein weiterer gängiger Erklärungsansatz für die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen sind Geschlechterunterschiede beim Wettbewerbsverhalten. Laut Mario Lackner (Johannes Kepler Universität Linz) legen zahlreiche Labor- und Feldexperimente nahe, dass Frauen zurückhaltender beim Einfordern von Lohnerhöhungen sind und sich seltener um Stellen mit flexiblen, verhandelbaren Gehältern bewerben.
Sein Artikel weist zudem darauf hin, dass sich Unterschiede in der Durchsetzungsfähigkeit bereits in der frühen Kindheit entwickeln und einen prägenden Einfluss auf die spätere berufliche Laufbahn haben. Maßnahmen zur Stärkung des Wettbewerbsverhaltens müssten daher bereits früh im Bildungssystem ansetzen. Allerdings gibt Lackner zu bedenken, dass der Einfluss auf die Lohnungleichheit wissenschaftlich umstritten sei. Fraglich sei auch, ob ein Anpassen der Frauen an das Konkurrenzdenken und die bei Männern häufig zu beobachtende Selbstüberschätzung überhaupt erstrebenswert sei.
Lesen Sie mehr auf der Themenseite von IZA World of Labor: