Die letzten Jahre waren goldene Zeiten für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger. Angesichts von Rekordbeschäftigung und Fachkräftemangel rissen sich viele Unternehmen geradezu um Nachwuchskräfte. Durch die Corona-Krise sehen sich die aktuellen Abschlussjahrgänge nun unverhofft mit großen Schwierigkeiten konfrontiert, überhaupt auf dem Ausbildungs- oder Arbeitsmarkt Fuß zu fassen – vom Traumberuf ganz zu schweigen.
Dabei hat der Einstiegsjob einen entscheidenden Einfluss auf die späteren Karriereaussichten, wie umfangreiche Forschung aus dem IZA-Netzwerk belegt. Wer aus der Not heraus zunächst eine geringbezahlte Beschäftigung annimmt, muss auch längerfristig mit spürbaren Einkommenseinbußen rechnen. Eine kanadische Studie hat beispielsweise errechnet, dass die Karrierenachteile von Berufseinsteigern in Krisenzeiten erst nach rund zehn Jahren ausgeglichen sind. Am Ende des Erwerbslebens bleibt eine Einkommenslücke von fünf Prozent gegenüber Absolventenjahrgängen in Boomphasen, in denen die Arbeitslosigkeit um drei bis vier Prozentpunkte niedriger lag.
Wie wird sich Corona-Krise auf den Werdegang der diesjährigen Schulabgänger auswirken? Dazu hat das IZA rund 400 Expertinnen und Experten aus seinem internationalen Forschungsnetzwerk befragt. Insgesamt erwarten zwei Drittel der Befragten ernste Probleme beim Übergang von der Schule ins Berufsleben. Auffällig ist, dass in Deutschland wie auch in den USA pessimistische Erwartungen stärker verbreitet sind als beispielsweise in Italien und Spanien. Eine mögliche Erklärung könnte darin bestehen, dass in den Ländern mit extrem robustem Vor-Krisen-Arbeitsmarkt der relative Nachteil gegenüber früheren Einsteigerjahrgängen deutlich höher eingeschätzt wird als etwa in südeuropäischen Ländern mit traditionell hoher Jugendarbeitslosigkeit.
Die Aufnahme eines Hochschulstudiums bietet eine Möglichkeit, krisenbedingte Arbeitslosigkeit zu vermeiden und zugleich die künftigen Karriereaussichten zu verbessern. Diese Option scheint in Großbritannien als besonders aussichtsreich zu gelten: Hier gehen drei von fünf Befragten davon aus, dass sich aufgrund von Corona mehr Schulabgänger für ein Studium entscheiden werden, um drohender Arbeitslosigkeit zu entgehen.
Dass in Deutschland überdurchschnittlich viele Experten dieser Aussage nicht zustimmen, könnte damit zusammenhängen, dass hierzulande die duale Ausbildung einen traditionell hohen Stellenwert hat und in der Krise durch staatliche Ausbildungs- und Übernahmeprämien zusätzlich gefördert wird. Außerdem liegen die Hürden für den Hochschulzugang bei einer Studienberechtigtenquote von nur etwa 50 Prozent vergleichsweise hoch.
Wie sieht es mit den langfristigen Karrierenachteilen aus? Rund die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass die diesjährigen Schulabgänger noch im Alter von 30 Jahren deutliche Einbußen gegenüber früheren Jahrgängen verzeichnen werden. Über das gesamte Erwerbsleben betrachtet fallen die Erwartungen etwas optimistischer aus. Ein Drittel der Befragten erwartet sogar keine langfristigen Nachteile aufgrund der Corona-Krise. Die Einschätzungen aus Deutschland liegen hier etwa im internationalen Mittelfeld.
Was können Schulabgänger selbst tun, um das Beste aus der aktuellen Lage zu machen? IZA-Fellow Philip Oreopoulos von der University of Toronto gibt dazu in einem IZA-WoL-Gastbeitrag einige praktische Ratschläge. Unter anderem empfiehlt er, als Alternative zu Ausbildung, Job oder Studium auch eine ehrenamtliche Tätigkeit in Erwägung zu ziehen, die Praxiserfahrung bietet und sich später gut im Lebenslauf macht. Klar ist für ihn allerdings auch: Im Vergleich zu den früheren Jahrgängen werden die heutigen Berufseinsteiger mehr räumliche Mobilität und berufliche Flexibilität mitbringen müssen.
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Mehr zu früheren Ergebnissen des IZA Expert Survey: