Das geschlechtsspezifische Lohngefälle von rund 20 Prozent hat vielfältige Ursachen. Beispielsweise haben Frauen seltener Führungspositionen inne, arbeiten häufiger in Teilzeit und unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit länger für die Familie. Außerdem arbeiten sie häufiger in kleineren Betrieben und in Branchen, in denen weniger bezahlt wird. Zum Teil handeln sie auch geringere Löhne aus als Männer, insbesondere wenn ihnen flexible Arbeitszeiten oder andere Aspekte der Arbeit wichtiger sind als die Bezahlung.
Dennoch bleibt auch nach Bereinigung um diese beobachtbaren Faktoren eine „unerklärte“ Lohnlücke von bis zu sechs Prozent, die häufig als Beleg für Diskriminierung gewertet wird. Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Dorothée Averkamp, Christian Bredemeier und Falko Juessen legt nahe, dass die innerfamiliäre Prioritätensetzung maßgeblich zu dieser Lücke beiträgt.
Ein klassisches Beispiel ist der Wohnortwechsel: Zieht die Familie zugunsten der Karriere des besserverdienenden Partners in eine andere Stadt um, wirkt sich das in der Regel nachteilig auf die Beschäftigungs- und Verdienstaussichten der Partnerin aus. Bereits bestehende Einkommensunterschiede innerhalb des Haushalts werden auf diese Weise noch verstärkt.
Auf Basis von Daten zu Doppelverdienerhaushalten in den USA zeigt die Studie, dass Männer bis zu zehn Prozent weniger verdienen würden, wenn es keine Anreize für eine solche Prioritätensetzung innerhalb der Familie gäbe. Folglich würde dann auch die unerklärte Lohnlücke deutlich geringer ausfallen.
Dieser Befund spricht nach Einschätzung der Forscher dafür, dass direkte Lohndiskriminierung als Ursache des „Gender Pay Gaps“ überschätzt werde. Allerdings könne bereits ein geringes Maß an Diskriminierung einen Teufelskreis in Gang setzen, wenn Karrierenachteile von Frauen zu einer innerfamiliären Verschiebung der Prioritäten führen. Umgekehrt bedeute dies wiederum, dass politische Maßnahmen zum Abbau der Lohnlücke zwischen den Geschlechtern einen selbstverstärkenden positiven Effekt haben könnten.