In Brasilien fallen pro Jahr mehr als 60.000 Menschen einem Tötungsdelikt zum Opfer. Die enormen gesellschaftlichen Kosten der Gewaltkriminalität entsprechen Schätzungen zufolge rund fünf Prozent der Wirtschaftskraft des Landes. Bislang ist jedoch wenig darüber bekannt, wie sich das Erleben von Gewalt im eigenen Umfeld auf die schulischen Leistungen von Kindern auswirkt.
Die empirische Herausforderung besteht darin, Kriminalität als Ursache für geringeren Bildungserfolg zu identifizieren, da beides durch sozioökonomische Faktoren wie das durchschnittliche Einkommens- und Bildungsniveau im jeweiligen Stadtviertel beeinflusst wird.
In einem aktuellen IZA-Forschungspapier lösen Martin F. Koppensteiner und Lívia Menezes dieses methodische Problem, indem sie den Schulweg von mehr als 600.000 Schülern in São Paulo mit detaillierten Daten zu Ort und Zeit von Gewaltverbrechen abgleichen. Anhand von standardisierten Testergebnissen können sie so den direkten Effekt krimineller Gewalt auf die schulischen Leistungen ermitteln.
Der Analyse zufolge führt jedes zusätzliche Tötungsdelikt in einem 25-Meter-Radius um das Schulgelände statistisch zu einem Leistungsrückgang in Mathematik- und Sprachtests um fünf Prozent einer Standardabweichung. Der Effekt, der auch bei Prüfungen sechs Monate nach dem Vorfall anhält, ist bei Jungen ausgeprägter als bei Mädchen (siehe Abbildung 1). Damit einher gehen vermehrte Fehlzeiten und häufigerer Schulabbruch.
Darüber hinaus werteten die Autoren Befragungsergebnisse von Schülern und Eltern aus, um deren Einstellung zu schulischen Aktivitäten zu messen. Hier zeigt sich ein noch deutlicherer Geschlechterunterschied: Nach dem Gewalterlebnis gaben Jungen seltener an, ein guter Schüler zu sein, gerne in die Schule zu gehen und später eine Universität besuchen zu wollen. Diese Aussagen decken sich mit der Einschätzung der Eltern (siehe Abbildung 2).
Die Forscher schließen daraus, dass die durch Gewaltkriminalität im Umfeld der Schule traumatisierten und verunsicherten Schüler weniger in ihre eigene Bildung investieren, was sich später in schlechteren Arbeitsmarktchancen niederschlägt. Die tatsächlichen Kriminalitätskosten für Wirtschaft und Gesellschaft dürften somit langfristig noch deutlich höher ausfallen als bislang angenommen.