Der technologische Wandel, insbesondere durch den rasanten Fortschritt bei Künstlicher Intelligenz (KI), verändert die Arbeitswelt grundlegend. Für die Politik bedeutet das: Sie muss nicht nur auf den Wandel reagieren, sondern ihn vorausschauend mitgestalten. Ein IZA-Forschungspapier von Michael Johannes Böhm, Ben Etheridge und Aitor Irastorza-Fadrique liefert dazu wichtige Impulse. Die Autoren entwickeln ein ökonomisches Modell, das zeigt, wie sich Beschäftigung und Löhne in verschiedenen Berufen an die zunehmende Automatisierung anpassen könnten.
Im Mittelpunkt steht ein differenzierter Ansatz: Statt Berufe pauschal als „automatisierbar“ oder nicht einzuordnen, kombiniert das Modell Expertenschätzungen zum Automatisierungsrisiko mit Erkenntnissen über berufliche Wechselmöglichkeiten und historischen Daten zu Anpassungsprozessen auf dem Arbeitsmarkt. Das Ergebnis ist ein deutlich nuancierteres Bild.
Ein zentrales Ergebnis: Die Fähigkeit von Beschäftigten, auf technologische Veränderungen mit einem Berufswechsel zu reagieren, unterscheidet sich erheblich. In manchen Berufen – etwa bei Lehrkräften oder Ärztinnen – führen selbst starke Lohnveränderungen kaum zu einem Wechsel in andere Tätigkeiten. Diese Berufe gelten als „inelastisch“. Andere, wie IT- oder Verwaltungsberufe, sind deutlich anpassungsfähiger. Hier wirken Lohnsignale direkter auf die Beschäftigung.
Besonders bedeutsam ist auch der Blick auf berufliche Übergänge. Manche Wechsel – zum Beispiel von Laborarbeit in die Pflege – sind relativ häufig und mit überschaubaren Kosten verbunden. Andere – etwa von der industriellen Fertigung in die Programmierung – sind seltener und mit höheren Hürden verbunden. Für die Arbeitsmarktpolitik heißt das: Beruflicher Wandel ist möglich, aber nicht immer realistisch.
Hinzu kommt: Automatisierung betrifft oft ganze Gruppen ähnlicher Berufe gleichzeitig. Das schränkt die Möglichkeiten ein, innerhalb des eigenen Berufsfeldes in weniger gefährdete Tätigkeiten zu wechseln. Wenn es keine nahegelegenen Alternativen gibt, wird der Strukturwandel für viele Beschäftigte zur Sackgasse.
Das Modell erlaubt auch einen Blick in die Zukunft. Es prognostiziert wachsende Beschäftigung in IT- und Bauberufen sowie steigende Löhne im Gesundheits- und Bildungswesen. Gleichzeitig dürfte der Druck auf Industriearbeitsplätze steigen – auch hochqualifizierte Tätigkeiten wie Buchhaltung oder Wirtschaftsprüfung könnten sinkende Löhne verzeichnen. Besonders betroffen: Beschäftigte in Berufen mit geringer Mobilität und wenigen Wechselmöglichkeiten.
Die politische Konsequenz liegt auf der Hand: Es genügt nicht, lediglich gefährdete Berufe zu benennen. Die Politik muss realistische Übergänge ermöglichen – durch gezielte Umschulungen, individuelle Berufsberatung, passende Weiterbildungsangebote und gegebenenfalls finanzielle Unterstützung für besonders schwer vermittelbare Gruppen. Nur so lassen sich die Chancen der Automatisierung nutzen, ohne die Risiken ungleich zu verteilen.
Die Studie liefert damit eine wichtige Grundlage für eine kluge, vorausschauende Arbeitsmarktpolitik im KI-Zeitalter – faktenbasiert, differenziert und praxisnah.