Ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen für die gleiche Arbeit bleibt ein in vielen Ländern verbreitetes Phänomen. Trotz mancher Fortschritte ist es bislang auch in Deutschland nicht gelungen, die Lohnlücke zu schließen. Auf der Suche nach den Gründen für bislang unerklärte Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern haben sich Ökonomen zuletzt vermehrt der Rolle sozialer Normen bei der Arbeitsangebotsentscheidung von Frauen gewidmet.
So belegte eine viel beachtete, von IZA-Fellow Marianne Bertrand (Universität Chicago) mitverfasste Studie den Einfluss klassischer Rollenverteilungen und daraus resultierender Geschlechteridentitäten in den USA: Übersteigt das erzielbare Einkommen der Frau das ihres Partners, reduziert sie im Durchschnitt ihr Arbeitsangebot und verzichtet somit freiwillig auf Einkommen, um die „soziale Norm“ des männlichen Hauptverdieners nicht zu verletzen.
Diesen Zusammenhang weisen Anna Wieber und Elke Holst (DIW Berlin) in ihrem aktuellen IZA-Diskussionspapier nun zumindest teilweise auch für Deutschland nach. Den Hypothesen folgend würden Frauen, die ein höheres Einkommenspotenzial als ihr Partner haben, unter ihren Verdienstmöglichkeiten bleiben und ihre Tätigkeit im Haushalt verstärken, wenn sie tatsächlich ein höheres Einkommen erzielen. Die Studie bestätigt, dass zumindest in Westdeutschland die traditionelle Rollenverteilung einen Einfluss auf Verdienste von Vollzeit beschäftigten Frauen hat.
Die Analyse basiert auf Einkommensdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) in Ost- und Westdeutschland. Anhand dieser Daten berechnen die Autorinnen den Anteil der Ehefrau am gemeinsamen Verdienst. Die folgende Grafik zeigt die Einkommensverteilung innerhalb westdeutscher Haushalte.
Auffällig ist der scharfe Bruch in der Häufigkeitsverteilung um die rote Linie bei 50%. Die starke Abnahme der Häufigkeit rechts von der 50%-Marke spricht dafür, dass Frauen mit höherem Einkommenspotenzial geringere Verdienst in Kauf nehmen, um der traditionellen Geschlechterrolle zu entsprechen.
Insgesamt zeigt sich nur bei rund 11 Prozent aller westdeutschen Paare, dass die Frau mehr verdient als ihr Mann. In Ostdeutschland, wo die Vollzeitbeschäftigung beider Geschlechter in Zeiten des Sozialismus das Familienideal darstellte, ist dieses Muster deutlich geringer ausgeprägt: Hier tragen rund 27 Prozent der Frauen den größeren Teil zum Haushaltseinkommen bei.
Die Studie wird in einem weiteren aktuellen IZA Discussion Paper (No. 9533) zitiert, das den gleichen Zusammenhang für Schweden untersucht, allerdings keine Hinweise darauf findet, dass Geschlechteridentitäten bei der Einkommensverteilung in schwedischen Haushalten eine Rolle spielen: