Depressionen und andere psychische Belastungen etwa durch Schlafmangel und Stress haben erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkterfolg. Daher beschäftigen sich auch zahlreiche Ökonominnen und Ökonomen aus dem IZA-Netzwerk mit diesem Themenkomplex. In einem von Michèle Belot, Joan Costa-Font, Osea Giuntella und Nico Pestel organisierten IZA-Workshop wurden nun einige der neuesten Forschungsergebnisse vorgestellt und diskutiert.
In seiner Eröffnungsrede unterstrich IZA-Netzwerkdirektor Dan Hamermesh den wichtigen Beitrag der Wirtschaftswissenschaften zur Erforschung von individueller Zeitverwendung, Schlafverhalten und seelischer Gesundheit, insbesondere mit Blick auf den Einfluss von Einkommen und Bildung.
Freizeit, Schlaf und psychische Gesundheit
Ob Fernsehen dem persönlichen Wohlbefinden schadet oder eher förderlich ist, untersuchte Manuel Hoffmann in einer neuen Studie, die sich regionale Unterschiede in der Verbreitung des Privatfernsehens im Deutschland der 1980er Jahre zunutze macht. Zwar stieg der Fernsehkonsum in Gebieten mit mehr Sendern deutlich an, jedoch ließen sich keine negativen gesundheitlichen Folgen feststellen. Auf die Lebenszufriedenheit wirkte sich das größere Programmangebot im Schnitt positiv aus.
Negative Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit hat hingegen die Zeitumstellung von Winter- auf Sommerzeit. Ein von Sarah Fléche vorgestelltes Forschungspapier auf Basis von repräsentativen Befragungsdaten aus Deutschland stützt die These, dass geringere Schlafqualität und erhöhter Zeitstress dafür verantwortlich sind.
Einschneidende Lebensereignisse
Wie sich der Tod eines Elternteils auf die psychische Gesundheit des Kindes auswirkt, war Gegenstand des Beitrags von Petri Böckerman. Daten aus Finnland zeigen, dass Jungen besonders unter dem Verlust des Vaters leiden, während sich der Verlust der Mutter vor allem auf Mädchen auswirkt. Zu den unmittelbaren psychischen Folgen zählen vor allem Depressionen, während Angstzustände und Selbstverletzung noch nach einigen Jahren vermehrt auftreten.
Auch der Verlust des Arbeitsplatzes ist für viele Menschen ein einschneidendes Lebensereignis. Paneldaten aus den Niederlanden liefern laut einer Studie von Jim Been jedoch keine Hinweise auf körperliche oder seelische Leiden als direkte Folgen des Jobverlusts. Im Gegenteil lassen Kopfschmerzen und Müdigkeit sogar nach, was darauf hindeutet, dass der unmittelbare Rückgang an Arbeitsstress die finanzielle Belastung zunächst mehr als aufwiegt.
Medikamentöse Behandlung
Bei Jugendlichen, die unter Depressionen leiden, kann die Einnahme von Antidepressiva zu einer deutlichen Verbesserung der schulischen Leistungen beitragen, wie Meltem Daysal anhand von Mathematik-Testergebnissen nachweisen konnte. Dennoch bleibt die Vergabe von Antidepressiva ein zweischneidiges Schwert. In einer weiteren Studie mit Daten aus den Niederlanden belegen Janet Currie und Esmee Zwiers, dass die medikamentöse Behandlung von Wochenbettdepressionen zu einem Gewöhnungseffekt führen kann. Auch nach mehreren Jahren neigen die behandelten Frauen zur weiteren Einnahme von Antidepressiva, ohne dass sich dadurch ihre Arbeitsmarktsituation verbessert.
Um die Wirkung einer nicht-medikamentösen Intervention auf die psychische Gesundheit von Frauen ging es in dem von Abu Siddique präsentierten Forschungspapier. Die Studie zeigt, dass psychologische Beratungsgespräche per Telefon während der Corona-Pandemie in Bangladesh maßgeblich zum Abbau von Stress und Depressionen beitrugen. Die Effekte hielten auch zehn Monate später noch an und wirkten sich zudem positiv auf andere Lebensbereiche wie Ernährung, Homeschooling und Impfbereitschaft aus.
Wirtschaftliche Auswirkungen
Armut und Depressionen bilden einen Teufelskreis, der sich gerade in Entwicklungsländern oft über Generationen verfestigt. Laut der von Daniel Bennett vorgestellten Auswertung eines Hilfsprogramms in Indien können psychiatrische Behandlungsangebote für die arme Bevölkerung einen Ausweg bieten. Zwar konnte kein direkter Effekt der Behandlung auf die Arbeitsproduktivität festgestellt werden, doch die Programmteilnehmer investierten deutlich mehr in die Bildung ihrer Kinder, was für eine erhöhte Handlungsbereitschaft und mehr Resilienz statt Resignation spricht.
Auch in den entwickelten Ländern sind die Arbeitsmarktnachteile für Menschen mit psychischen Erkrankungen gravierend. Auf Basis dänischer Daten schätzt Barbara Biasi die Einkommenseinbußen je nach Art der Erkrankung auf rund 35 bis über 70 Prozent. Dass es sich dabei um einen kausalen Effekt handelt, belegt die Studie anhand der Zulassung der Lithiumtherapie für die psychiatrische Behandlung in Dänemark, in deren Folge sich die Einkommenslücke um etwa ein Drittel verringerte.