Wenn Männer in der Krise mehr Zeit mit Hausarbeit und Kinderbetreuung verbringen, wird das oft als Fortschritt auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Rollenverteilung dargestellt. Die Soziologin Jutta Allmendinger tritt dieser Einschätzung entschieden entgegen. Sie diagnostiziert im Gegenteil eine „Retraditionalisierung“ der Geschlechterrollen. In der IZA-Vortragsreihe zu den politischen Lehren aus der Corona-Krise begründet die WZB-Präsidentin ihre These anhand von empirischen Befunden.
Die flächendeckende Schließung von Kitas und Grundschulen habe für erwerbstätige Mütter neben dem „Entzug freier Zeit“ auch einen „Verlust an Optionen“ bedeutet. Alternative Konzepte zur Entlastung von Familien, etwa durch Studierende, deren bezahlte Nebentätigkeiten wegfielen, seien nicht einmal diskutiert worden. Auch in der aktuellen Diskussion um verlängerte Winterferien würden die Belange von Frauen nicht berücksichtigt.
„Die Belange von Frauen werden in der Diskussion um verlängerte Ferien nicht berücksichtigt.“
Wo sich Väter verstärkt in Haushalt und Betreuung engagierten, sei dies in der Regel kein innerfamiliärer „Verhandlungserfolg“ der Mütter, sondern der Situation geschuldet, dass die Frau etwa einer systemrelevanten Tätigkeit nachgehe, während der Mann in Heim- oder Kurzarbeit sei. Allmendinger spricht in diesem Zusammenhang von „erzwungener Partnerschaftlichkeit“. Ein weiteres Problem, unter dem in erster Linie Frauen leiden, sei die Zunahme häuslicher Gewalt aufgrund der Corona-Einschränkungen.
Im Trend zum Homeoffice sieht Allmendinger kaum Vorteile mit Blick auf die Gleichberechtigung. Der Gender Care Gap verringere sich dadurch nicht – Frauen im Homeoffice würden eher mehr unbezahlte Arbeit verrichten als weniger. Mangelnde „Sichtbarkeit“ würde sich zudem negativ auf die Karrierechancen auswirken.
„Es ist falsch anzunehmen, dass das Homeoffice die Glücksbringerin für Frauen ist.“
Hier der komplette Vortrag mit anschließender Fragerunde als Video:
Weitere Infos zur IZA-Forschung „Corona-Krise und Arbeitsmarkt“: covid-19.iza.org