Glaubt man diversen internationalen Medienberichten, hat die Fan-Euphorie bei fußballerischen Großereignissen eine auffällig „nachwuchsfördernde“ Wirkung. So soll es beispielsweise in Island neun Monate nach dem Überraschungssieg gegen England bei der EM 2016 zu einem wahren Babyboom gekommen sein, ähnlich wie in Barcelona nach dem Last-Minute-Siegtor gegen Chelsea im Halbfinale der Champions-League 2009.
Auch in Deutschland soll das Sommermärchen 2006 ähnliche Nachwirkungen gehabt haben, wobei die harten Zahlen diese Vermutung ebenso wenig stützen konnten wie nach dem WM-Sieg 2014. Also doch alles eher eine Frage des Zufalls?
Die italienischen Ökonomen Luca Fumarco und Francesco Principe wollten es genauer wissen und wühlten sich durch die Geburten- und Fußball-Historie von 50 europäischen Ländern über einen Zeitraum von 56 Jahren. Dazu analysierten sie die monatlichen Geburtenzahlen in Abhängigkeit vom Abschneiden der jeweiligen Fußball-Nationalmannschaften bei Europa- und Weltmeisterschaften, gemessen an den Turnierergebnissen und gewichtet nach dem Elo-Rating der FIFA.
Aus der Fülle von Daten ließ sich tatsächlich ein robuster Zusammenhang ablesen – allerdings in die genau umgekehrte Richtung: Je erfolgreicher die eigene Mannschaft, desto deutlicher sanken die Geburtenzahlen neun bis zehn Monate nach Turnierbeginn, wie die folgende Grafik (genauere Beschreibung siehe Studie) veranschaulicht:
Fig. 1: Effect of performance on monthly births
Statistisch betrachtet gingen die Zahlen bereits bei einer durchschnittlichen Turnier-Performance um 2,13 Prozent zurück. Auf Deutschland bezogen entspräche das rund 1.000 Geburten im betreffenden Monat.
Über die Gründe geben die Daten leider keinen Aufschluss. Die Forscher vermuten auf Basis von Erkenntnissen zu Medienkonsum und Freizeitaktivitäten, dass es sich schlicht um einen „Substitutionseffekt bei der Zeitverwendung“ handele: Die vor dem Fernseher, im Stadion, beim Public Viewing, im Autokorso oder auf Siegesfeiern verbrachte Zeit stehe schließlich für reproduktive Aktivitäten nicht zur Verfügung.
Aus demografischer Perspektive wäre demnach gerade in Nationen mit ohnehin geringer Geburtenrate ein frühes EM-Ausscheiden eher vorteilhaft. Ökonomisch betrachtet sollte sich die deutsche Nationalmannschaft davon aber nicht leiten lassen. Denn wie eine frühere IZA-Studie für die WM 2006 belegt, beflügelt ein unerwartet gutes Abschneiden den wirtschaftlichen Optimismus der Landsleute, was zumindest die kurzfristige Konsumfreude positiv beeinflussen dürfte – und womöglich ja auch die mittelfristige Familienplanung.