Im Zuge der letzten Weltwirtschaftskrise haben sich Forschung und Politik wieder stärker mit der Bedeutung so genannter automatischer Stabilisatoren auseinandergesetzt, die seit den 1970er Jahren in Verruf geraten waren. Gemeint sind fiskalische Mechanismen, mit denen die Konjunktur automatisch und antizyklisch gedämpft oder stimuliert wird. Dazu zählt etwa die Arbeitslosenversicherung mit ihren je nach Konjunkturverlauf schwankenden Einnahmen und Auszahlungen.
Gerade in einer Rezession können automatische Stabilisatoren eine Schlüsselrolle für das Funktionieren moderner Sozialstaaten einnehmen: Wenn die Wirtschaft schrumpft, steigen Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, was dazu führt, dass ein größerer Teil der Bevölkerung Anspruch auf Arbeitslosen- oder Sozialhilfe erhält und niedrigeren Einkommensteuersätzen unterliegt. Davon gehen tendenziell wiederum positive Effekte für die Gesamtnachfrage aus.
Politische Eingriffe in die Konjunktur
Automatische Stabilisatoren stellen somit prinzipiell eine Einflussmöglichkeit einer aktiven Fiskalpolitik auf den Wirtschaftsverlauf dar. Im Rahmen einer solchen aktiven Steuerpolitik können Sozialleistungen und Steuererleichterungen als Gegenmaßnahmen gegen eine drohende Krise beschlossen werden, um die Nachfrage und damit die Wirtschaft weiter anzukurbeln.
Was in der Theorie gut klingt, muss in der Praxis allerdings nicht (immer) funktionieren: Zahlreiche Politikmaßnahmen mit dem Ziel dieses „Nachfragemanagements“ sind in der Vergangenheit fehlgeschlagen. Statt dessen wurden in jüngerer Zeit im Rahmen von strukturellen Arbeitsmarktreformen, wie beispielsweise den Hartz-Reformen in Deutschland, in einigen Ländern die beschäftigungsbezogenen Steuern sowie die Arbeitslosenunterstützung gekürzt, um die Arbeitsanreize zu steigern.
An dieser Stelle prallen zwei politische Denkrichtungen aufeinander: Soll zur Abwehr einer Krise die Generosität von Arbeitslosenversicherungen erhöht werden, um die Wirkung der automatischen Stabilisatoren zu erhöhen? Oder ist es sinnvoller, die Generosität einzuschränken, um Erwerbsarbeit attraktiver zu machen und die Liquidität des Arbeitsmarktes zu erhöhen?
Zwischen Anreizorientierung und Risikoabsicherung
Ein kürzlich im IZA Journal of European Labor Studies erschienener Artikel des dänischen Arbeitsökonomen Torben M. Andersen (Universität Aarhus und IZA) zeigt, dass sich dieser Glaubensstreit längst überlebt hat. Arbeitsmarktreformen sind vor allem dann erfolgreich, wenn sie einen klugen Kompromiss zwischen Anreizorientierung und Risikoabsicherung finden.
Befürworter der automatischen Stabilisatoren vernachlässigten häufig die zunehmende Schwierigkeit des „Matchings“ zwischen Arbeitssuchenden und offenen Stellen. Mit einer darauf abgestimmten Arbeitsmarktpolitik sei es möglich die automatischen Stabilisatoren zu stärken, ohne dabei vorhandene Anreizstrukturen für Beschäftigung und Arbeitssuche zu beeinträchtigen.
Gemeinsame europäische Arbeitslosenversicherung
In derselben Ausgabe des IZA Journal of European Labor Studies befasst sich auch der ehemalige EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration, László Andor (Mercator Senior Fellow der Hertie School of Governance) mit diesem Thema. Er warnt davor, dass ohne automatische Stabilisatoren eine Währungsunion nur schlecht funktionieren und auf lange Sicht nicht nachhaltig sein könne.
Zudem spricht sich Andor für eine gemeinsame europäische Arbeitslosenversicherung aus, bei der ein Teil der nationalen Arbeitslosenunterstützung durch eine vergemeinschaftete Versicherung ersetzt wird. Dies würde sich seiner Einschätzung nach sowohl wirtschaftlich positiv auswirken als auch die Bürger Europas direkter einbinden. Hinsichtlich der Durchsetzbarkeit einer Reform der Wirtschafts- und Währungsunion, durch die Kosten und Nutzen gerechter verteilt werden könnten, zeigt sich Andor allerdings skeptisch.