Der Lebensstandard einer Bevölkerung ist ein wichtiges Kriterium für erfolgreiche Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Er hängt nicht nur vom Einkommen ab, sondern auch von der Verfügbarkeit guter Jobs, den Kosten des Lebensunterhalts und der Qualität der sozialen Sicherungssysteme. Die Entwicklung des Lebensstandards wird gerade mit Blick auf die Folgen der Pandemie intensiv diskutiert und war auch Schwerpunktthema des fünften IZA-Workshops „Arbeitsmarktstatistik“, organisiert von den Programmleiterinnen Katharine Abraham and Susan Houseman.
Höhere Armutsquote nach Berücksichtigung monatsgenauer Daten
Zu den insgesamt zwölf Vorträgen zählte eine von Joshua Merfeld vorgestellte Studie, laut der im ländlichen Süden Indiens ein beachtlicher Teil der Bevölkerung, der im Jahresdurchschnitt über der Armutsgrenze lebt, in einzelnen Monaten mit Einkommen unterhalb dieser Grenze zurechtkommen muss. Berücksichtigt man diesen Sachverhalt, fällt die Armutsquote 26 Prozent höher aus als in konventionellen jährlichen Messungen. Nach Einschätzung der Forscher würde eine regelmäßige Datenerhebung in kürzeren Abständen auch eine passgenauere Auszahlung von Sozialleistungen ermöglichen.
Befragungsdaten unterschätzen Bezug von Sozialleistungen systematisch
Durch einen Abgleich verschiedener US-Haushaltspanels mit amtlichen Statistiken belegt eine von Nikolas Mittag vorgestellte Studie, dass der tatsächliche Sozialleistungsbezug auf Basis von Befragungsdaten systematisch unterschätzt wird. Um ein realistischeres Bild von Armut und Bedürftigkeit im Land zu gewinnen, müsse daher die Befragungspraxis oder aber der Zugang zu amtlichen Datensätzen für die Forschung verbessert werden, fordern die Autoren.
Regionale Anpassung von Armutsgrenzen umstritten
In seinem Keynote-Vortrag erörterte Bruce Meyer, ob bei der Berechnung von Armutsgrenzen regionale Preisunterschiede innerhalb eines Landes berücksichtigt werden sollten. Er positionierte sich gegen eine solche Anpassung, da dadurch auch Personen mit vergleichsweise auskömmlichem Lebensstandard – gemessen anhand diverser Kriterien von der Wohnsituation bis zu Bildung und Gesundheit – als arm eingestuft würden. Diese Einschätzung wurde im Anschluss kontrovers diskutiert.
COVID-19 und die Messung von Lebensstandards
Im letzten Vortrag des Workshops wies Laura Caron am Beispiel amtlicher Daten aus Georgien auf eine Inkonsistenz bei der Messung von Veränderungen des Lebensstandards während der Pandemie hin: So wurde der Rückgang des Lebensstandards einkommensstärkerer Haushalte überbewertet, weil deren relativ hohe Einsparungen an Mobilitätskosten durch die vermehrte Homeoffice-Nutzung als Reduzierung der Konsumausgaben in die Statistik eingingen.
Weitere präsentierte Arbeiten sind über das Workshop-Programm abrufbar.