Bei der Organisation der Kinderbetreuung sind Eltern allzu oft mit Problemen konfrontiert, die auch ihre Arbeitsmarktaktivitäten negativ beeinflussen. Wer keinen Platz in einer Kindertagesstätte ergattert, zieht häufig die eigene Verwandtschaft heran – oder bleibt selbst zu Hause. Welche Form der Betreuung für das Kind am besten ist, bleibt auch in der Wissenschaft umstritten. Ein aktuelles IZA Discussion Paper liefert dazu neue Erkenntnisse, während zwei weitere internationale Studien die Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit der betreuenden (Groß-)Eltern beleuchten.
Hemmt oder fördert Kita-Betreuung die kognitive Entwicklung?
Die Nachfrage nach professioneller frühkindlicher Betreuung ist in allen OECD-Staaten während der letzten Jahre stetig gestiegen, primär aufgrund der immer stärkeren Erwerbstätigkeit von Müttern.
Margherita Fort, Andrea Ichino und Giulio Zanella von der Universität Bologna untersuchen in ihrem aktuellen IZA Discussion Paper, welchen Einfluss die frühkindliche Betreuung von Kindern unter drei Jahren auf deren spätere kognitive Fähigkeiten hat. Dazu führten sie IQ-Tests bei Kindern im Alter von 8 bis 14 Jahren durch und kombinierten die Resultate mit Daten der städtischen Kindertagesstätten in Bologna.
Das Ergebnis: Mit jedem zusätzlichen Monat, den Kinder in der Kita verbrachten, reduzierte sich der bei den Kindern später gemessene IQ-Wert um durchschnittlich 0,5%, wobei der negative Effekt bei Mädchen, insbesondere aus wohlhabenderen Elternhäusern, noch stärker ausfällt.
Das italienische Forscherteam verweist zur Erklärung darauf, dass die Kinder in der Kita meist weniger Gelegenheit zur unmittelbaren Interaktion mit Erwachsenen haben, die als wichtiger Stimulus der frühkindlichen kognitiven Entwicklung gilt. Mädchen profitieren davon aufgrund ihrer allgemein rascheren geistigen Entwicklung im Kindesalter stärker als Jungen.
Unwillige Großeltern büßen an Lebenszufriedenheit ein
Viele Familien setzen – freiwillig oder unfreiwillig – auf die Großeltern als verlässliche und nicht zuletzt kostengünstige Möglichkeit der Kinderbetreuung. Die steigende Lebenserwartung und Gesundheit im Alter macht dies auch perspektivisch immer plausibler. Für die Großeltern gehen damit aber häufig erhebliche Belastungen einher, die ihr Wohlbefinden trüben können.
Darauf weisen Giorgio Brunello und Lorenzo Rocco von der Universität Padua in einem aktuellen IZA Discussion Paper hin. Sie werteten die SHARE-Studie aus, die europaweite Umfragedaten von über 25.000 Personen im Alter von über 50 Jahren enthält. Demnach führen bereits zehn zusätzliche Stunden Kinderbetreuung pro Monat zu einer um rund vier Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit an einer Depression zu erkranken. Dabei zeigten sich Großväter fast doppelt so anfällig wie Großmütter.
Eine hohe Wahrscheinlichkeit depressive Symptome zu entwickeln zeigten Großeltern mit hohen „Opportunitätskosten“, also mit einer geringen Bereitschaft ihre Zeit für die Kinderbetreuung zu „opfern“. Dies war insbesondere bei Großvätern aus Italien, Spanien und Polen der Fall, die sich aufgrund ihres traditionellen Rollenverständnisses oft nicht für die Kinderbetreuung zuständig fühlen.
„Intensive Mutterschaft“ für gebildete Mütter weniger erfüllend
Statt die Kinder den Großeltern oder einer Kita zu überlassen, kümmern sich viele Mütter lieber selbst ganztägig um ihre Kinder. Dem unter anderem in den USA verbreiteten Prinzip des „intensive mothering“ zufolge ist die intensive Betreuung durch die Mutter besonders förderlich für die Entwicklung der Kinder.
Während die tatsächlichen Vor- und Nachteile für Kinder in der Wissenschaft nach wie vor kontrovers diskutiert werden, sind die Auswirkungen auf die Mütter selbst bislang kaum erforscht. J. Ignacio Gimenez-Nadal (Universidad Zaragoza) und Almudena Sevilla (Queen Mary University London & IZA) liefern hierzu in ihrem aktuellen IZA Discussion Paper neue Erkenntnisse. Ihre Analyse von Umfragedaten aus den USA ergibt, dass das subjektive Erleben des „intensive mothering“ je nach Bildungsniveau der Mütter stark variiert.
So stellen sich Gefühle von Glück und Erfüllung bei gebildeteren Müttern seltener ein, während sie häufiger über Stress klagen als Mütter mit geringerer beruflicher Qualifikation. Die Forscher führen dies darauf zurück, dass gebildete Mütter zeitintensivere Formen der Kinderbetreuung wählen, um in ihrer subjektiven Wahrnehmung ein Optimum an Erziehung zu gewährleisten.
Qualität der Betreuung wichtiger als die Form
Welche Form der Kinderbetreuung Eltern wählen, bleibt eine persönliche Entscheidung, die von individuellen, aber auch von vorgefundenen strukturellen Faktoren abhängt. Staatlicherseits kann mit einem besseren Betreuungsschlüssel die kognitive Entwicklung der Kinder gefördert werden. Umgekehrt birgt eine ungünstige Betreuungssituation in den Kitas die Gefahr einer nicht adäquaten Förderung.
Die häusliche Kinderbetreuung muss sich des Risikos bewusst sein, dass die eigene Lebenszufriedenheit je nach Konstellation nicht nur positiv beeinflusst wird und sowohl auf die Qualität der Betreuung als auch die eigene Gesundheit negativ ausstrahlen kann. Wer seine Kinder privat betreut, sollte darüber das eigene Wohlbefinden nicht vernachlässigen – oft leichter gesagt als getan.