Knapp die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer wünscht sich eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit. Jeder fünfte könnte sich dagegen auch vorstellen, mehr zu arbeiten. Inwiefern Wunsch und Wirklichkeit beim Thema Arbeitszeit auseinanderklaffen, hängt von den jeweiligen Jobpräferenzen und Tätigkeitsprofilen ab, aber auch von persönlichen Merkmalen und Interessen. Das geht aus einer repräsentativen Befragung im Rahmen der Studie „Arbeiten in Deutschland“ hervor, die das IZA gemeinsam mit dem Karrierenetzwerk XING durchführt.
Demnach würden rund 39% der 2.364 befragten abhängig Beschäftigten ihre wöchentliche Arbeitszeit trotz entsprechend geringerer Bezahlung um bis zu zehn Stunden reduzieren, weitere 8% der Befragten sogar um mehr als zehn Stunden (siehe Abbildung 1). Bei Männern ist der Wunsch stärker ausgeprägt als bei Frauen, was die geringere Teilzeitquote bei männlichen Arbeitnehmern widerspiegeln dürfte.
Flexibilität vs. Eigenverantwortung
Darüber hinaus sprechen die Ergebnisse der repräsentativen Befragung dafür, dass die Work-Life-Balance bei der jüngeren Generation eine immer wichtigere Rolle spielt: Beschäftigte unter 35 Jahren wünschen sich im Schnitt eine Verkürzung der Arbeitswoche um drei Stunden – doppelt so viel wie ältere Arbeitnehmer über 55 Jahren. Auch mit höherem Bildungsabschluss wächst der Wunsch nach einer geringeren Wochenstundenzahl (siehe Abbildung 2).
Im Durchschnitt würden die Befragten gerne etwa 2,3 Stunden pro Woche weniger arbeiten. Dieser Wert wird durch individuelle Jobpräferenzen und Arbeitsplatzmerkmale beeinflusst (siehe Abbildung 3). Wer gerne mehr Flexibilität im Job und die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten hätte, bevorzugt eine noch deutlichere Verringerung der Arbeitszeit. Dies könnte auf unerfüllte Bedürfnisse nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf hindeuten, für die noch nicht die nötigen betrieblichen Rahmenbedingungen gegeben sind. Bietet der Arbeitgeber bereits Homeoffice-Nutzung, flexible Arbeitszeiten und Selbstbestimmung über Arbeitsabläufe an, reduziert sich der Wunsch nach einer Verringerung der Arbeitszeit.
Streben die Arbeitnehmer nach mehr Eigenverantwortung, wären sie im Durchschnitt bereit, mehr dafür zu arbeiten. Umgekehrt würden Beschäftigte, von denen eine hohe Eigenverantwortung im Job erwartet wird, tendenziell lieber etwas kürzer treten.
Mehr Zeit für Familie und Reisen
Aber auch die Freizeitinteressen scheinen eine wichtige Rolle zu spielen, wenn es um die Arbeitszeitpräferenzen geht. Zusätzlich zur repräsentativen Befragung wurden 2.257 XING-Mitglieder befragt, von denen 648 in ihren Profilen auch Informationen über Interessen und Hobbies angeben.
Eine Verknüpfung der meistgenannten Interessen mit den Angaben zur bevorzugten Wochenstundenzahl legt nahe, dass sich Arbeitnehmer vor allem dann weniger Arbeitsstunden wünschen, wenn sie ihre Freizeit überwiegend für Familie oder Reisen nutzen. Wer sich hingegen vorrangig für Sport oder Politik interessiert, wäre vergleichsweise eher bereit, für einen entsprechenden Zusatzverdienst mehr zu arbeiten (siehe Abbildung 4).
Über die IZA/XING-Studie
Die Studie „Arbeiten in Deutschland“ wurde Anfang 2017 vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) und XING gestartet. Anfang 2019 wurde bereits die dritte Befragungswelle dieser gemeinsamen Initiative abgeschlossen, um vor dem Hintergrund des fortschreitenden Wandels der Arbeitswelt neue Erkenntnisse über die Zukunftsperspektiven der Bevölkerung in Deutschland zu gewinnen. Die IZA/XING-Studie setzt sich aus zwei Befragungsteilen zusammen – einer nationalrepräsentativen Online-Umfrage mit rund 3.000 Teilnehmern sowie einer Online-Befragung von bis zu 6.000 zufällig ausgewählten XING-Mitgliedern.
Bislang sind folgende Ergebnisse erschienen:
- Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen in beide Richtungen
- Homeoffice auf dem Vormarsch
- Neue Arbeitswelt: Arbeitszeitgesetz verliert an Bedeutung
- Beschäftigte in Deutschland haben keine Angst vor der Digitalisierung
- Verbreiteter Optimismus in der Rentenfrage
- Verantwortung, Flexibilität und neue Freiräume im Job werden geschätzt – aber nicht von allen