Bei allem Hype um die Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz (KI) mit Blick auf die Zukunft von Arbeit, Gesellschaft und Wirtschaft wird oft eine entscheidende Frage vergessen: Investieren wir in die Art von Technologie, die das größte Potenzial hat, Produktivität zu steigern und Wohlstand zu mehren? Antworten darauf liefern Daron Acemoglu (MIT & IZA) und Pascual Restrepo (Boston University), zwei der führenden Ökonomen auf diesem Gebiet, in einem aktuellen IZA-Forschungspapier.
Technologiefolgen für die Beschäftigung
Die klassischen ökonomischen Modelle gehen davon aus, dass technologischer Fortschritt eine höhere Produktivität pro Arbeitskraft ermöglicht, was zu wachsender Arbeitsnachfrage und somit zu steigenden Löhnen und Beschäftigung führt.
Laut Acemoglu und Restrepo sieht die Sache in der Realität jedoch etwas anders aus: Viele neue Technologien zur Automatisierung zielen nicht explizit auf Produktivitätssteigerungen ab, sondern dienen primär dazu, menschliche Arbeitskraft in leicht automatisierbaren Bereichen durch günstigere Maschinen zu ersetzen. Folglich sinkt der Mehrwert der Arbeit, da das Lohn- und Beschäftigungswachstum nicht mit dem Produktivitätswachstum Schritt hält.
Insofern verschlechtert sich der relative Stellenwert des Faktors Arbeit zunehmend, wenn immer mehr „mittelprächtige“ Technologien auf den Markt geworfen werden. Darunter verstehen die Autoren Innovationen in der Automatisierung, die gerade gut genug sind, dass sich deren Einsatz lohnt, aber kaum produktiver als die ersetzten Arbeitskräfte. Menschliche Arbeit wird also verdrängt, ohne dass neue Arbeitsnachfrage an anderer Stelle entsteht.
Automatisierung und neue Tätigkeiten
In einem weiteren IZA-Forschungspapier verdeutlichen Acemoglu und Restrepo diesen Zusammenhang am Beispiel der USA: Dort lässt sich das gebremste Beschäftigungswachstum der letzten drei Jahrzehnte damit erklären, dass menschliche Arbeit vor allem in der industriellen Fertigung zunehmend verdrängt wurde, während sich das Produktivitätswachstum verlangsamte und in geringerem Maße neue Tätigkeitsfelder entstanden.
Entsteht immer mehr „schlechte“ KI?
Die meisten Ökonomen setzen nach wie vor viel Vertrauen in die Effizienz von Marktmechanismen bei der Ressourcenallokation. Laut Acemoglu und Restrepo ist jedoch weitgehend unumstritten, dass der Markt eher ungeeignet ist, wenn es um die Förderung von Innovationen geht. Ein Grund dafür sind Externalitäten: Von Innovationen profitieren nicht nur deren Urheber, sondern auch andere Marktteilnehmer.
Außerdem ist dem Markt egal, ob technologischer Fortschritt die Menschen glücklicher macht, Ungleichheit abbaut oder anderen gesellschaftlichen Nutzen stiftet. Erschwerend kommt hinzu, dass die steuerliche Begünstigung von Kapital und Investitionen gegenüber dem Faktor Arbeit in den USA und anderen westlichen Ländern das Ersetzen von Menschen durch Maschinen vergleichsweise profitabel macht.
Zwar finden Acemoglu und Restrepo keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass „schlechte“ Formen von Künstlicher Intelligenz bereits auf dem Vormarsch wären. Allerdings sehen sie den Markt für Innovationen auch nicht in der Lage, eine effiziente Balance zwischen den verschiedenen Ausprägungen von KI auf Dauer zu gewährleisten. Politik und Unternehmen stünden daher in der Verantwortung, aktiv Innovationen zu fördern, die neue Tätigkeitsfelder eröffnen und somit zusätzliche Arbeitsnachfrage schaffen, statt menschliche Arbeit nur durch Maschinen zu ersetzen.