Dass persönliche Erfahrungen mit Korruption nicht nur frustrierend sind und Arbeitsmotivation wie Steuermoral beeinträchtigen, sondern auch die Auswanderungsbereitschaft steigern, zeigt ein aktueller Beitrag von Friedrich Schneider (JKU Linz und IZA) für IZA World of Labor.
Korruption schreckt Arbeitnehmer aller Bildungsschichten ab und veranlasst sie in letzter Konsequenz dazu, im Ausland nach Arbeit zu suchen. Jedoch hat der Grad an Korruption unterschiedliche Auswirkungen auf einzelne Gruppen von Arbeitnehmern. Bei Arbeitskräften mit geringer oder mittlerer Qualifikation steigt die Auswanderungsbereitschaft zwar zunächst mit wachsender Korruption, geht jedoch ab einem gewissen Korruptionsniveau wieder zurück.
Internationale Forschungsergebnisse zeigen, dass sich dieses Phänomen mit der steigenden Einkommensungleichheit in korrupten Ländern erklären lässt. Da in stark korrupten Staaten die Einkommen der Mittel- und Niedrigqualifizierten oft massiv gesunken sind, verfügen sie schlicht nicht mehr über die finanziellen Mittel, um auswandern zu können.
Im hochqualifizierten Bereich stellen Studien hingegen eine lineare Entwicklung fest. Steigt die Korruption, kommt es zu mehr Auswanderung, was wiederum eine Kette von Negativfolgen nach sich zieht: Der zunehmende Fachkräftemangel bremst das Wirtschaftswachstum, was zu steigender Arbeitslosigkeit führt, die wiederum die Auswanderungsbereitschaft befördert. Darüber hinaus führt Korruption dazu, dass öffentliche Ausgaben von Gesundheit und Bildung auf andere weniger transparente Bereiche wie Verteidigung verlagert werden, was Niedrigqualifizierte oftmals zusätzlich benachteiligt und sie zum Auswandern ermutigt.
Mit mehr Transparenz und Partizipation gegen den Brain Drain
Mit Blick auf diese negativen Auswirkungen sollten Regierungen, insbesondere in den stark von „Brain Drain“ betroffenen Entwicklungsländern, verstärkt auf Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption setzen, betont Schneider. Wie das Beispiel der Schweiz zeigt, kann eine stärkere öffentliche Beteiligung an der Haushaltsplanung („participatory budgeting“) zu mehr Transparenz und geringerer Korruption führen. Die in der Alpenrepublik fest verankerte direkte Demokratie sowie der Fiskalföderalismus, d.h. eine dezentrale Organisation der Haushalte, beinhalten Elemente der partizipativen Haushaltsplanung und tragen nach Einschätzung Schneiders mit dazu dabei, dass die Schweiz vergleichsweise sehr niedrige Korruptionswerte aufweist.
Einkommensgerechtigkeit spielt eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung von Korruption – und damit mittelbar auch hinsichtlich der Emigrationsbereitschaft. Sie kann durch ein als gerechter empfundenes Lohnsystem in Verbindung mit geringeren Korruptionserlebnissen einerseits die Wanderungsbereitschaft reduzieren. Andererseits kann eine sich stärker schließende Einkommensschere aber auch dazu beitragen, dass zusätzliche Bevölkerungsgruppen materiell in die Lage versetzt werden, ihre Emigration zu betreiben.
Die Politik muss sich dessen bewusst sein, darf aber Anstrengungen, durch Umverteilungsmaßnahmen gezielt die Schere zwischen Arm und Reich zu verringern, deshalb nicht unterlassen. Weiterhin sollten Regierungen stärker in Bildung und Berufsförderung investieren, um das Humankapital ihrer Länder zu stärken. In Verbindung mit geringerer Korruption kann verbesserte Bildung den Arbeitsmarkt dahingehend stabilisieren, dass nicht persönliche und politische Kontakte, sondern individuelle Eignung das Weiterkommen begünstigt. Unabhängig von den potenziellen Wanderungseffekten sollte dies das zentrale Ziel auch der internationalen Entwicklungszusammenarbeit sein.