In Zeiten des Fachkräftemangels und mobilen Arbeitens kommen auf Führungskräfte in Unternehmen immer mehr Aufgaben zu, die über das bloße Überwachen und Anleiten von Mitarbeitenden hinausgehen. Es geht darum, persönliche Bedürfnisse etwa bei der Arbeitszeitflexibilität mit produktiver Teamarbeit in Einklang zu bringen, Motivation und Kreativität zu fördern oder auch die psychische und körperliche Gesundheit der Mitarbeitenden im Blick zu halten. Kurzum: Autokratie ist out, Empathie ist gefragt.
Sind die Führungskräfte von heute mit dafür hilfreichen Persönlichkeitsmerkmalen und Wertvorstellungen ausgestattet? Dieser Frage geht ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Mihails Hazans, Jaan Masso und Per Botolf Maurseth nach. Die Studie nutzt Daten des European Social Survey für neun Ostsee-Anrainerstaaten (die nordischen Länder, das Baltikum, Polen und Deutschland) und konzentriert sich dabei auf die „grundlegenden individuellen Werte“ nach Schwartz, die in unterschiedlichem Maße für Führungsverhalten relevant sind.
In fast allen untersuchten Ländern zeigt sich, dass Vorgesetzte typischerweise ein hohes Maß an Erfolgsstreben sowie an selbstbestimmtem Denken und Handeln mitbringen, was einerseits für karrierebewusste Menschen naheliegt und andererseits für eine Position mit Führungsverantwortung durchaus wünschenswert ist. Allerdings können diese Werte auch einen autokratischen Führungsstil begünstigen, insbesondere wenn sie einem überdurchschnittlich hohen Maß an Machtstreben einhergehen, was sich insbesondere bei Führungskräften in Estland, Finnland und Dänemark sowie in geringerem Maße auch in Norwegen und Deutschland beobachten lässt.
Ein Gegengewicht im Sinne eines empathischen Führungsstils könnten die Werte Universalismus (Solidarität mit Schwächeren, Toleranz und Gleichberechtigung) und Wohlwollen (Hilfsbereitschaft und Fürsorge für nahestehende Personen) darstellen. Letzeres ist jedoch nur bei Führungskräften in Norwegen und Schweden ausgeprägt, während Universalismus in einigen Ländern, darunter auch Deutschland, sogar negativ mit Führungsaufgaben korreliert ist. Die Autoren der Studie empfehlen Unternehmen daher, bei Beförderungsentscheidungen einen stärkeren Fokus auf die individuellen Wertvorstellungen zu legen, um den Anforderungen an einen modernen Führungsstil besser gerecht zu werden.