IZA-Experten unter Leitung von Werner Eichhorst haben im Auftrag der Bertelsmann Stiftung eine empirische Analyse zur möglichen Polarisierung des deutschen Arbeitsmarktes vorgenommen. Die heute veröffentlichte Studie untersucht die Entwicklung der Erwerbstätigkeit, des Arbeitsvolumens, der Löhne und der Nutzung atypischer Beschäftigungsformen nach Berufsgruppen in Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre. Dabei kann zwar eine wachsende Lohnspreizung zwischen den besser und den schlechter entlohnten Berufsgruppen beobachtet werden, aber keine klare Polarisierung der Beschäftigung in Köpfen oder in Stunden zwischen den Berufsgruppen.
Im Zeitverlauf sind einige hoch entlohnte Berufe in Bezug auf die Erwerbstätigkeit deutlich gewachsen wie auch Tätigkeiten mit vergleichsweise geringer Entlohnung, doch ein massiver Einbruch der Arbeitsnachfrage, d.h. der Erwerbstätigkeit und des Arbeitsvolumens, lässt sich im Bereich der Berufe mit mittlerer Entlohnung nicht feststellen. Während es durchaus bemerkenswerte Beschäftigungsgewinne vor allem bei gering entlohnten Berufsgruppen (insbesondere einfache und mittelqualifizierte Berufe des Dienstleistungssektors) und im oberen Bereich (z.B. Berufe im Gesundheitswesen, Ingenieure, Lehrer und Wissenschaftler, Unternehmensleiter und -berater) gegeben hat, halten sich die Verluste im Mittelfeld, etwa bei Metall-Facharbeitern und Handwerkern, bisher in Grenzen. Die atypische Beschäftigung, verstanden als befristete Beschäftigung, Minijob, Zeitarbeit und Selbstständigkeit, hat in Deutschland vor allem bei bestimmten hochqualifizierten Berufsgruppen, aber auch bei eher gering entlohnten Arbeitsplätzen an Terrain gewonnen, weniger im mittleren Segment.
Auch im internationalen Vergleich ist das Bild keineswegs so einheitlich wie erwartet. Die durchgeführten Analysen weisen auf eine relativ stabile Beschäftigung im mittleren Entlohnungsbereich und damit eine insgesamt begrenzte Polarisierung der Erwerbstätigkeit in Deutschland hin. Allerdings hat die atypische Beschäftigung in einigen Berufsgruppen Anteilsgewinne zu verzeichnen.
Die Studie untersucht auch die Veränderungen der Tätigkeitsprofile im Zuge des technischen Fortschritts. Deutlich wird, dass interaktive Tätigkeiten am deutschen Arbeitsmarkt stark an Bedeutung gewonnen haben. Die Entwicklung von Löhnen, Beschäftigung und Bildungsnachfrage zeigt sich jedoch sehr heterogen.
Werner Eichhorst, Direktor Arbeitsmarktpolitik Europa am IZA und Projektleiter der Studie:
„Die These einer von technologischem Wandel und Globalisierung getriebenen Polarisierung der Arbeitsmärkte lässt sich nach unseren Analysen für Deutschland kaum halten. Im Zeitvergleich, aber auch im Vergleich mit anderen europäischen Staaten, zeigt sich vielmehr eine recht robuste Mitte des Arbeitsmarktes in Deutschland. Auffällig ist allerdings die stärkere Verbreitung atypischer Beschäftigungsformen in einzelnen Berufsgruppen, insbesondere die gewachsene Rolle der geringfügigen Beschäftigung und der Zeitarbeit in bestimmten, meist geringer entlohnten Teilbereichen des Dienstleistungssektors. Ebenso auffällig ist die Zunahme befristeter Beschäftigung auch in höheren Entlohnungsbereichen. Dies lässt sich vor allem auf die Deregulierung des Arbeitsmarktes in den frühen 2000er Jahren zurückführen.“