Das IZA Crisis Response Monitoring liefert eine unabhängige Bewertung der internationalen politischen Krisenreaktionen. Darüber hinaus haben wir für den IZA Newsroom einige unserer Länderexpertinnen und -experten nach ihren persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen zur Arbeitsmarktlage in ihrem Land gefragt. Österreich hat durch den Corona-Hotspot Ischgl, der als europäisches Epizentrum der Pandemie gilt, traurige internationale Berühmtheit erlangt. Zur Lage auf dem österreichischen Arbeitsmarkt einige Fragen an René Böheim (JKU Linz) und Thomas Leoni (WIFO):
Wie hat sich der Arbeitsmarkt in Österreich in den letzten Monaten entwickelt?
RB: Die Arbeitslosenzahlen sind noch immer auf Rekordniveau, ebenso wie die Kurzarbeit, die bis mindestens Ende März 2021 verlängert wurde. Ich fürchte, wir werden noch eine Welle von Unternehmenspleiten erleben, die durch staatliche Rettungsprogramme nur aufgeschoben wurde. Vor allem die Bereiche Kultur und Tourismus wurden hart getroffen. Die Sommersaison hat es nicht besser gemacht.
Ich fürchte, wir werden noch eine Welle von Unternehmenspleiten erleben.
TL: Die enorme Ausweitung der Kurzarbeit hat zweifellos entscheidend zur Stabilisierung der Beschäftigung beigetragen. Inzwischen ist etwa die Hälfte der Arbeitskräfte, die im Lockdown ihren Job verloren hatten, wieder zurück in Beschäftigung. Das lässt hoffen. Allerdings sind die Arbeitsplatzverluste noch längst nicht kompensiert. Hinzu kommt der „Rückstau“ von Arbeitssuchenden aus der Zeit vor der Krise.
Wie wird die Arbeitsmarktlage in sechs bis zwölf Monaten aussehen?
RB: Vor allem für Jüngere und Geringqualifizierte, aber auch für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen wird das Arbeitslosigkeitsrisiko hoch bleiben.
TL: Wirtschaft und Arbeitsmarkt erholen sich nur sehr langsam und ungleichmäßig vom akuten Lockdown-Schock. Einzelne Sektoren wie der Tourismus und der Transportsektor, aber auch manche Industriebranchen, werden noch einige Monate zu kämpfen haben. Wir sehen Licht am Ende des Tunnels, aber es bleibt ein steiniger Weg, insbesondere für benachteiligte Arbeitsmarktgruppen.
Welche Politikmaßnahmen wären jetzt besonders sinnvoll?
RB: Aus meiner Sicht brauchen wir gezielte Programme für den Beschäftigungsaufbau, wobei es Mitnahmeeffekte zu vermeiden gilt, sowie effektive Qualifizierungsprogramme. Ich wäre auch dafür, Kurzarbeit stärker an Weiterbildungsmaßnahmen zu knüpfen.
Die Krise bietet auch eine Chance zur Umsetzung innovativer Politikansätze.
TL: Die Krise bietet auch eine Chance zur Umsetzung innovativer Politikansätze, beispielsweise gezielte Beschäftigungssubventionen für benachteiligte Arbeitsmarktgruppen oder auch attraktive Modelle zur Arbeitszeitreduzierung. Wichtig wird sein, gemeinsam mit den Sozialpartnern branchenspezifische Maßnahmen zu entwickeln. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wird es außerdem darauf ankommen, der Investitionsschwäche entgegenzuwirken, die wir im Privatsektor schon sehen und mit der wir angesichts wegbrechender Steuerreinnahmen auch auf kommunaler Ebene rechnen müssen.
Welche Aspekte der Krisenreaktion in Österreich sind besonders bemerkenswert?
TL: Beeindruckt hat mich, wie schnell und flexibel sich Unternehmen, Organisationen und Individuen an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst haben, im Lockdown aber auch danach. Ich denke da vor allem an die Übertragung von Arbeitsprozessen aus der realen in die virtuelle Welt. Das war ein Experiment, das sicherlich die Arbeitsorganisation der Zukunft nachhaltig beeinflussen wird. Persönlich fand ich es übrigens auch spannend zu beobachten, wie schnell Kinder lernen, ihre sozialen Kontakte online weiter zu pflegen.