Geschlechterunterschiede sind von Ökonomen in vielerlei Hinsicht erforscht, wenn es beispielsweise um Wettbewerbsverhalten, Risikoneigung , Teamleistung oder Karrierewege geht. Ein aktuelles IZA-Forschungspapier von Angela Cools, Raquel Fernández und Eleonora Patacchini ergänzt den Wissensstand um einen weiteren Aspekt – die geschlechtsspezifischen Effekte von Leistungsunterschieden innerhalb einer Gruppe.
Am Beispiel von Schulklassen in den USA untersucht die Studie die Auswirkungen des Anteils männlicher bzw. weiblicher Leistungsträger („High-Achievers“) auf den späteren Werdegang der Mitschülerinnen und Mitschüler. Dazu analysierten die Forscherinnen repräsentative Daten der Langzeitstudie „Add Health“ zu über 10.000 Schülern aus rund 120 High Schools in den USA.
Um Ursache und Wirkung sauber zu trennen, identifizierten sie die leistungsstarken Schüler nicht anhand deren Zeugnisnoten, da diese bereits durch die Interaktion mit Mitschülern beeinflusst sein könnten. Stattdessen zogen sie das Bildungsniveau der Eltern heran, das mit dem schulischen Leistungspotenzial der Kinder nachweislich stark korreliert.
Auswirkungen auf Bildungsabschluss und Erwerbstätigkeit
Die Auswertung zeigt: Sind Mädchen von vergleichsweise vielen männlichen Leistungsträgern umgeben, erzielen sie tendenziell schlechtere Noten in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern. Zudem verringert sich ihre Wahrscheinlichkeit, später einen Hochschulabschluss zu erlangen, während sie im Schnitt früher Kinder bekommen und seltener erwerbstätig sind.
Umgekehrt verhält es sich, wenn die Klasse besonders viele leistungsstarke Mädchen hat: Deren Mitschülerinnen profitieren in Form von größerem Bildungs- und Arbeitsmarkterfolg. Besonders ausgeprägt sind die Effekte bei Schülerinnen in der unteren Hälfte des Leistungsspektrums und an „besseren“ Schulen.
Auf Jungen hatte der Anteil männlicher oder weiblicher Leistungsträger in der Klasse hingegen keinerlei Einfluss.
Mangelndes Selbstbewusstsein?
Den verfügbaren Daten zufolge lassen sich die Befunde primär darauf zurückführen, dass Mädchen weniger Selbstbewusstsein und Ehrgeiz an den Tag legen, wenn sie von vielen leistungsstarken männlichen Schülern umgeben sind. Außerdem neigen sie eher zu riskanten Verhaltensweisen wie Drogenkonsum und Teenager-Schwangerschaften.
Ob sich diese Effekte durch die unmittelbare Interaktion mit den Mitschülern ergeben, lässt die Studie offen. Denkbar seien auch indirekte Einflüsse durch das Verhalten von Lehrern und Eltern.
In jeden Fall sprechen die Ergebnisse nach Einschätzung der Autorinnen dafür, dass schwächere Schülerinnen in einem männlich dominierten Umfeld besondere Förderung erfahren sollten – sei es durch Maßnahmen zur Stärkung des Selbstbewusstseins oder durch intensiveren Kontakt zu leistungsstarken Mädchen.