Der aktuelle Hype um die Folgen von Digitalisierung und Automatisierung konzentriert sich auf die Frage, welche Jobs bis wann wegfallen, weil sie von Computern und Maschinen übernommen werden. Doch weder seien die bisherigen Antworten überzeugend, noch sei das überhaupt die entscheidende Frage, schreibt IZA-Experte Werner Eichhorst in einem Beitrag für den World Commerce Review.
Unbestritten sei, dass klassische Berufe mit hohem Anteil an Routinetätigkeiten – von der industriellen Fertigung bis hin zu Finanzdienstleistungen – früher oder später in dem Maße automatisiert würden, wie es technisch machbar, ökonomisch effizient und gesellschaftlich akzeptabel sei.
Umso mehr werde es darauf ankommen, den Menschen in die Lage zu versetzen, seine ureigenen Stärken gegenüber der maschinellen Konkurrenz auszuspielen: Kreativität, kritisches Denken, komplexe Problemlösung, aber auch soziale Interaktion und Empathie.
Weniger Kontrolle, mehr Vertrauen
Dazu bedarf es laut Eichhorst eines Arbeitsumfeldes, das auf Vertrauen, Kooperation und Eigenverantwortung setze, weniger auf Weisung und Kontrolle. Zwar sei diese Erkenntnis inzwischen schon in vielen Unternehmen angekommen. Doch bislang bleibe es allzu oft bei Lippenbekenntnissen. Denn der Abschied von etablierten Hierarchien und liebgewonnenen Führungsroutinen falle schwer. So werde nach wie vor viel produktive Energie in Aufstiegsambitionen und interne Machtkämpfe investiert statt in Arbeitsergebnisse und Innovationen.
Für Eichhorst bietet das „Werkstattmodell“ des traditionellen Handwerks viel Zukunftspotenzial: Spezialisten mit bestimmten Fertigkeiten widmen ihre Produktivität dem eigentlichen Arbeiten und nutzen Erfahrung und Intuition, um Prozesse eigenständig weiterzuentwickeln. Dabei kooperieren sie flexibel mit anderen, ohne dass es einer hierarchischen Führungsstruktur und ausgefeilter Kontrollsysteme bedarf.
Ein solches Organisationsmodell sei in vielen Bereichen denkbar, nicht nur bei hochqualifizierten Tätigkeiten oder im klassischen Handwerk. Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmenserfolg statt leistungsabhängiger Vergütung könnte zusätzlich dazu beitragen, Gemeinschaftsorientierung mit mehr Autonomie zu vereinbaren. Eichhorsts Fazit: „Lasst die Menschen einfach ihre Arbeit machen – sie wissen selbst am besten, was zu tun ist.“