Das IZA Crisis Response Monitoring liefert eine unabhängige Bewertung der internationalen politischen Krisenreaktionen. Darüber hinaus haben wir für den IZA Newsroom einige unserer Länderexpertinnen und -experten nach ihren Einschätzungen zur Arbeitsmarktlage in ihrem Land gefragt. Egbert Jongen und Paul Verstraten vom Forschungsinstitut CPB erklären, wie sich der niederländische Arbeitsmarkt bislang in der Krise geschlagen hat.
Wie hat sich der Arbeitsmarkt in den Niederlanden in den letzten Monaten entwickelt?
EJ: Gemessen an dem massiven Einbruch der Wirtschaftsaktivität ist der Beschäftigungsrückgang vergleichsweise moderat ausgefallen. Von März bis Mai war etwa jeder dritte Arbeitnehmer in einem Unternehmen beschäftigt, das Kurzarbeit beantragt hat. Auch viele Selbstständige erhielten staatliche Unterstützung. Zusammen mit weiteren Politikmaßnahmen wie Steuerstundungen konnte auf diese Weise ein größerer Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert werden.
Wie wird die Arbeitsmarktlage in sechs bis zwölf Monaten aussehen?
PV: Mitte September haben wir im Macro Economic Outlook 2021 einen Ausblick für das nächste Jahr veröffentlicht. Unsere Basisprojektion geht von einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf 4,3 Prozent bis Ende des laufenden Jahres aus – nach einem historischen Tiefststand von 2,9 Prozent im Februar 2020. Für 2021 rechnen wir mit einem weiteren Anstieg auf rund sechs Prozent. Das wäre etwa ein halber Prozentpunkt weniger, als wir noch im August vorausgesagt hatten. Ein Grund dafür ist, dass die niederländische Regierung den Anspruch auf Kurzarbeitergeld zwischenzeitlich bis Juli 2021 verlängert hat. Im pessimistischeren Szenario mit einem weiteren Lockdown wäre aber auch eine Arbeitslosenquote von zehn Prozent im nächsten Jahr denkbar.
Im pessimistischen Szenario wäre eine Arbeitslosenquote von zehn Prozent im nächsten Jahr denkbar.
EJ: Für einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit spricht auch, dass uns die zweite Welle gerade mit voller Wucht trifft und die Aussichten für die kommenden Wintermonate nicht gerade rosig sind. Die Regierung hat die Zügel bereits wieder angezogen und weitere einschneidende Maßnahmen angekündigt, falls die Infektionskurve weiter ansteigt. Am 26. November wird unser Institut eine neue Projektion unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung vorlegen.
Welche Politikmaßnahmen wären jetzt besonders sinnvoll?
EJ: Da die Rezessionskurve keine V-Form hat und einige Sektoren dauerhaft unter der Krise leiden werden, sollte es nicht nur darum gehen, die Beschäftigung in den am stärksten betroffenen Branchen zu sichern, sondern eine Verlagerung von Arbeitskräften in produktivere Sektoren und Jobs zu fördern. Denn gerade im Bildungs- und Gesundheitswesen, aber auch in Technologiesektor, fehlt es ja an Personal. Wir sollten Unternehmen und Arbeitskräften also ausreichend Anreize für die notwendigen Anpassungsprozesse bieten und sie bei Weiterbildungs- und Rekrutierungsmaßnahmen unterstützen. Das passiert auch zum Teil schon.
Die Politik sollte Unternehmen und Arbeitskräfte bei Weiterbildungs- und Rekrutierungsmaßnahmen unterstützen.
Welche Aspekte der Krisenreaktion in den Niederlanden sind besonders bemerkenswert?
PV: Auffällig ist, dass die Zahl der Unternehmenspleiten nicht etwa gestiegen, sondern seit April sogar gesunken ist und im August auf dem niedrigsten Stand seit 21 Jahren lag. Das deutet darauf hin, dass das Rettungspaket der Regierung auch Unternehmen am Leben hält, die schon vor Corona in wirtschaftliche Schieflage geraten waren. Inwieweit das tatsächlich der Fall ist, werden wir erst in etwa neun Monaten wissen. Bis dahin wird die Förderung schrittweise ausgelaufen sein.
Auffällig ist, dass die Zahl der Unternehmenspleiten während Corona nicht gestiegen, sondern gesunken ist.
EJ: Bemerkenswert ist neben der erstaunlich schnellen Umsetzung weitreichender politischer Unterstützungsmaßnahmen auch die massive Verlagerung von Büroarbeit ins Homeoffice. Der Trend wird sicherlich auch nach Corona anhalten, denn vielen Unternehmen und Beschäftigten sind die enormen Chancen räumlich flexibleren Arbeitens erst in der Krise so richtig bewusst geworden.