Dekarbonisierung und Digitalisierung sind die großen transformativen Kräfte, die – beschleunigt durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg – auf den Arbeitsmarkt einwirken und die internationale Arbeitsteilung nachhaltig verändern. Was das für angespannte Arbeitsmarktlage in Deutschland bedeutet, erklären Holger Bonin und Ulf Rinne in einem aktuellen Beitrag für die Zeitschrift Wirtschaftsdienst.
Die beiden IZA-Forscher sehen den deutschen Arbeitsmarkt vor einer Zäsur: Aus dem Fachkräftemangel, der schon vor der Krise die deutsche Wirtschaft ausgebremst habe, sei inzwischen ein ausgewachsener Arbeitskräftemangel geworden, der auch den Niedriglohnsektor erreicht habe.
Die Bewältigung der „Zeitenwende auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ erfordere konzertierte Anstrengungen aller Akteure auf der Angebots- und Nachfrageseite, schreiben Bonin und Rinne. So müssten sich die Arbeitgeber noch aktiver um die Gestaltung attraktiver Arbeitsplätze – einschließlich angemessener Entlohnung – sowie um die Aus- und Weiterbildung bemühen.
Beschäftigte und Arbeitslose wiederum seien gefordert, zusätzliche oder auch gänzlich neue berufliche Qualifikationen zu erwerben. Der demografische Wandel könne zudem längere effektive Arbeitszeiten – in der Woche, im Jahr oder über das gesamte Erwerbsleben – erfordern, um das Wohlstandsniveau zu wahren.
Den Staat sehen die Autoren in der Pflicht, geeignete Rahmenbindungen für die notwendigen Anpassungen auf beiden Seiten des Arbeitsmarkts zu schaffen und überall dort korrigierend einzugreifen, wo der Marktmechanismus an seine Grenzen stößt.
Am Ende stehe jedoch eine unangenehme Wahrheit, so das Fazit der Autoren: Für die Bewältigung der massiven Fachkräfteengpässe gebe es keine einfache Lösung – und sie werde dauern. Außerdem werde den Unternehmen, den Bürgerinnen und Bürgern wie auch der Politik die eine oder andere Zumutung auf dem Weg zur nachhaltigen Sicherung des Wohlstands in Deutschland nicht erspart bleiben.