Als Ursache für die Gehaltslücke zwischen den Geschlechtern wird oft die geringere Verhandlungsbereitschaft von Frauen genannt. Dass Männer sich durch offensiveres Verhandeln Vorteile verschaffen, zeigt sich laut einem aktuellen Forschungspapier der IZA-Fellows Cher Li und Basit Zafar schon während des Studiums. Anhand von internen Daten einer US-Universität zur Benotungspraxis ermitteln die Forscher, dass männliche Studierende im Vergleich zu ihren Kommilitoninnen mit 18,6% höherer Wahrscheinlichkeit eine nachträgliche Aufwertung ihrer Kursnote aushandeln.
Systematische Unterschiede in den beobachtbaren Merkmalen der Studierenden und der belegten Kurse können die Autoren als Erklärung ebenso ausschließen wie eine Ungleichbehandlung durch das Lehrpersonal: Befragungsdaten zeigen, dass die Erfolgsaussichten bei Verhandlungen um eine bessere Note für männliche und weibliche Studierende etwa gleich hoch sind. Vielmehr lässt sich die Diskrepanz dadurch erklären, dass Männer schlicht häufiger verhandeln.
Geringeres Selbstvertrauen
Um die Gründe genauer zu analysieren, führten die Autoren ein Verhaltensexperiment mit über 500 Studierenden durch: In einem IQ-Test mit 20 Fragen konnten die Probanden je nach Abschneiden einen entsprechend hohen Geldgewinn erzielen. Bei jeder Frage mussten sie angeben, wie sicher sie sich bei der Antwort waren. Die Benotung erfolgte auf Basis von drei zufällig ausgewählten Testfragen. Anschließend ermittelten die Forscher, wie viel die Teilnehmer zu zahlen bereit waren, um den kompletten Test auswerten zu lassen und so möglicherweise eine bessere Note zu erreichen.
Dabei zeigte sich, dass rund die Hälfte der männlichen, aber nur ein Drittel der weiblichen Versuchsteilnehmer eine Neubewertung der Note verlangten, wenn damit Kosten verbunden waren. Ein Teil dieses Geschlechterunterschieds lässt sich damit erkären, dass die weiblichen Testpersonen weniger Vertrauen in ihre eigene Leistung hatten und sich bei den richtig beantworten Fragen unsicherer waren.
Die Umfrageergebnisse zeigen außerdem, dass weibliche Studierende Verhandlungen um die Note eher als unangenehm empfinden. Nach Einschätzung der Forscher könnte dies zu Nachteilen beim Berufseinstieg führen, wenn männliche Absolventen mit objektiv gleicher Leistung durch Nachverhandlungen einen besseren Notendurchschnitt erlangen. Daher könne es sinnvoll sein, Lehrkräfte stärker für die weibliche Verhandlungsscheu zu sensibilisieren und die Benotungspraxis transparenter zu gestalten.