Vorträge vor großem Publikum zu halten ist nicht jedermanns und erst recht nicht jederfraus Sache, wie ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Maria De Paola, Rosetta Lombardo, Valeria Pupo und Vincenzo Scoppa zeigt. In einem Feldexperiment mit über 500 Studierenden einer italienischen Universität untersuchte das Ökonomenteam, wie sich Männer und Frauen in der Bereitschaft zum öffentlichen Auftritt unterscheiden.
Die Studierenden konnten ihre Prüfungsnote durch eine mündliche Präsentation aufbessern. Per Zufall wurde dabei variiert, ob der freiwillige Vortrag als Einzelgespräch mit der Lehrkraft oder im Hörsaal vor über 100 Kommilitonen stattfinden würde. Während 43 Prozent der Frauen von der Möglichkeit zum Einzelgespräch Gebrauch machten, ließen sich nur 25 Prozent auf die Präsentation vor Publikum ein. Bei den Männern lag die Teilnahmequote in beiden Fällen bei rund 39 Prozent.
Soziale Normen entscheidender als Persönlichheit
Die Forscher untersuchten auch die Persönlichkeitsmerkmale der Probanden, fanden jedoch keine systematischen Unterschiede, etwa mit Blick auf Risikoneigung oder Selbstbewusstsein, die den Geschlechterunterschied beim Präsentationsverhalten erklären könnten. Eine Online-Befragung ergab, dass auch stärkere Anreize oder eine längere Vorbereitungszeit die Vortragsbereitschaft der Frauen nicht nennenswert erhöht hätten.
Daher sprechen die Erkenntnisse nach Einschätzung der Autoren dafür, dass die bei Frauen ausgeprägtere Rampenlichtscheu keine Frage der Persönlichkeit oder der Leistungsfähigkeit sei, sondern vielmehr auf tiefer verankerten sozialen Normen beruhe. Da freies Reden vor größeren Gruppen als Kernkompetenz für Führungskräfte gelte, könnten sich Karrierenachteile für Frauen auf diese Weise verstärken.
Umgekehrt wirkt sich eine Abkehr von traditionellen Rollenbildern offenbar positiv auf das Präsentationsverhalten von Frauen aus: In dem Experiment waren Töchter berufstätiger Mütter eher bereit, vor der großen Gruppe vorzutragen. Dieser Befund deckt sich mit früherer IZA-Forschung, nach der sich egalitärere Geschlechternormen auf den Nachwuchs übertragen.