In der Metropole London kommt es an Tagen mit hoher Schadstoffbelastung häufiger zu Verbrechen. Dass es sich dabei um einen kausalen Zusammenhang und keine bloße Korrelation handelt, hat ein Forscherteam der London School of Economics in einer aktuellen Studie belegt, die jetzt als IZA Discussion Paper erschienen ist. Demnach nehmen bei stärkerer Luftverschmutzung vor allem kleinere Delikte wie Laden- und Taschendiebstahl zu, während sich für Tötungsdelikte und andere schwere Straftaten keine signifikanten Effekte nachweisen lassen.
Für die Gesamtkriminalität ergibt sich ein Anstieg um 0,9 Prozent, wenn sich der Luftqualitätsindex (AQI) um zehn Punkte erhöht. An Tagen mit besonders hoher Schadstoffbelastung (AQI = 103,6) ist die Kriminalitätsrate somit um 8,4 Prozentpunkte höher als an Tagen mit der niedrigsten gemessenen Schadstoffbelastung (AQI = 9,3). Bereits eine leicht erhöhte Luftverschmutzung (AQI über 35), wie sie etwa an jedem vierten Tag auftritt, führt zu 2,8 Prozent mehr Straftaten. Von der Größenordnung her entspricht der Effekt einer um neun Prozent verringerten Polizeipräsenz.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass eine Verbesserung der Luftqualität in Großstädten nicht nur gesundheitsförderlich wäre, sondern auch eine kosteneffektive Methode sein könnte, um Verbrechen einzudämmen“, folgert der Umweltökonom Sefi Roth, der die Studie gemeinsam mit Malvina Bondy und Lutz Sager verfasst hat. Auch wenn sich der Effekt primär auf Bagatelldelikte beschränke, könne die Polizei auf diese Weise in die Lage versetzt werden, sich intensiver auf die Bekämpfung schwerer Straftaten zu konzentrieren.
Für ihre Analyse werteten die Forscher 1,8 Millionen Straftaten über einen Zeitraum von zwei Jahren aus und verglichen sie mit Daten zur Veränderung der Luftqualität in den einzelnen Stadtbezirken. Dabei berücksichtigten sie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Niederschlagsmenge sowie die jeweiligen Wochentage und Jahreszeiten. Um andere Einflussfaktoren auszuschließen, nutzten sie außerdem den Umstand, dass sich die Schadstoffe je nach Windrichtung zufällig über das Stadtgebiet verteilen.
Als mögliche Ursache für den Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Kriminalität nennen die Studienautoren den Anstieg des Stresshormons Cortisol bei hoher Schadstoffbelastung. Die Forscher gehen davon aus, dass sich ihre Ergebnisse auch auf andere Großstädte übertragen lassen, die gleichermaßen unter schlechter Luftqualität und hohen Kriminalitätsraten leiden.
Die gesellschaftlichen Folgen und wirtschaftlichen Kosten von Luftverschmutzung sind auch aus arbeitsökonomischer Sicht von hohem Interesse. So hatte ein IZA-Forscherteam anhand von umfangreichen Leistungsdaten aus dem Profi-Fußball in einer vielbeachteten Studie gezeigt, dass die Arbeitsproduktivität bei erhöhter Feinstaubbelastung messbar zurückgeht.