Im Rahmen des von ZEIT ONLINE initiierten Projekts „Deutschland spricht“ kamen im Herbst 2018 Tausende Menschen in ganz Deutschland zu einem mehrstündigen politischen Vier-Augen-Gespräch zusammen. Eine jetzt im Journal of Public Economics erschienene Studie von Ximeng Fang, Sven Heuser und Lasse Stötzer evaluiert anhand von anonymisierten Daten aus dem Projekt, wie sich dieser Gedankenaustausch auf die Überzeugungen und Vorstellungen der Menschen auswirkt.
Um den kausalen Effekt der Gespräche zu ermitteln, nutzt das Forscherteam die rund eine Woche nach den Gesprächen erhobenen Aussagen sowohl der Teilnehmer als auch derjenigen registrierten Interessenten, deren Gespräch nicht zustande gekommen war. Die Auswertung zeigt, dass die Wirkung des politischen Zwiegesprächs stark davon abhängt, wie weit die jeweiligen politischen Ansichten auseinanderliegen.
Gespräche mit Andersdenkenden
Kommen zwei Menschen mit unterschiedlichen Einstellungen zusammen, reduzieren sich Animositäten und Stereotype gegenüber Andersdenkenden (affektive Polarisierung) signifikant: Nach dem Gespräch sind die Teilnehmer weniger davon überzeugt, dass sich die Werte und Lebensvorstellungen politisch Andersdenkender komplett von den eigenen unterscheiden.
Zudem glauben sie seltener, dass Andersdenkende schlecht informiert sind oder komplexe Zusammenhänge nicht verstehen. Auch konnten sich die Teilnehmer tendenziell eher vorstellen, Andersdenkende in ihren Bekanntenkreis aufzunehmen.
Die Treffen zwischen Menschen mit entgegengesetzten politischen Ansichten fördern auch ein stärkeres Gefühl von sozialem Zusammenhalt. Die Teilnehmenden geben an, ihren Mitmenschen mehr zu vertrauen. Außerdem wächst die Überzeugung, dass sich die Menschen in Deutschland umeinander kümmern.
Gespräche mit Gleichgesinnten
Treffen sich hingegen politisch Gleichgesinnte, bleiben deren Vorurteile gegenüber Andersdenkenden weitgehend unverändert. Gleichzeitig werden jedoch die politischen Überzeugungen extremer (ideologische Polarisierung), da sich die Gesprächspartner gegenseitig in ihren bestehenden Ansichten bestärken.
Insgesamt unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung von Begegnungen über ideologische Grenzen hinweg. Solche Gespräche können Vorurteile abbauen, Vertrauen fördern und zu einem stärkeren sozialen Zusammenhalt beitragen – selbst wenn sie nicht unmittelbar die ideologische Haltung verändern.