Von staatlicher Seite wurde in den letzten Jahren unter Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel die Kinderbetreuung massiv ausgebaut, insbesondere für die unter Dreijährigen. Im internationalen Vergleich waren diese Investitionen überfällig: In Frankreich oder den skandinavischen Ländern ist ein gutes Betreuungsangebot für Vorschulkinder schon seit vielen Jahren Standard.
Die damit verbundene Hoffnung war, nicht nur Kindern den Zugang zu einer qualitativ hochwertigen, außerhäuslichen Betreuung zu ermöglichen, sondern auch die Frauenerwerbstätigkeit zu erhöhen und damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Denn noch immer arbeiten in Deutschland die meisten Frauen mit kleinen Kindern gar nicht oder in Teilzeit. Ein oft angeführter Grund ist das Fehlen einer zuverlässigen und erschwinglichen Kinderbetreuung.
In einer aktuellen Studie untersuchen Anna Busse und IZA-Fellow Christina Gathmann (beide Universität Heidelberg), wie sich die in vielen Bundesländern zwischen 2000 und 2015 umgesetzte Abschaffung der Gebühren für Kindergärten und Kindertagesstätten auf die Betreuungssituation, Erwerbstätigkeit und kindliche Entwicklung ausgewirkt hat. Das letzte Kindergartenjahr ist inzwischen in neun der elf alten Bundesländer beitragsfrei. Drei dieser Länder haben die Beitragsfreiheit bereits auf jüngere Kinder ausgeweitet.
Die Forscherinnen zeigen, dass nur die Besuchsquoten für Zwei- und Dreijährige stark ansteigen, während in dieser Altersgruppe die alleinige Betreuung zu Hause zurückgeht. Für ältere Kindergartenkinder sind die Besuchsquoten im Durchschnitt schon vor der Einführung eines beitragsfreien Kindergartenjahres so hoch, dass es dort kaum Veränderungen gibt.
Kita-Beitragsfreiheit führt zu Mitnahmeeffekten
Jedoch erhöht sich für Kinder aus ärmeren Familien nach den Reformen die Wahrscheinlichkeit, eine Betreuungseinrichtung zu besuchen. Diese Entwicklung bewerten die Autorinnen positiv, da Kinder aus ärmeren Bevölkerungsschichten in einem qualitativ hochwertigen Betreuungsangebot besser ihre Fähigkeiten und Kompetenzen entwickeln können. Insgesamt hat die Einführung der Beitragsfreiheit aber vor allem Mitnahmeeffekte für Familien, die zwar das Familienbudget erhöhen, die gewählte Kinderbetreuung aber nur unwesentlich beeinflussen.
Zudem lassen sich kaum positive Wirkungen auf die Erwerbsbeteiligung oder die wöchentlichen Arbeitsstunden von Müttern feststellen. Eher scheinen Familien das zusätzliche Einkommen zu nutzen, um das Arbeitsangebot von Müttern zu verringern. Das Ziel, durch die Bereitstellung beitragsfreier Betreuungsplätze die Erwerbstätigkeit und damit die ökonomische Eigenständigkeit von Frauen, vor allem von Alleinerziehenden, zu erhöhen, wird somit durch diese Politik nicht erreicht.
Dieser Befund zeigt, dass die Inanspruchnahme eines beitragsfreien Betreuungsplatzes in einer Kindertagesstätte oder einem Kindergarten in Westdeutschland nicht unbedingt heißen muss, dass die Mütter mehr Erwerbsarbeit leisten und somit durch ein höheres Einkommen auch wiederum zu mehr Steuereinnahmen beitragen.
Von außerhäuslicher Betreuung profitieren vor allem Mädchen
Schließlich zeigen die Studienergebnisse, dass Mädchen und Jungen im Vorschulalter unterschiedlich von dem beitragsfreien Betreuungsangebot profitieren. Wie auch psychologische Untersuchungen vermuten lassen, scheinen zwei- bis dreijährige Jungen in einer außerhäuslichen Betreuung mehr Probleme zu haben als Mädchen.
Die Einführung beitragsfreier Betreuungsplätze führt aber auch zu geschlechtsspezifischen Reaktionen der Eltern: Während Eltern von Jungen das gesparte Einkommen eher dazu nutzen, die mütterliche Erwerbsarbeit zu verringern, setzen die Eltern von Mädchen mehr auf informelle Kinderbetreuung etwa durch Verwandte oder private Tagesmütter. Diese unterschiedlichen Entscheidungen führen laut der Studie dazu, dass sechsjährige Jungen eher weniger Probleme mit Hyperaktivität und sozial auffälligen Verhaltensweisen haben als vor der Reform, während das bei Mädchen nicht der Fall ist.
In der Gesamtschau zeigt sich, dass durch die Abschaffung der Gebühren für Kindergarten und Kindertagesstätte die Familien finanziell profitieren, jedoch Auswirkungen auf die Inanspruchnahme nur bei Kleinkindern und Kindern aus ärmeren Haushalten zu beobachten sind. Dies ließe sich nach Einschätzung der Autorinnen kostengünstiger durch die vielerorts bereits übliche Staffelung der Gebühren nach Haushaltseinkommen erreichen. Die so eingesparten Mittel könnten dann in die Qualität der Kinderbetreuung investiert werden, wovon alle Vorschulkinder profitieren würden.
Lesen Sie dazu auch die Berichterstattung in der FAZ.